Aktuelle Erkenntnisse zu Bränden mit Lithium-Ionen-Batterien

Nachdem sich die Untersuchungen von Bränden mit Lithium-Ionen-Batterien in der Anfangszeit auf die Grundlagen der zu erwartenden Prozesse konzentriert hatten, verschiebt sich inzwischen der Fokus auf die anwendungsbezogene Übertragung der Erkenntnisse.

Man versteht inzwischen sehr gut, wie sich die technischen Parameter von Lithium-Ionen-Batterien, etwa Zellchemie, Ladezustand, Kapazität und verwendete Materialien auf Brandgefährdungen auswirken. Auch wenn noch keine belastbaren Zahlen zur Eintrittswahrscheinlichkeiten vorliegen (aus Mangel an ausreichend vielen Fällen), sind die zu erwartenden Energie- und Stofffreisetzungen sowie typische Brandphänomene bekannt.

Gleichzeitig wurden auch die Potenziale vorhandener anlagentechnischer Maßnahmen zur Entschärfung der festgestellten Wirkungen ermittelt. Löschmittel und Löschanlagen wurden dahingehend genauso untersucht, wie konventionelle Brandmeldetechnologien (z. B. www.suveren-nec.info). Es waren und sind Weiterentwicklungen vorhandener technischer Ansätze zu verzeichnen, völlige Neuentwicklungen sind punktuell aber auch zu beobachten.

Diese Erkenntnisse wurden und werden auf die spezifischen Bedingungen in vielen Anwendungsfällen übertragen, um in erster Linie die Grundlagen für anwendungsbezogene Schutzkonzepte zu legen. Und anwendungsbezogen müssen die Schutzkonzepte sein, da eine Lithium-Ionen-Batterie in ihrem „Lebenszyklus“ aus Herstellung, Prüfung und Konditionierung, Einbau, Nutzung, Wartung, Zweitnutzung und Verwertung auf unterschiedliche Bedingungen trifft und entsprechend unterschiedliche Brandgefährdungen vorliegen (z. B. www.suveren2use.de). Batterien werden überall montiert, geladen/entladen, geprüft, verpackt/entpackt, ausgebaut und demontiert und immer wieder transportiert und gelagert. Anwendungsbezogene Untersuchungen fanden und finden z. B. statt für Depots mit Elektrobussen, elektrisch betriebene Kleinfahrzeuge (E-Fahrräder, E-Tretroller), Großspeicher, Batterie-Prüfstände, Schienenfahrzeuge und Parkgaragen. Letztere Anwendung soll hier etwas näher beleuchtet werden.

Typisch für die meisten Garagen ist, dass eine Brandausbreitung von einem Fahrzeug zum nächsten in einem bestimmten Umfang zugelassen und akzeptiert wird. Die in den Garagenbauverordnungen definierten und umzusetzenden Maßnahmen des vorbeugenden Brandschutzes stellen die Erreichung baurechtlicher Schutzziele sicher. Die Einsatzkräfte des abwehrenden Brandschutzes beherrschen die wahrscheinlichen Szenarien auch dann, wenn beim Eintreffen mehr als ein PKW brennt. Es stellt sich die Frage, ob sich mit zunehmendem Anteil an Elektro-PKWs im Verkehrsgeschehen an der Einschätzung dieser Situation etwas ändert und ob gegebenenfalls die Anforderungen geändert werden müssen.

Abbildung 1: Bemessungsbrandkurve für konventionell und elektrisch angetriebene PKWs

Umfangreiche Untersuchungen zeigen, dass sich Elektro-PKWs hinsichtlich der Energie- und Stofffreisetzung im Brandfall nicht signifikant von konventionell angetriebenen PKWs unterscheiden. Jedenfalls dann nicht, wenn man die absoluten Beträge und die zeitliche Entwicklung des Brandes eines Einzelfahrzeugs vergleicht. Die folgende Abbildung zeigt den Verlauf der Wärmefreisetzungsrate eines PKWs als Mittelwert einer Vielzahl von untersuchten Brandverlaufskurven unterschiedlichster, auch elektrisch angetriebener PKWs [Quelle: IFAB-eigene Forschung].

