Data Science ganz praktisch – eine Produktion-zentrierte Sicht

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Das Thema Künstliche Intelligent (KI) ist derzeit in aller Munde. Maschinelles Lernen und Deep Learning sowie große Sprachmodelle (Large Language Models – LLM) führen die Liste der oft genannten KI-Begriffe an. Ohne Zweifel wurden auf diesen Gebieten der Data Science in den letzten Jahren extreme Fortschritte erzielt. Hier befruchten sich zwei Aspekte gegenseitig: 

  • die wachsende Verfügbarkeit von Daten aller Art, die hinsichtlich Umfangs und struktureller Aufbereitung sowohl für das Training als auch die Anwendung von KI-Methoden geeignet sind, 
  • sowie die Entwicklung von neuen und die Weiterentwicklung von etablierten Methoden der KI in Verbindung mit immer leistungsfähigeren Hardware-Systemen. 

Doch was bedeutet diese Entwicklung ganz praktisch für die Welt der industriellen Produktion? Welche Methoden können schon heute sinnvoll und gewinnbringend eingesetzt werden? Welche Bedingungen müssen dafür erfüllt sein und welche Herausforderungen gilt es zu meistern? Und – last but not least – wie sieht es mit der Verlässlichkeit der Ergebnisse aus?

Daten, Daten, Daten

Zunächst muss klar sein, dass die meisten Spielarten der KI vor einem möglichen Einsatz erst einmal ein Training benötigen. Dafür sind Daten notwendig, die im Umfeld des späteren Einsatzes der KI erhoben werden müssen. Der Praktiker sagt jetzt: In meinem Produktionsunternehmen fallen tagtäglich große Datenmengen an, welche man doch nutzen könnte. So weit so gut, doch einige Aspekte gilt es zu beachten.  Zunächst müssen diese Daten auf einer geeigneten Hardware gesammelt werden, um sie dort gemeinsam auswerten – d.h. z.B. für ein Training nutzen – zu können. Darüber hinaus müssen die Daten natürlich frei von Fehlern – also durchgehend gültig – sein. Und schließlich gehört zu einem Training einer KI auch, dass die Informationen, die im späteren Einsatz von der KI ermittelt werden sollen – also der KI-Output im Einsatzfall, die sogenannten Labels –, der KI beim Training vorgelegt werden. Nur so kann die KI die Muster in den Daten lernen, die sie später wiedererkennen soll.

Das Ganze klingt erstmal kompliziert und tatsächlich ist der Aufwand nicht zu unterschätzen. Aber – und das ist der tröstliche Aspekt – der Nutzen, den eine KI stiften kann, ist in vielen Fällen deutlich höher. Es lohnt sich also, intensiv über den Einsatz von Methoden der KI im Produktionsprozess nachzudenken.

Weitere Herausforderungen

Am Beginn der Überlegungen für einen Einsatz von KI-Methoden sollte immer die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit stehen. Nur bei positivem Kosten-Nutzen-Verhältnis sind weitere Schritte sinnvoll. Als weitere Herausforderung muss der Aufbau eines Teams, in dem zumindest Prozessexperten, Datenanalysten und Software-/IT-Leute vertreten sein sollten, gesehen werden. Hier ist darauf zu achten, dass vollständige Informationen über den Prozess zur Verfügung stehen. Schließlich kann eine Zusammenarbeit mit weiteren internen und externen Partnern notwendig werden, z.B. zur Beschaffung oder Überprüfung von Daten.

Einsatzziele einer KI in der Produktion

Trotz dieser Herausforderungen ist der Einsatz von KI-Methoden in der Produktion oftmals lohnenswert. Durch die fortschreitende Digitalisierung fallen in Produktionsunternehmen immer größere Datenmengen an. Die neuen Möglichkeiten von modernen KI-Methoden eröffnen Mittel und Wege zur schrittweise intensiveren Nutzung dieser Daten. Hier bieten sich insbesondere Verfahren des Maschinellen Lernens an, um Auswertungen zu verschiedenen Zwecken durchzuführen.

Die Ziele des Einsatzes einer KI in der Produktion können vielgestaltig sein. Meistens geht es um die Optimierung von Prozessen. Das kann z.B. die Effizienz der Produktion betreffen, die datentechnisch überwacht und mittels KI optimiert wird. Oder es geht um Aspekte der Qualitätssicherung der hergestellten Produkte. Weiterhin ist auch oft die Optimierung von Nebenprozessen (Instandhaltung, Produktionsplanung, Logistik) Ziel des KI-Einsatzes. Und schließlich kann KI auch das in einer Produktionsumgebung entstehende Produkt verbessern, indem ergänzende Funktionen integriert werden, die das Produkt für den Kunden aufwerten.  

