Kennzeichnungssystem (KS) als Basis für zeitgemäße Gebäudeautomations-Konzepte und deren Umsetzung

Motivation und Einleitung
Die Digitalisierung im Bauwesen schreitet mit großen Schritten voran. Gerade für die Gebäudeautomation bedeuten die aktuellen Entwicklungen im Bereich des digitalen Planen, Bauens und Betreibens und des Themas Building Information Modeling (BIM) spannende Chancen und neue Geschäftsfelder. Voraussetzung dafür ist, dass sich z.B. die Gebäudeautomation zu einer „BIM-fähigen“ Gebäudeautomation weiterentwickelt, d.h. Funktionen und Parameter der Gebäudeautomation auch entsprechend in ein passendes BIM-Modell für das Gebäude inkl. der Anlagentechnik eingebunden sind. Und dies in beiden Richtungen.
D.h. die Gebäudeautomation liefert Informationen für ein integriertes BIM-Datenmodell. Aber auch aus dem BIM-Datenmodell werden relevanten Daten und Informationen für die Gebäudeautomation z.B. für ein kontinuierliches Anlagen- und Energie-Monitoring und verbesserte Betriebsführungskonzepte geliefert.
Eine notwendige Basis hierfür sind standardisierte Daten- und Funktionsmodelle, die eine eindeutige Syntax und Semantik für den wechselseitigen Austausch in verschiedenen BIM-basierten Tools ermöglichen.
Mit der neuen Richtlinienreihe VDI 3814 Gebäudeautomation ist nunmehr zum Dezember 2017 mit dem Blatt 4.1. ein Entwurf erschienen, der das Thema Kennzeichnungs- und Adressierungssystem speziell für die Zwecke der Gebäudeautomation beschreibt. Der Entwurf der VDI 3814 unterscheidet hierbei folgenden Bestandteile:
- Anlagenkennzeichnungssystem (AKS) zur eindeutigen Kennzeichnung der Anlagen
- Betriebsmittelkennzeichnungssystem (BKS) zur eindeutigen Kennzeichnung von Betriebsmitteln
- Benutzeradressierungssystem (BAS) zur eindeutigen Bezeichnung von GA-Funktionen
Methodik Kennzeichnungssystem (KS)
Im Vorfeld wurden intensive Gespräche mit den beteiligten Projektgruppen an der Hochschule Biberach durchgeführt. Auf Basis dieser Gespräche wurde das Kennzeichnungssystem in verschiedene Abschnitte (Ort, Funktion, Zusatzangaben) eingeteilt. Dies ist insbesondere für flexible Anwendungen wie z.B. bei Labor- und Forschungsprojekten am Institut für Gebäude- und Energiesysteme wichtig, weil hier oftmals für detailliertere messtechnische Untersuchungen mehrere Messpunkte an gleichen Messorten gesetzt werden, welche ohne Zusatzangaben zu doppelten Bezeichnungen führen würden. Dies kann zwar durch einen Stromlaufplan mit entsprechenden Betriebsmittelkennzeichen vermieden werden, aber es zeigt sich in der Praxis, dass es gerade bei vielen Datenpunkten sehr vorteilhaft sein kann, wenn sämtliche Informationen direkt aus dem Kennzeichnungssystem mit ausgelesen werden können, ohne zusätzlich den Stromlaufplan parallel öffnen zu müssen. Abbildung 1 zeigt hierbei das Kennzeichnungssystem mit Bezug zu den Begriffen aus Blatt 4.1 der Richtlinie VDI 3814. Tabelle 1 erläutert ergänzend die einzelnen Felder des Kennzeichnungssystems.

