Smarte Roboter - Eine neue Ära der Mensch-Roboter-Interaktion!
Prof. Dr.-Ing. Markus Glück, Robotik und Automation, Hochschule Aalen, Fakultät Optik und Mechatronik
Roboter sind aus der industriellen Fertigung nicht mehr wegzudenken. Ohne die vielen fleißigen Helfer in Produktion und Logistik, die uns ergonomisch anspruchsvolle, schmutzige, monotone, psychisch belastende und gefährlichen Arbeiten zuverlässig und ermüdungsfrei abnehmen, sind wir heute schon am Standort Deutschland weder wettbewerbs- noch zukunftsfähig. Und dies nicht nur in der Automobilproduktion sowie bei deren Zulieferfirmen, sondern zunehmend auch im produzierenden Mittelstand!
Gleichzeitig erleben wir in nahezu allen Lebensbereichen eine smarte Revolution: Wir nutzen ganz selbstverständlich Smartphones als mobile Endgeräte. Wir nutzen Plattformen im Netz für unsere Beschaffungen und tauschen dort Erfahrungswerte aus. Beim Smart Farming verwandeln sich Traktoren in autonom agierende Feldroboter. Wir leben in Smart Cities und profitieren von intelligenten Verkehrsleitsystemen, der effizienten Energieverteilung. In Kürze werden die ersten von uns autonom fahren; ganz selbstverständlich elektrisch angetrieben.
Aber gibt es auch eine smarte Robotik mit neuen Services? Selbstverständlich!
Wir sind gerade dabei, einen durchaus epochal einzustufende Paradigmenwechsel zu gestalten: Der Weg in die autonome Robotik, eine neue Ära der Mensch-Roboter-Interaktion in Produktion, Logistik und Service!
Die ersten Signale dieses Wandels sind sichtbar: In vielen Einsatzfeldern rücken die Menschen mit neuen Kollegen - smarten Robotern – näher zusammen. Zunehmend sind an vielen Stellen Roboter im Einsatz, die nicht nur eigens ausgebildete Werkerinnen und Werker, sondern alle Menschen unmittelbar bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen. Intuitiv zu bedienen, flexibel einsetzbar und autonom agierend – und dies nicht nur in der Produktion.
Aus dem üblichen Nebeneinander von Menschen und Robotern hinter Schutzzäunen erwächst ein unmittelbares Miteinander in gemeinsam geteilten Arbeitsräumen. Cobots und mobile Serviceroboter treten mit hohem Tempo in unsere Lebens- und Arbeitsumfelder ein. Sie unterstützen uns bei der Montage, bei der Maschinenbeladung, beim Sortieren, Palettieren, Verpacken, Prüfen und Reinigen. Sie werden zu gefragten Helfern in Logistik, Gastronomie, Hotels, in der Pflege und in Operationssälen bei medizinischen Eingriffen.
Vom rein stupiden Arbeitstier entwickeln sich die smarten Roboter zu intelligenten Helfern und Begleitern der Menschen weiter. Sie zeichnen sich eine durchdachte einfache Bedienbarkeit (Usability) aus und ermöglichen die Erschließung vieler Einsatzfelder. Sie stehen sogar für eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle.
Zunehmend treten neue Anbieter in den Markt ein, auch Startups, Programmierer, Mechatroniker, Softwareentwickler, welche die Bestandsfirmen herausfordern. Sie schaffen nicht nur neue Roboter und neuartige Steuerungsansätze. Sie erobern ganz neue Anwendungsfelder. Es entstehen innovative Plattformen und vernetzte Ökosysteme, auf denen anwendungsspezifisch Lösungen entwickelt und hierfür nötige Komponenten passgenau angeboten werden.
Doch wie gestaltet man das sichere Miteinander von Menschen und smarten Robotern? Wie kann die Mensch-Roboter-Interaktion nutzenstiftend und nachhaltig in neuen Anwenderszenarien eingesetzt werden? Und wie muss man die betroffenen Menschen „mitnehmen“ in diese neue Ära der Robotik?
