MUTABOR – Untersuchung und Aktivierung der technischen und planerischen Anpassungskapazität der Stadt Bonn zur Reduzierung des Hitzestresses

Das Projekt MUTABOR knüpft an den Ergebnissen des Projektes ZURES (Zukunftsorientierte Vulnerabilitäts- und Risikoanalyse als Instrument zur Förderung der Resilienz von Städten und urbanen Infrastrukturen) der Universität Stuttgart an und soll ergänzend zu den dort ermittelten lokalspezifischen Handlungsprioritäten die tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten zur Reduktion von Hitze in der Stadt Bonn aufzeigen. Zudem wird im Projekt MUTABOR der Frage nachgegangen, ob und wann welche quantifizierbaren Ziele zur Hitzeanpassung definiert und in Planungsvorhaben verfolgt werden können. Über das Projekt sprechen wir mit Lea Gockel, Klimaanpassungsmanagerin der Stadt Bonn, im Interview.
 

Frau Gockel, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview genommen haben. Würden Sie sich einmal für unsere Leser*innen kurz vorstellen?

Lea Gockel: Mein Name ist Lea Gockel, ich bin studierte Geographin und als Klimaanpassungsmanagerin für die Stadt Bonn tätig. Ich habe von Juni 2021 bis Juli 2023 das Projekt MUTABOR koordiniert und bin aktuell für die Erstellung eines integrierten Klimaanpassungskonzepts zuständig, das 2025 fertiggestellt werden soll.
 

Das Projekt MUTABOR befasst sich laut Titel mit der Untersuchung der Anpassungskapazität der Stadt Bonn im Bereich Hitze. Können Sie weiter ausführen, was das Ziel des Projekts war?

Lea Gockel: MUTABOR ist nicht das erste Projekt der Stadt Bonn zu stadtklimatischen Belangen. Die Idee des Projekts basiert vor allem auf dem sogenannten Vorgängerprojekt ZURES, ein vom Bundesforschungsministerium gefördertes Projekt, wodurch unter anderem eine Stadtklimaanalyse für Bonn entwickelt wurde, die räumliche Handlungsprioritäten zur Hitzevorsorge benennt. Basierend auf dieser Analyse wurde eine Planungshinweiskarte erstellt, aus der eine Bewertung der Hitzebelastung in den Siedlungsräumen sowie der Klimafunktion der Grün- und Freiflächen ablesbar ist.  

Aufbauend auf den in ZURES ermittelten Handlungsprioritäten wurden im Rahmen des vom Bundesumweltministerium geförderten Projekts MUTABOR die Kapazitäten und Möglichkeiten zur Hitzevorsorge der Stadt Bonn vor allem im Bestand identifiziert.  In verschieden ambitionierten Umsetzungsszenarien wurden zuvor definierte Anpassungsmaßnahmen (z.B. Gebäudebegrünung, Entsiegelung, Baumpflanzungen) gesamtstädtisch angewendet und anschließend mithilfe einer Klimamodellierung auf ihre Kühlwirkung untersucht.
 

Was sind die wesentlichen Erkenntnisse aus der Untersuchung? Können Sie einschätzen, was durch Hitzevorsorge in Bonn möglich ist?

Lea Gockel: Eine ganz klare Erkenntnis aus dem Projekt ist die Effektivität der im Modell umgesetzten Maßnahmen. Wir haben in einem der Szenarien (wir nennen es „das Szenario des Technisch Machbaren“) einmal untersucht, was technisch und planerisch im Bonner Stadtgebiet umsetzbar wäre, unabhängig von der Wirtschaftlichkeit. Die Ergebnisse haben uns sehr beeindruckt: Wenn wir alle Maßnahmen, die technisch machbar wären, bis 2035 umsetzen würden, könnten wir bei einem starken Klimawandel (d.h. eine Erhöhung der Temperatur um durchschnittlich 2 °C) die Stadt um knapp 4 °C kühlen. Damit würden sogar die heute vorhandenen Hitzebelastungen reduziert und die stadtklimatische Situation deutlich verbessert.

Das bedeutet aber, um die Dimensionen zu verdeutlichen, dass wir in Bonn bis 2035 180.000 Bäume, 21.000 Dächer und 65.000 Fassaden begrünen sowie 1.000 Hektar Fläche (teil-)entsiegeln müssen. In Anbetracht der kurzen Zeitspanne ist das eine unmögliche Aufgabe, zudem auch diese Maßnahmen ihre Grenzen haben. In bestimmten Bereichen, wie beispielsweise stark versiegelten Gewerbegebieten oder besonders dichten Innenstadtgebieten, werden die in MUTABOR angewendeten Maßnahmen bereits heute nicht für eine ausreichende Kühlung sorgen können. Mit Blick auf den voranschreitenden Klimawandel wird es daher nötig sein, das Maßnahmenspektrum um verhaltensbezogene Maßnahmen, Anpassungen an Gebäuden zur Kühlung der Rauminnentemperatur und Möglichkeiten zur städtebaulichen Transformation zu erweitern.
 

