Mehr als nur leicht – hybride Werkstoffverbunde im Fahrzeugbau

Durch den Paradigmenwechsel hin zur Elektromobilität ‑ verbunden mit der digitalen Integration in Produkt und Produktion ‑ haben sich die Anforderungen an Produkte und somit auch an Werkstoffe und Produktionsmethoden verändert. Während noch vor einigen Jahren der Leichtbau verstärkt im Vordergrund stand, ist heute leicht eine ‑ zwar wesentliche ‑ aber eben nur eine Eigenschaft, die der Gebrauchs­optimierung von Produkten zugrunde liegt.

Kunststoffe und Kunststoffverbunde haben ein erheblich höheres Potential zur Inte­gration von zusätzlichen Funktionen als dies bei rein metallischen Werkstoffen der Fall ist. Ein Beispiel hierfür ist die Integration von Sensorik, die die Voraussetzung für Fahrer­assistenzsysteme bis hin zum autonomen Fahren darstellt.

Fahrzeuge mit Elektroantrieben bzw. Fahrzeuge, die in einem autonomen Betrieb ein­gesetzt werden, sollten aufgrund der vorliegenden Rahmenbedingungen vollständig neu ‑ unter Berücksichtigung eben dieser Rahmenbedingungen ‑ konzipiert werden. Wesentliche Aspekte in diesem Zusammenhang sind der Wegfall der Einheit von (Ver­brennungs-) Motor und Getriebe, die infolge von Festigkeit und Steifigkeit aktuelle Fahrzeugstrukturen dominiert, die Notwendigkeit Batterien so zu integrieren, dass sie auch im Crashfall sicher geschützt sind und die veränderte Nutzung von autonom fahren­den Fahrzeugen, die praktisch 365 Tage im Jahr über 24 h/Tag betrieben werden können.

Eine sinnvolle Bewertung des Umwelteinflusses unterschiedlicher Fahrzeug- und Betriebs­konzepte setzt eine vertiefte Life Cycle Betrachtung voraus, wobei hier neben den Energieverbräuchen im Rahmen von Herstellung und Nutzung und dem Recycling vor allem auch Reparatur- und Nachnutzungskonzepte betrachtet werden müssen. Hierzu müssen sowohl neue (zerstörungsfreie) Prüfmethoden als auch Bewertungskonzepte zur Beurteilung einer inhärenten Schädigung erarbeitet werden.
Neue Werkstoffkonzepte und die angestrebte Integration von Funktionen in das Material bedingen neue Fertigungskonzepte, die einerseits eine grundsätzliche Herstellbarkeit gewährleisten, andererseits aber auch unter wirtschaftlichen Randbedingungen eine varianten­reiche Produktion in einer Großserie ermöglichen.

Eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist notwendig, um die aufgeführten Ziele schnell und effizient zu erreichen.

Der Wandel zu Elektromobilität und autonomem Fahren wirkt sich nicht nur auf die direkt hierfür vordergründig notwendigen Technologien, wie beispielsweise Batterie­technik, Sensorik und Informationstechnik aus, sondern muss auch in erheblichem Umfang bei der Konzeption von Fahrzeugstrukturen berücksichtigt werden. Hierbei spielt die Materialauswahl die wesentliche Rolle. Häufig kommen entsprechende Betrach­tungen aufgrund der Fokussierung auf die naheliegenden Ziele derzeit noch zu kurz.

Autor

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Klaus Dilger
Leiter Institut für Füge- und Schweißtechnik, TU Braunschweig und 1. Vorsitzender des Vorstands, Open Hybrid LabFactory e.V.