(Berlin/Düsseldorf, 02.12.19)
Statement von Jürgen Bönninger zum VDI-Pressegespräch "Verkehrssicherheit 2030 - Herausforderungen, Chancen und Potenziale auf dem Weg zur Vision Zero."
Verkehrssicherheit 2030 - E-Scooter, Pedelec und Co. - Neue Herausforderung: Ungeschützte Verkehrsteilnehmer
Die Mobilität ist im Wandel und wird in den nächsten Jahren nicht nur durch automatisierte und vernetzte Fahrzeuge, sondern auch durch die Zunahme von E-Bikes, E-Scootern und anderen leichten Elektrofahrzeugen im Straßenraum geprägt werden. Schon jetzt zeigen sich in diesem Bereich hohe Wachstumsraten und es strömt eine Fülle neuer Fahrzeuge auf den Markt, die für den Laien kaum noch zu überschauen ist. Aber erfüllen diese Mobilitätsformen auch die Anforderungen moderner Straßenverkehrssicherheit oder werden sie zu einem neuen Sicherheitsproblem – gerade für ungeschützte Verkehrsteilnehmer?
E-Bikes, E-Scooter und andere leichte Elektrofahrzeuge bieten neue Lösungen für die Mobilität in der Stadt und erreichen inzwischen auch die Zielgruppe der jungen, sportlichen Fahrer. Dadurch haben sie das Potenzial, Staus zu reduzieren und zur Lösung des Problems der „letzten Meile“ beizutragen. Sie beanspruchen deutlich weniger Parkraum, treffen jedoch auf ohnehin schon stark belastete Radverkehrsanlagen und ungeübte Nutzer.
Seit einigen Jahren tauchen Pedelecfahrer als neue Problemgruppe in der Unfallstatistik auf. Gerade bei den Senioren steigen die Unfallzahlen überproportional im Vergleich zu den Verkaufszahlen. Auch bei den E-Scootern trüben bereits erste schwere Unfälle, Alkoholfahrten, Fahrzeuge ohne Zulassung und Fahrten auf Gehwegen den Fahrspaß, auch wenn hierfür noch keine konkreten Zahlen für Deutschland vorhanden sind.
Gefährdungspotenzial besteht dabei nicht nur für die Nutzer der leichten Elektrofahrzeuge selbst, sondern auch für andere ungeschützte Verkehrsteilnehmer wie z.B. Fußgänger. Der Gesetzgeber hat hier mit der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung den richtigen Weg eingeschlagen und Mindestanforderungen für die Zulassung der Fahrzeuge festgelegt sowie der generellen Freigabe von Gehwegen den Riegel vorgeschoben. Jetzt muss über diese technischen Vorgaben und Verhaltensregeln aufgeklärt werden, deren Einhaltung kontrolliert und die Nichteinhaltung mit wirksamen Sanktionen belegt werden. Schon 14-Jährige sollten sich bei Theorie und Praxisübungen in der Schule mit den Fahrzeugen vertraut machen. Über diese heranwachsende Generation, die die Fahrzeuge wie selbstverständlich nutzen wird, kann zusätzlich auch die Eltern- und Großelterngeneration erreicht werden und die Jugend so eine Vorbildfunktion für die Älteren entwickeln.
E-Bikes, E-Scooter und andere leichte Elektrofahrzeuge können zu einem gelungenen Mobilitätsmix beitragen. Dies hält Herausforderungen aber auch Chancen im Hinblick auf die weitere Verbesserung der Verkehrssicherheit bereit. Die Sicherheit steht und fällt dabei mit dem Nutzer. Der zunehmende Verkehr von Fahrrädern, Pedelecs und E-Kleinstfahrzeugen erfordert klare Verhaltensvorgaben und deren Kontrolle, Schulungen zum Umgang mit den Fahrzeugen, eine sichere und gerechte Verkehrsraumaufteilung sowie eine für alle Verkehrsteilnehmer kompatible Geschwindigkeitsvorgabe in bestimmten Teilen der urbanen Gebiete. Die Unfallentwicklung muss dann in den nächsten Jahren aufmerksam verfolgt und die Regeln gegebenenfalls nachjustiert werden.
Autor
Jürgen Bönninger,Geschäftsführer der FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH in Dresden. Bild: Colton Sturgeon/Unsplash
Er ist darüber hinaus amtlich anerkannter Sachverständiger für den Kraftfahrzeugverkehr. Zusätzlich ist er langjähriger Teilnehmer der Experten-Treffen zum Status der Berliner Erklärung des VDI zur Fahrzeugsicherheit. Das Expertenmedium entstand 2011 aus dem Umfeld der aktiven experten rund um die Tagung „Fahrzeugsicherheit“ des VDI Wissensforums. Das Gremium erarbeitet kontinuiertlich mit wechselnden Schwerpunktthemen Lösungsvorschläge zur Erreichung der „Vision Zero“. Ziel der „Vision Zero“ ist, dass es ab 2050 soll es nahezu keine Verkehrstoten mehr geben soll.