Die KI entwickelt kreativ mit

Open AI und Chat-GPT: Enorme Produktivitätssprünge in Innovationsmanagement und Automation zu erwarten

Förmlich über Nacht ist ChatGPT zum neuesten Digital-Hype und Techtrend des Jahres avanciert. Die hohen Erwartungen sind mehr als gerechtfertigt, ist Prof. Dr. Frank Piller, Leiter des Instituts für Technologie- und Innovationsmanagement, RWTH Aachen, überzeugt: Auch in der Automation und insbesondere im Innovationsmanagement dürften sich damit ungeahnte Effizienzsprünge verbinden. Einen Einblick in die kreativen Talente der Künstlichen Intelligenz (KI) wird Prof. Piller im Rahmen des VDI-Kongresses AUTOMATION am 27. und 28. Juni 2023 in Baden-Baden geben.

Digitale Tools und KI seien in der Automation selbstredend nichts Neues, unterstreicht Prof. Piller mit Blick etwa auf Industrie 4.0 und den Digitalen Zwilling. „Neu sind jedoch die Qualität und die enormen Möglichkeiten, welche Transformer-Language-Architekturen wie ChatGPT mit sich bringen. Hier geht es nicht darum, wiederkehrende Aufgaben zu automatisieren oder Rechenvorgänge schneller ablaufen zu lassen, sondern um die Verarbeitung von Sprache. Dabei dürfen wir Produktivitätsfortschritte in einem unglaublichen Ausmaß für viele Geschäftsbereichen erwarten.“

Mit Sprache automatisiert umgehen

Die neue Klasse von Algorithmen werde insbesondere Innovationsbereiche und das Engineering bereichern. „Ideen entwickeln, sammeln und aufbereiten, Trends erkennen, Kundenbedürfnisse analysieren – bei all diesen Aufgaben geht es am Ende um Sprache, die wir dank KI viel schneller, vielfältiger und leistungsstärker bearbeiten können.“ Einen weiteren entscheidenden Vorteil bringt Prof. Piller auf den Punkt: „Ohne Data Scientist zu sein, kann ich nun auch mittels Sprache direkt mit der Software agieren. Ein Beispiel: Tausende von Kundenreviews oder Daten aus dem CRM analysieren – was früher als Spezialservice mit einem hohen Programmieraufwand verbunden war, macht ChatGPT quasi nebenbei und ist dabei auch noch besonders einfach zugänglich.“

Im Innovationsmanagement etwa kann die KI in Zukunft dazu beitragen, größere Problem- und Lösungsräume zu erschließen. „Die Zahl der bearbeitbaren Opportunitäten steigt erheblich an. Somit können Unternehmen viel mehr Innovationspfade parallel betreten, neue Wege erkennen und bei überschaubarem Aufwand das damit verbundene Potenzial bewerten“, erläutert Prof. Piller. Bei der Suche nach Lösungen können die Algorithmen sogar Vorselektionen machen und Vorschläge an den Menschen geben, der am Ende entscheidet – das macht den Gesamtprozess erheblich effektiver.

Die Zukunft der hybriden Intelligenz

Denn auf diese Weise lassen sich wesentlich mehr Ideen betrachten, was letztlich zu einer höheren Innovationsleistung führt. Prof. Piller hat zu diesem Thema als Co-Autor an verschiedenen aktuellen Studien und Fachveröffentlichungen mitgewirkt. Sein Fazit: „Künstliche Intelligenz und Menschen werden zunehmend in einer Form hybrider Intelligenz zusammenarbeiten, was eine Neubewertung der Art und Weise erfordert, wie wir Innovation angehen und verwalten.“ Das betreffe das schnelle Erstellen von ersten Konzeptzeichnungen und das Skizzieren von Prototypen ebenso wie Dokumentationen, die sich in Zukunft ebenfalls zu großen Teilen automatisiert erstellen lassen. Ebenso würde die KI bei allen klassischen Disziplinen der Automatisierung unterstützen können, etwa bei virtuellen Inbetriebnahmen.

Automation in der Produktentwicklung

Engineering lässt sich noch weiterdenken, beispielsweise mit Blick auf den Pharma-Bereich, auf die Batterietechnik oder Materialforschung. „Am Ende des Tages werden Unternehmen quasi einen Digitalen Zwilling ihres Zielmarktes bauen können, also ein komplett automatisiertes Konzept-Testing vornehmen“, ist Prof. Piller überzeugt. Das wiederum erlaube viel mehr Experimentalrunden als früher, da Algorithmen alle Tätigkeiten übernehmen: von der Bearbeitung der Problem- und Lösungsräume über den vollautomatisierten Laborcheck bis zur Modifizierung und Optimierung der finalen Formulierung.

Mittels Sprache ist nicht nur der Einstieg in die neue Qualität der KI besonders einfach – er ist zum Beispiel bei OpenAI, zumindest aktuell noch, auch mit geringen Kosten verbunden. Wie können es Unternehmen schaffen, sich hier dennoch vom Wettbewerb zu differenzieren? Prof. Piller: „Zu Beginn wird sicherlich die Fähigkeit, mit den Tools gut umzugehen und sie richtig zu nutzen, noch ein differenzierender Faktor sein. Insbesondere Experten im Bereich des Prompt Engineering müssen dafür aufgebaut werden. Letzthin sind das aber Kompetenzen, die sich Unternehmen einkaufen können.“

Gesammeltes Wissen nutzbar machen

Viel nachhaltiger sei ein aktueller Trend, der bereits bei ersten Konzernen zu beobachten sei und eine neue Qualität des Wissensmanagements ermöglicht: „Nochmals weitergehende Perspektiven eröffnet KI, wenn Unternehmen ihr spezifisches Language-Modell erstellen lassen und in dieses ihre gesamten Firmendokumente einfließen lassen, selbstverständlich in einer privaten, umfassend geschützten Cloud.“ Auf einen Schlag würden damit die Daten und Informationen aus mehreren Jahrzehnten des Engineerings in neuer Qualität nutzbar. Prof. Piller: „Auf Basis des proprietären Wissens des Unternehmens, das mit globalem Wissen verbunden wird, entsteht ein Konvolut, das einen riesigen Wettbewerbsvorteil bietet.“

Wird damit der Mensch überflüssig? Prof. Piller verneint: „Im Gegenteil, gerade im Bereich der Automation werden die personellen Ressourcen voraussichtlich in Zukunft sogar noch stärker gefragt sein.“ Denn zumindest beim aktuellen Stand der Technik müsse der Mensch die Ergebnisse der KI auf Basis der eigenen Erfahrung kritisch bewerten und einordnen. Prof. Piller: „Wir werden viel Zeit beim Recherchieren, Analysieren und Schreiben sparen und uns stattdessen eher aufs Kontrollieren und Verifizieren konzentrieren – und darüber hinaus viel mehr Freiräume für Umsetzen und Implementieren von Innovationen gewinnen.“

Mehr Informationen zum VDI-Kongress AUTOMATION finden Sie unter www.automatisierungskongress.de