Software und Open Source sind Gamechanger für die Automobilentwicklung
Die Top-Trends Digitalisierung, Elektrifizierung, autonomes Fahren und Konnektivität prägen entscheidend die E/E-Architekturen im Automobil von morgen. Die noch vorherrschenden domänenorientierten E/E-Architekturen führen zu kaum beherrschbaren funktionalen Interdependenzen. Nach Worten von Dipl.-Ing. Kai Lars Barbehön (Vice President Central Control Units, Wire Harness, Power Supply der BMW Group, München), einem der Keynote-Speaker auf dem Internationalen VDI-Kongress ELIV 2023, liegen die Lösungen für einen ganzheitlichen E/E-Architekturansatz auf der Hand: Die Hochintegration ehemaliger Domänenrechner in leistungsfähige Integrationsplattformen zählt ebenso dazu wie zonale Bordnetzarchitekturen.
Seit Jahren herrscht zwischen Herstellern und Zulieferern Übereinstimmung in der Erwartung, dass sich der Trend zur Hochintegration in sogenannte „High Performance Computing“-Plattformen fortsetzen wird. In der Folge wird sich die Anzahl von Steuergeräten mit komplexen übergreifenden Wirkketten drastisch reduzieren, so Barbehön weiter: „In gleichem Atemzug zwingt die zunehmende Digitalisierung aber dazu, Lösungen für eine dezentrale Elektrifizierung zu eröffnen. Zonalität lautet hier das Zauberwort.“
Neue Wege in der Entwicklung
Zu entscheidenden Erfolgskriterien für zukünftige Konzepte zählen aus Sicht des Experten neben einer modernen, serviceorientierten Softwarearchitektur ebenfalls stringente Entwicklungsprozesse sowie eine durchgängige Toolwelt: „Im Sinne des Systemengineerings müssen wir uns bei Hochintegrationsprojekten von der konventionellen Wasserfallentwicklung lösen und in jedem inkrementellen Entwicklungsschritt Integrations- und Testleistung erbringen können“, erklärt Barbehön. Der Entwicklungsprozess, Einzelsteuergeräte im Gesamtfahrzeug erstmalig zu integrieren, um über Systembusse das Gesamtsystem zu debuggen, gerate mit der Hochintegration an seine Grenzen.
Digitalisierung der Energieversorgung
Eine zonale Kommunikationsarchitektur allein reicht indes noch nicht aus: Die Zonierung muss ebenso auf das Energieversorgungssystem ausgeweitet werden, andernfalls ist eine Trennung des Kabelbaums nicht möglich. Die Chancen der Digitalisierung auch bei der Energieversorgung zu nutzen, liegt nahe. Barbehön unterstreicht: „Intelligente Bordnetzsysteme mit schaltbaren Leitungen über eFUSES, die der Forderung nach einem hocheffizienten Energiemanagement und sicherer Energieversorgung gerecht werden, führen in die Zukunft.“
Effizienz stellt im Kontext der Elektrifizierung zum einen eine Kernvoraussetzung für gesteigerte Reichweiten dar und trägt zum anderen dazu bei, den Anspruch an eine nachhaltige Mobilität zu erfüllen. Gesteigerte Sicherheitslevel bilden wiederum die Voraussetzung für das automatisierte Fahren und zukünftige By-Wire-Systeme: „Bereits zu Beginn des E/E Architekturdesigns berücksichtigt, lassen sich beide Anforderungen mit innovativen Technologien wie zum Beispiel einem intelligenten Energiebordnetz mit eFUSES im wahrsten Sinne des Wortes smart umsetzen“, schildert Kai Lars Barbehön weiter.
Neue Aufgabenverteilung und neue Partnerschaften
Für OEMs wird die Fähigkeit, ihr Fahrzeug-Portfolio auch nach der Auslieferung „up to date“ zu halten, erfolgskritisch. Eine durchgängige Wartbarkeit mit der Option der Rückwärtskompatibilität erfordert stabile Architekturen, insbesondere stabile Software-Plattformen. Um dies sicherzustellen, dürften sich die bisherigen Wertschöpfungsmodelle zwischen OEM und Zulieferer wandeln, so Barbehön: „OEMs dringen insbesondere bei den High-Performance-Computing-Plattformen tiefer in die Domänen der heutigen Zulieferer ein. Der Grad an Software-Eigenentwicklung wächst. Damit wandelt sich auch die Rolle der Zulieferer; Partnerschaften mit EMS-Anbietern (Auftragsfertiger) erweitern das bisherige Portfolio klassischer First Tiers.“