Die 4 K der 21. Century Skills - Fähigkeiten die man für die digitale Welt braucht

08.02.2022

Lernen in der digitalen Welt 


Die Herausforderungen der VUCA-Welt

Die Digitalisierung und mithin die Entwicklung in Richtung Industrie 4.0 läutet eine Revolution von Wirtschaft und Gesellschaft ein. Neue Technologien werden immer schneller entwickelt. In dieser Situation ist noch völlig unklar, welche Rolle der Mensch dabei spielt – ob er Opfer oder Gestalter dieser Veränderungen sein wird. Der Begriff, der diese Situation beschreibt, lautet VUCA.

VUCA steht für

V = Volatilität (Volatility)

Die Natur und die Dynamik des Wandels entfalten enorme Kräfte und sind Katalysatoren für radikale Veränderungen. Die Schwankungen werden deutlich zunehmen. Die Geschäftsmodelle von gestern und von heute verlieren ihre Existenzberechtigung.

U = Unsicherheit (Uncertainty)

Der Mangel an Berechenbarkeit der Zukunft, das Maß an unkontrollierbaren Überraschungen und ein fehlendes Gefühl von Bewusstsein und Verständnis für künftige Themen und Ereignisse sorgen für Unsicherheit. Verlässliche Vorhersagen können nur noch mittels Künstlicher Intelligenz generiert werden und müssen permanent aktualisiert werden.

C = Komplexität (Complexity)

Die Dynamik unserer Systeme multipliziert sich, während die Vernetzung gleichzeitig für Chaos und Verwirrung sorgt. Gesellschaften, Unternehmen aber auch das individuelle Leben bieten vielfältige Optionen und sind zunehmend komplex. Komplexität und Dynamik ergänzen sich und werden immer schwerer beherrschbar.

A = Mehrdeutigkeit (Ambiguity)

Es gibt keine einfachen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge mehr. Die Realität ist verwirrend, oft unverständlich und in keiner Weise mehr planbar. Missdeutungen und Fehlinterpretationen nehmen zu, denn sehr häufig reißt die Verbindung zwischen Wissen und Handeln ab.

Die Aussage von Prof. Knut Bleicher „Wir wollen die Probleme von morgen mit den Methoden von heute und den Menschen von gestern“ lösen, zeigt das Spannungsfeld auf, in dem wir uns heute befinden.


Die Halbwertszeit des Wissens

Vernetztes Denken und Handeln ist notwendig, dies hat bereits vor zehn Jahren Frederic Vester in seinem Bericht an den Club of Rome gefordert.
Technische Konvergenz beschleunigt den Fortschritt und schafft disruptive Innovationen, die Geschäftsmodelle verändern.
 

Die Geschwindigkeit der Innovationszyklen

Die Welt, für die unser Bildungswesen geschaffen wurde, existiert nicht mehr.
„Betriebliches Fachwissen hat eine Halbwertszeit von ca. 4 Jahren … IT-Fachwissen hat eine Halbwertszeit von 1,5 Jahren … Wir bilden derzeit Lernende für Arbeitsplätze aus, die noch nicht existieren, um Technologien einzusetzen, die noch nicht erfunden wurden, damit sie Probleme lösen, von denen wir noch nicht einmal wissen, dass sie Probleme sein werden.” (Richard Riley, US-Bildungsminister unter Präsident Bill Clinton)

Innovationszyklen laufen schon jetzt in vielen Bereichen der Berufs- und Geschäftswelt schneller ab als die Ausbildungszyklen. Wir müssen uns daher auf ein lebenslanges Lernen ausrichten.
Um Mitarbeitende auf ihre zukünftige Lebens- und Arbeitswelt vorzubereiten, ist Wissen zwar hilfreich, doch geht es dabei weitaus mehr um Kompetenzen als bisher. Diese Kompetenzen sollen sie für eine Welt befähigen, in der

  1. viele Tätigkeiten automatisiert werden,
  2. mehr komplexes Denken in höherer Selbstverantwortung und stärkerer Beziehungsfähigkeit notwendig ist und
  3. nur kollektive Intelligenz die komplexen gesellschaftlichen Probleme löst.

Die dafür benötigten Kompetenzen werden das 4K-Modell oder 21st Century Skills genannt und sollen die Lernenden „darauf vorbereiten, in einer unvorhersagbaren Weltversatil, also vielseitig und wandlungsfähig zu handeln“.

Damit konkretisieren sie das Framework 4 Dimensionen der Bildung (Wissen, Skills, Charakter, Meta-Lernen).

Die Konsequenzen von Automatisierung und Digitalisierung

Die voranschreitende Digitalisierung wird die Arbeitswelt verändern, und dies auf unterschiedliche Weise: Zum einen werden neue Geschäftsmodelle und Wettbewerbs- strukturen entstehen, zum anderen werden sich Arbeitsinhalte sowie die Organisation von Produktions- und Arbeitsprozessen wandeln.

Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft maßgeblich und nimmt Einfluss auf unsere Arbeits- und Lebenswelt. Die Digitalisierung birgt dabei auch Risiken, wie z. B. eine zunehmende Arbeitslosigkeit, den Abbau sozialer Sicherungssysteme oder eine stärkere Kontrolle und Überwachung der Mitarbeitenden.