Zweifellos gilt es, bei der Einführung von Roboterkollegen und mobilen Plattformen neben technischen Entwicklungsprozessen intensiv Vertrauensarbeit zu leisten und überzeugend zu argumentieren. Denn es geht um weit mehr als das Beschaffen eines Roboters oder die Auswahl eines geeigneten Systemintegrators. Über Erfolg oder Misserfolg einer Mensch-Roboter-Interaktion entscheidet vor allem der Faktor Mensch. Geduld, Fingerspitzengefühl und Respekt vor oft unausgesprochenen Unsicherheiten und Ängsten der Mitarbeitenden sind nötig. Ganz wichtig: Der Mensch gibt den Takt vor. Er darf nicht vom Roboter getrieben, gegängelt und von Fehlersignalen genervt werden!
Generell wichtig ist es, sich bei einer Einführung der Mensch-Roboter-Interaktion im Unternehmen Mut und Pragmatismus an den Tag zu legen, ohne leichtsinnig zu werden und sich zu übernehmen. Sicherheit zählt. Beginnen Sie daher lieber mit Aufgaben geringer Komplexität. So können Sie und Ihre Mitarbeitenden lernen und an den Herausforderungen wachsen. Das schafft Selbstvertrauen und sichert einen schnellen Umsetzungserfolg.
Und wie geht die smarte Revolution weiter? Wo geht die Reise in Produktion und Logistik hin? Wo sind attraktive Märkte und Anwendungsfelder?
Die Robotik wird sich zweifellos mit hohem Tempo weiterentwickeln zur smarten Robotik: Handlungsintelligent und autonom agierend durch die erfolgreiche Integration von Sensoren und Aktoren. Kognitiv, also sehend und ihr Einsatzumfeld wahrnehmend, um autonom zu handeln und Kollisionsrisiken zu vermeiden. Durch Künstliche Intelligenz wird die Robotik im industriellen Einsatz leistungsfähiger, ressourcenschonender und mobiler. Sie wird zu einem in Zeiten des Fachmangels geschätzten Assistenten in Produktion, Intralogistik, Pflege, Gastronomie und Handel. Haben wir Mut, diesen revolutionären Wandel selbst zu gestalten, aktiv und sicher, für die Menschen und unsere eigene Zukunftsfähigkeit.
Lernen wir von einander und suchen wir gemeinsam nach Lösungen, neuen Anwendungen, innovativen Geschäftsideen, smarten Technologien. Gestalten wir mutig und gemeinsam die künftige Arbeitswelt. Setzen wir Roboter dort ein, wo immer sie uns zuverlässig wirkende und entlastende Helfer sein können. Eine große, aber auch sehr attraktive Aufgabe!
Zitat
„Wir sind gefordert, eine neue Ära der Mensch-Roboter-Interaktion aktiv zu gestalten.“
Über den Autor:
Prof. Dr. Markus Glück vertritt seit 2021 das Lehrgebiet „Automatisierung und Robotik“ an der Hochschule Aalen, Fakultät Optik und Mechatronik. Von 2016 bis 2021 war er Chief Innovation Officer beim Greif- und Spanntechnikhersteller SCHUNK, von 2002 bis 2016 Geschäftsführer der Technologie Centrum Westbayern GmbH, von 2008 bis 2016 zudem Professor an der Hochschule Augsburg, Fakultät für Maschinenbau und Verfahrenstechnik.
Studium der Elektrotechnik an der Universität Ulm (1989-1994), wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungszentrum der Daimler AG in Ulm (1995-1997), Mitglied des Führungsteams der Mattson Thermal Products GmbH (1998-2001), Sondermaschinenbau für Chipfertigung, zeitweise Auslandstätigkeit im Silicon Valley.
Prof. Dr. Markus Glück koordiniert das Studienangebot „Robotik“ und wurde kürzlich mit dem Lehrpreis 2023 der Hochschule Aalen ausgezeichnet. Seit 2014 ist er Träger der Ehrenplakette des VDI. Seine Fachgebiete und FuE-Schwerpunkte: Industrielle Bildverarbeitung, Robotik, Steuerungs- und Automatisierungstechnik, Digitalisierung der Produktion, Mensch-Roboter-Interaktion.