Abbildung 1: Kennzeichnungssystem (KS) am Institut für Gebäude- und Energiesysteme (IGE) der Hochschule
Bezeichnung Feld | Erläuterung | |
---|---|---|
Hierbei handelt es sich um den allgemeingültigen Teil, der als Grundlage für alle Projektgruppen gilt. | ||
1 | Zentrale-Gebäude | In welchem Gebäude und in welchem Raum befindet sich die der Komponenten (z.B. Sensor) zugeordnete Automationsstation (AS) |
2 | = | Genormtes Trennzeichen |
3 | Anlagennummer | Um eine möglichst eindeutige und selbsterklärende Nummer zu generieren, werden die ersten drei Stellen aus der DIN 276 übernommen. Mit den restlichen Stellen wird ein durchlaufender Index der Anlage zugewiesen. |
4 | + | Genormtes Trennzeichen |
5 | Einbauort-Gebäude / Einbauort-Raum | In welchem Gebäude und in welchem Raum befindet sich die Komponenten (z.B. Sensor, Aktor). |
6 | - | Genormtes Trennzeichen |
7 | BMK | Betriebsmittelkennzeichen, bestehend jeweils aus einem Feld für die Seite im Stromlaufplan, das Kennzeichen selbst (z.B. R für einen Temperatursensor), und der laufenden Nummer des Betriebsmittels auf der jeweiligen Seite |
8 | / | Genormtes Trennzeichen |
9 | Funktion | Funktion des Datenpunktes auf Basis genormter bzw. in der Praxis etablierter Bezeichnungen (z.B. MW – Messwert) |
10 | - | Genormtes Trennzeichen |
11 | Datenpunkt | Genormtes Kürzel für die Datenpunktidentifizierung (z.B. T – Temperatur) |
Zusatzfelder für die Projektgruppen- spezifische Bezeichnungen | ||
12 | Zusatzfeld 1 | Gerät bzw. Komponente, für welches der Datenpunkt eingesetzt wird (z.B. HK- Heizkreis) |
Zusatzfeld 2 | Position des Datenpunktes (z.B. VL – Vorlauf) | |
Zusatzfeld 3 | Unterscheidung eines weiteren Datenpunktes am gleichen Messort, falls ein Datenpunkt bzw. eine Messung doppelt ausgeführt wird. (z.B. g1 – gleichartige Komponente 1) | |
Zusatzfeld 4 | Kommunikationssystem (z.B. BAC – BACnet) | |
Zusatzfeld 5 | Sonderfunktion (z.B. DpU – Datenpunktüberwachung aktiv) |
Tabelle 1: Detailliertere Erläuterung des Kennzeichnungssystems (KS)
Umsetzung Kennzeichnungssystem (KS)
Auf Grund der relativ großen Anzahl an Bearbeitern und Nutzern des Kennzeichnungssystems am Institut musste ein datenbankbasiertes Tool gefunden werden, welches universell einsetzbar und flexibel anpassbar sein sollte und zudem das Anlegen verschiedener Nutzer mit spezifischen Rechten ermöglichen sollte. Um Fehleingaben zu vermeiden, sollte auch eine intuitiv bedienbare Eingabemaske für die Erstellung der Datenpunkte vorhanden sein.
Basierend auf diesen und weiteren Anforderungen fiel nach eingehenden Recherchen die Wahl auf die Software-Umgebung Microsoft Sharepoint™.
Abbildung 2 zeigt einen Ausschnitt der Eingabemaske in der Microsoft Sharepoint™ Umgebung. Es sind unterschiedliche Eingabemethoden durch den Sharepoint Designer möglich. Dies geht von freien Texteingaben (z.B. BMK-Seite), über Pull-Down Menüs bis hin zu Check-Boxen.

Abbildung 2: Ausschnitt aus Eingabemaske des KS in Software-Umgebung MS Sharepoint™
Nachdem mit dieser Eingabemaske ein Datenpunkt angelegt wurde, werden sogenannte Workflows bei MS Sharepoint 2010™ aktiv, die zuvor einmalig in dem Sharepoint Designer „programmiert“ worden sind. Hierbei handelt es sich um einfache „Wenn-Dann“ Bedingungen, die sehr einfach zu administrieren sind.
Durch dieses Vorgehen entsteht eine Datenbank mit hervorragenden Filtereigenschaften, weil grundsätzlich jeder Listeneintrag einzeln gefiltert werden kann und somit die Gesamtliste der Datenpunkte mit wenigen Mausklicks stark eingeschränkt werden kann. Ein Beispielfilter könnte z.B. über die Anlagennummer (z.B. 442018), der Funktion (z.B. MW- Messwert) und dem Datenpunkt (z.B. T- Temperatur) sein.
Ein weiterer Vorteil der MS Sharepoint™ Umgebung ist die Kommunikation mit den MS Office™ Programmen. So ist es beispielsweise möglich, die komplette Datenpunktliste einfach nach Excel™ zu exportieren.
Gleich in mehreren Projekten konnte die Praxisrelevanz des entwickelten Kennzeichnungssystems an der Hochschule Biberach getestet werden:
- Erfassung von mehreren Feldanlagen (Kälteanlagen, Erneuerbare Energieanlagen, …) in einem Energiemanagement-Tool
- Automatisierung verschiedener HLK-Anlagen durch eine Automationsstation (AS) in hochschuleigenen Gebäuden über den Kommunikationsstandard BACnet
- Visualisierung unterschiedlicher Anlagensysteme über ein Gebäudeautomationsmanagement (GAM)
Umsetzung Kennzeichnungssystem (KS)
Der Beitrag beschreibt die Methodik und projektgruppenübergreifende Umsetzung eines systematischen und flexiblen Kennzeichnungssystems (KS) am Institut für Gebäude- und Energiesysteme (IGE) der Hochschule Biberach. Es ist darauf zu achten, dass die Erzeugung und die Pflege des Kennzeichnungssystems standardisiert, flexibel erweiterbar, möglichst intuitiv und übersichtlich gestaltet ist. Die neue Richtlinie VDI 3814 bietet mit dem aktuellen Entwurf von Blatt 4.1. eine gute Grundlage für ein standardisiertes Kennzeichnungssystem.
Autor
Dipl.-Ing. (FH) Peter Knoll, Institut für Gebäude und Energiesysteme (IGE), Hochschule Biberach (HBC), knoll@hochschule-bc.de
Prof. Dr.-Ing. Martin Becker, Institut für Gebäude und Energiesysteme (IGE), Hochschule Biberach (HBC), becker@hochschule-bc.de