Der Begriff der Digitalisierung meint die Entwicklung weg von analogen hin zu digitalen Angeboten, Darstellungen, Daten und Geschäftsmodellen. Die Grundlage dafür bilden die Computertechnologie und das Internet als globaler, unbegrenzter Wissensspeicher.


Future Skills - welche Fähigkeiten brauchen wir in der digitalen Welt?

In der Breite erfordern neue Arbeitsweisen veränderte Schlüsselfähigkeiten bei Millionen von Beschäftigten, z. B. digitales Lernen, Data Literacy und Kollaborationstechniken, aber auch nicht-digitale Skills wie Adaptationsfähigkeit und Eigeninitiative.

Soziale Schlüsselqualifikationen, die im neuen Umfeld noch wichtiger werden:

  • Unternehmerisches  Handeln (Eigeninitiative, Teamwork, Zeitmanagement)
  • Problemlösefähigkeit (Durchhaltevermögen, Zusammenarbeit mit anderen)
  • Kreativität (Transdisziplinarität, Design Mindset, kritisches Denken)
  • Adaptationsfähigkeit (adaptives Denken, soziale/interkulturelle Kompetenz)

Schlüsselqualifikationen und souveräner Alltagsumgang
Digitale Grundfähigkeiten, die möglichst alle Menschen beherrschen sollten:

  • Digitale Literalität (Daten erfassen, erkunden, interpretieren, analysieren)
  • Digitales Lernen (Selbstmotivation, agiles Arbeiten, digitale Interaktion)
  • Kollaboration (Empathie, Kommunikation, virtuelle Zusammenarbeit)

Gestaltung fortschrittlich-transformativer Technologien
Tech-Skills, die über Wirtschaftsbranchen hinweg neue Berufsprofile eröffnen:

  • Komplexe Datenanalyse (Big Data, Statistik, Datenvisualisierung)
  • Web-Entwicklung (User-zentriertes Design, Suchmaschinenoptimierung)
  • Tech-Skills (maschinelles Lernen, Robotik-Entwicklung, Smart Hardware)
  • Tech-Translation (Vermitteln zwischen Spezialisten u. Nicht-Fachleuten)
     

Die Ausprägungen des 4K-Modells

  • Kreativität: nicht um neue Kunstwerke zu schaffen, sondern um auf immer wieder neuen Wegen zu denken, zu lernen und zu arbeiten
  • Kritisches Denken: nicht um Dinge mehr und genauer zu bewerten, sondern aus eigenem Antrieb heraus selbstständig denken, lernen und arbeiten zu können
  • Kollaboration: nicht um noch besser selbstständige Arbeitsschritte in der Organisation miteinander zu verzahnen, sondern um gemeinsam mit anderen im Gruppenprozess denken, lernen und arbeiten zu können
  • Kommunikation: nicht um sich akkurater auszudrücken und besser die mobilen Endgeräte zu bedienen, sondern um eigenes Denken, Lernen und Arbeiten mit höherem Gewinn (mit-)teilen zu können
     

Die Konsequenzen der Automatisierung

Da alle Abläufe, die automatisierbar sind, automatisiert werden, werden unpersönliche Jobs, die also keine persönliche Anwesenheit erfordern, verlagert (Offshoring). Auf die nicht automatisierbaren Beschäftigungen und Tätigkeiten und die daraus resultierenden neuen Jobs müssen die Lernenden vorbereitet werden. In Zukunft werden nicht automatisierbare Arbeiten benötigt, die eine persönliche Anwesenheit (Non-Routine) erfordern.

Deshalb muss die Bildung sich von Routine- und unpersönlichen Aufgaben weg und hin zu persönlichen, komplexeren, kreativen Aufgaben orientieren, die nur Menschen gut erledigen können.
 

Das 4K-Modell des Lernens

Das „4K-Modell des Lernens“ („The 4Cs“) wurde im Rahmen der US-amerikanischen „Partnership for 21st Century Learning“ entwickelt und formuliert überfachliche Kompetenzen, die in Arbeitsumgebungen des 21. Jahrhunderts als zentral eingeschätzt werden und als Grundlagen für selbstgesteuertes Lernen dienen sollen.

Während das Modell einerseits aufgrund seiner Orientierung an den Bedürfnissen der Wirtschaft kritisiert wird, findet es auch hohe Anerkennung als Orientierungspunkt für Methodik und Didaktik in unterschiedlichen Fachbereichen. 
 

Die wichtigsten Begriffe des 4K-Modells

Die „4Cs“ stehen für folgende Kompetenzen:

  • Critical Thinking“ (Kritisches Denken, Hinterfragen)
  • Communication“ (Kommunikation in unterschiedlichen Kontexten, auch in digitalen Medien)
  • Collaboration“ (Kollaboratives Lernen, eigenverantwortliches Lösen komplexer Problemstellungen im Team)
  • Creativity“ (Kreativität, selbstständiges Entwickeln kreativer und innovativer Lösungsansätze)

Diese vier Kompetenzbereiche beziehen sich stets aufeinander und sind zusammengenommen die Voraussetzung für wirksames Lernen. Im Unterricht ist es daher wichtig, auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen allen vier Bereichen zu achten.