Transfer von KI in die industrielle Produktion

Viele Unternehmen haben die Potenziale von KI erkannt und möchten diese gern für sich nutzen. Der Kenntnisstand hinsichtlich konkreter Integrationsmöglichkeiten in die eigenen Prozesse oder Produkte sowie in Bezug auf den wirtschaftlichen Nutzen und die technischen Grenzen der Methoden ist jedoch sehr unterschiedlich. Ebenso ist die Ausgangslage in der Praxis sehr verschieden. Zudem sind industrielle Umgebungen, zumal im Mittelstand, im Gegensatz zu Consumer-Anwendungen oft Unikate, die proprietäre Prozesse nutzen und so oftmals den Wettbewerbsvorteil des jeweiligen Unternehmens realisieren. Gefragt ist also eine individuelle Herangehensweise an das jeweilige Problem aus der Industrie, welche die jeweilige Situation erfasst und möglichst schnell zu einem Konzept für eine wirtschaftlich sinnvolle Umsetzung kommt.

Um diese Herausforderungen zu adressieren, hat das Fraunhofer IIS/EAS im Jahr 2022 begonnen, ein Anwendungs- und Testzentrum für Künstliche Intelligenz zu installieren. Dieses wird eine Plattform zur Kollaboration von Technologieentwicklern, Anwendern und Wissenschaft bieten, um den Transfer von KI in die industrielle Produktion zu beschleunigen und Möglichkeiten für klein- und mittelständige Unternehmen zu schaffen, sich mit dem Thema KI und deren Anwendung im eigenen Unternehmen oder in den eigenen Produkten auseinanderzusetzen, ohne dafür zunächst hohe Investitionen ohne klare Nutzenperspektive tätigen zu müssen.

Maschinelles Lernen versus große Sprachmodelle

Methoden des Maschinellen Lernens sind seit vielen Jahren etabliert und verlässlich einsetzbar, wenngleich natürlich jede dieser Methoden nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage liefern kann. Der Erfolg des Einsatzes hängt zum allergrößten Teil von der Güte der Trainingsdaten ab. Durch sorgfältige Auswahl und Vorbereitung der Daten lässt sich der Erfolg jedoch positiv beeinflussen.

Bezüglich des Einsatzes von LLMs muss allerdings die derzeit vorherrschende Euphorie etwas gebremst werden. Viele Versuche mittels LLMs relevante Informationen aus dem Internet zu erhalten, sind gescheitert. Das muss auch nicht weiter verwundern, wenn man sich klar macht, auf welche Weise LLMs funktionieren. Diese Systeme sind Textgeneratoren, die die Semantik hinter den Texten nicht „verstehen“. Im Prinzip wird lediglich aus einer vorhandenen Wortgruppe die höchste Wahrscheinlichkeit für das nächstfolgende Wort errechnet, dieses dann hinzugefügt und die nächste Wahrscheinlichkeit ermittelt usw. Ein LLM hat keine Möglichkeit, den Wahrheitsgehalt seiner Texte zu prüfen. Das ist – zumindest heutzutage – intrinsisch nicht möglich. Die Einsatzmöglichkeiten von LLMs sind deshalb eher in Bereichen zu suchen, in denen nicht mit „harten Fakten“ operiert wird.

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Über den Autor:

Dr.-Ing. Olaf Enge-Rosenblatt, Gruppenleiter Datenanalysesysteme, Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS, Institutsteil Entwicklung Adaptiver Systeme EAS, Dresden

Dr. Olaf Enge Rosenblatt studierte Automatisierungstechnik, promovierte zum Dr.-Ing. der Elektrotechnik und arbeitet seit 2005 am Institutsteil Entwicklung Adaptiver Systeme des Fraunhofer IIS, wo er das Forschungsfeld Datenanalysesysteme verantwortet. Unter seiner Leitung werden zahlreiche Forschungs- und Applikationsprojekte rund um die Themen Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen durchgeführt. Anwendungsbereich ist im Wesentlichen die Zustandsüberwachung von Maschinen und Anlagen in verschiedensten Industriezweigen (Stahlindustrie, Maschinenbau, Verpackungsindustrie).