Das klingt nach großen Herausforderungen. Wo sehen Sie denn die größten Stellschrauben zur Umsetzung von Maßnahmen zur Hitzevorsorge?

Lea Gockel: Die Ergebnisse aus MUTABOR haben gezeigt, dass naturbasierte Lösungen, also Entsiegelung und Begrünung, Baumpflanzungen sowie Gebäudebegrünung die effektivste Kühlwirkung aufweisen. Da wir mit zunehmenden Temperaturen auch mit einer erhöhten Trockenheit rechnen müssen, ist es wichtig, dass dabei auch Maßnahmen zur Steigerung der Bodenfeuchtigkeit umgesetzt werden, da diese wesentlich für die Verdunstungskühlung ist.

Die Umsetzung solcher Maßnahmen bedarf einer Transformation im städtischen Raum. Großes Potenzial zur Etablierung der naturbasierten Lösungen sehen wir aktuell in der von Bonn angestrebten Mobilitätswende. Weniger Autos und darauf basierend weniger ruhender Verkehr ermöglichen eine flächensparende Neugestaltung des Straßenraums, der sich gut für den Einsatz grüner Infrastruktur eignet.

An geeigneten Gebäuden können beispielsweise Dach- oder Fassadenbegrünung installiert werden, wobei die Fassadenbegrünung für den oberflächennahen Raum die größere Kühlwirkung erzielt. Besonders Gewerbestrukturen oder Parkhäuser mit großen, fensterarmen Fassaden eignen sich für eine Fassadenbegrünung. Großes Potenzial bieten auch größere Gebäude wie institutionelle Einrichtungen oder die Zeilenbebauung. Am wirksamsten und kostengünstigsten ist hier die bodengebundene Fassadenbegrünung. Aber auch die Dachbegrünung kann einen positiven Beitrag zur Kühlwirkung in der Stadt beitragen.
 

Wenn Sie von Gebäuden oder auch der Entsiegelung von Fläche sprechen, sprechen Sie aber nicht nur von städtischem Eigentum, richtig?

Lea Gockel: Nein, ganz bestimmt nicht. In Bonn sind knapp 86 Prozent der Grundstücke und Gebäude in privater Hand. Die Stadt Bonn kann hier eine Vorbildposition einnehmen und mit gutem Beispiel vorangehen. Allerdings ist es essentiell, dass auch private Eigentümer*innen in der Hitzevorsorge aktiv werden. Dafür bieten wir als Stadt Bonn natürlich Unterstützung in verschiedenen Beratungs- und Förderprogrammen. Mit unserem „Förderprogramm Begrünung und Entsiegelung“, beispielsweise, unterstützen wir den Ausbau von privater Dach- und Fassadenbegrünung sowie Entsiegelungsmaßnahmen auf privaten Flächen. Sowohl Bürger*innen als auch Gewerbetreibende können eine Förderung beantragen. Und für Eigentümer*innen, die ihre Gebäude energetisch sanieren wollen, bietet die Bonner Energieagentur ein umfassendes Beratungsangebot.
 

Wie werden die Bonner Bürger*innen über diese Möglichkeiten zur privaten Eigenvorsorge informiert? Können sie den Prozess zur Hitzevorsorge mitgestalten?

Lea Gockel: Ja, die Beratungs- und Förderprogramme werden in vielfältiger Weise beworben. Zudem starten wir im Rahmen der Erstellung eines integrierten Klimaanpassungskonzepts für Bonn eine Bürgerbeteiligung zur Klimaanpassung, die natürlich auch die Hitzevorsorge beinhaltet. Mit dem Klimaanpassungskonzept, das den Fahrplan für die kommenden Jahre in der Klimaanpassung darstellen wird, werden wir zudem die Öffentlichkeitsarbeit stärker hervorheben. Dieses Jahr sind unter anderem zwei Bürgerveranstaltungen, zwei Onlinebeteiligungen, eine Haushaltsbefragung sowie eine Kinder- und Jugendbeteiligung geplant. Für die Klimaanpassung braucht es mit Blick auf die immer drängendere Notwendigkeit eine breite Mitwirkung und Unterstützung aller erforderlichen Akteur*innen und Stakeholder. 

Über Lea Gockel

Lea Gockel studierte Geographie und hat ihren Bachelor in Geographie an der Universität Bonn sowie ihren Master in Geographie des Globalen Wandels an der Universität Freiburg absolviert. Seit Juni 2021 ist sie bei der Stadt Bonn im Amt für Umwelt und Stadtgrün tätig.