Bei „Communication“ geht es konkret um das Mitteilen und den Austausch mit anderen, insbesondere darum, eigenes Denken mitteilen können und wollen. Kommunikation ist somit das Herzstück und gleichzeitig das Ziel jeglichen Lernens.

„Critical Thinking“ betrifft die Fähigkeit, selbst denken und Bestehendes infrage stellen zu können. Ausgehend von der Definition von „Kritischem Denken“ des Delphi Consensus Reports (1990) werden in einem Überblick die kognitiven Fähigkeiten, Herangehensweisen an konkrete Themen, Fragen oder Probleme sowie allgemeine Haltungen benannt, die für kritisches Denken erforderlich sind.

„Collaboration“ meint: mit anderen zusammen denken. Kollaboratives Lernen stellt an die Lernenden hohe Anforderungen, welche z. B. die Verteilung der Verantwortungsbereiche innerhalb der Gruppe, das Zulassen anderer Lösungsansätze und Meinungen, die Kommunikation innerhalb des Teams, die Nutzung von (digitalen) Medien usw. betreffen.
Unter „Creativity“ versteht man: Neues denken können.
Beispiele hierfür sind etwa das Lernen einer Sprache, das dazu dient, den eigenen Handlungsraum zu erweitern, indem man sie schöpferisch und gestalterisch – also kreativ – einsetzen kann. Ebenso sind kreatives Schreiben, der Einsatz von Musik und Bildern, theaterpädagogische Elemente u.v.m. aus diesem Grund längst zentrale Elemente des Lernens geworden
.

Wie kann die Kreativität gefördert werden?

Ob es um neue Produkte, produktbezogene Dienstleistungen, Kostensenkungen in der Produktion oder um die Vereinfachung administrativer Vorgänge geht – Ausgangspunkt sind stets kreative Vorschläge und Ideen für neue Lösungen. Kreativität ist somit eine Fähigkeit, die im Unternehmen gefördert und gepflegt werden sollte. Kreativität sollte sich im Unternehmen entfalten können und für die Unternehmensentwicklung eingesetzt werden. Beides zu erreichen, ist eine Herausforderung für das Management.

Kreativität wird als eine menschliche Fähigkeit verstanden, Probleme oder Herausforderungen durch neue Ansätze (Ideen) zu lösen. Kreative Lösungen entstehen in einem Denkvorgang, der auf Wissen und Erfahrungen sowie der Kenntnis von Anwendungs- und Umfeldgegebenheiten basiert.

Zielgerichtet denken können nur Menschen. Das Unternehmen als solches kann nicht kreativ denken. So gesehen gibt es kein kreatives Unternehmen an sich, sondern nur Unternehmen, die das kreative Denken ihrer Mitarbeitenden zulassen, fördern und an den Unternehmenszielen ausrichten.

Traditionelle Unternehmensstrukturen lassen kaum Raum für kreatives Denken. Dies hat schon Schumpeter erkannt: „Auch die modernste Unternehmung hat einen Beharrungswiderstand gegen Veränderungen.“ (Schumpeter 1912) Hauschildt, ein führender Wissenschaftler des Innovationsmanagements, führt aus: „Die Organisation des laufenden Unternehmens ist überhaupt nicht für Innovationen konstruiert.“ (Hauschildt 2004)

Wenn in der heutigen Welt Innovationen ein entscheidendes Element der Existenzsicherung von Unternehmen sind, dann muss man die Frage stellen: Wie sind Unternehmen zu gestalten, damit sich kreatives Denken entfalten kann? Es gibt genügend Beispiele von Unternehmen, die Rahmenbedingungen im Umfeld der Mitarbeitenden verändert und sich nach außen geöffnet haben. Als Folge ist ein Schub an kleineren und größeren Innovationen entstanden. Beispiele sind Google, 3M, Samsung, Nintendo, aber auch deutsche Unternehmen wie Wella, BMW, Henkel.

Über den Autor

Prof. Dr. Claus W. Gerberich studierte Maschinen­bau an der Universität Karlsruhe, ­Betriebswirtschaft an der Universität Mannheim und promovierte am MIT in Cambridge. Er war 25 Jahre in der Industrie in führender ­Position tätig (BASF und SCA) und 18 Jahre in Vorstandspositionen (Adidas, ­Schöller Mövenpick, Battelle Europe Genf und Staff Zumtobel). Als ­geschäftsführender Gesellschafter hat er Gerberich Maschinen­fabrik (Öl- und Gaskühler) internationalisiert. Seit mehr als 10 ­Jahren ist er Mitglied der Geschäftsleitung der MAB Business School und Partner der St. Gallen International Management Consulting.

Claus W. Gerberich ist tätig als Dozent, Berater und Coach, zudem als persönlicher Berater von Top Management und Aufsichts­organen renommierter internationaler Unternehmen in den Bereichen Strategisches Management, Innovationsmanagement, Business Development, Marketing und Sales.