Lithium-Ionen-Batterien, die als Antriebsbatterien in Elektro-PKWs verwendet werden, haben darüber hinaus einige spezifische Eigenschaften. So muss im Brandfall mit Stichflammen und herumfliegenden heißen Teilen gerechnet werden. Diese Effekte treten zwar nur punktuell und kurzzeitig auf, wiederholen sich aber und können Reichweiten bis zu mehreren Metern aufweisen. Je nach Einbausituation im konkreten Fahrzeugtyp kann diese Charakteristik unterschiedliche Auswirkungen auf die Brandausbreitung haben. So ist im ungünstigen Fall davon auszugehen, dass sich die Ausbreitung von einem PKW zum nächsten beschleunigt, wenn mehrere Elektro-PKWs nebeneinanderstehen. Mit zunehmenden Anteil der Elektro-PKWs steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Brandüberschlag insgesamt beschleunigt und größere resultierende Brände bis zum Wirksamwerden von Abwehrmaßnahmen auftreten.

Die ungehinderte Brandausbreitung von einem Fahrzeug zum benachbarten bedeutet eine Aufsummierung der Brandleistungen einzelner PKWs. Die folgenden Abbildungen verdeutlichen das. Es sind die Wärmefreisetzungskurven von mehreren PKWs nebeneinander dargestellt und die resultierende, d. h. addierte Gesamtenergiefreisetzung. Im ersten Diagramm beträgt der Brandüberschlag von einem Fahrzeug zum benachbarten idealisiert vier Minuten, im zweiten Diagramm zwei Minuten. Vereinfachend wird angenommen, dass die Ausbreitung nur in eine Richtung erfolgt. Man erkennt, dass der Brand in derselben Zeitspanne deutlich größer wird, deutlich mehr Fahrzeuge involviert sind. Das Maximum wird etwas schneller erreicht.

Abbildung 2: resultierende Energiefreisetzung bei einem Brandüberschlag zwischen PKWs von 4 Minuten (links) und 2 Minuten (rechts)

In der Konsequenz bedeutet das, dass die Einsatzkräfte beim Eintreffen größere Brände antreffen können als bisher, wenn der Anteil der Elektro-PKWs zunimmt,. Aktuell ist die Situation als unkritisch zu bewerten, solange der Anteil der Elektro-PKWs klein bleibt. Parkgaragen können gemäß der aktuell gültigen Garagenverordnungen geplant und betrieben werden. Der (noch) geringe Anteil an Elektro-PKWs verändert die Brandgefährdung in PKW-Abstellungen nicht.

Zukünftig kann eine neue Bewertung notwendig werden. Nach Auffassung des Verfassers wird eine Anpassung der Anforderungen an Parkgaragen geben müssen, die der veränderten Situation hinsichtlich einer beschleunigten Brandausbreitung Rechnung trägt. Dabei stehen Maßnahmen im Fokus, die zu einer frühzeitigen Branderkennung führen (obligatorische Brandmeldeanlage), die zu einer Begrenzung der maximalen Energiefreisetzung beitragen (z. B. Brandabschnittsgrößen), die die Abführung der freigesetzten Energie- und Stoffmengen ermöglichen (Wärmeabzug) oder die Ausbreitung innerhalb einer PKW-Abstellung mindestens verlangsamen, besser noch verhindern (Trennflächen, automatische Löschanlagen).

Diese und mehr Maßnahmen sind in der VDI-Expertenempfehlung VDI-EE 5950 Blatt 2 (August 2023) „Elektromobilität, Brandschutz auf Parkflächen und Ladeplätze für Elektrofahrzeuge, Empfehlungen für Bestands- und Neubauten“ zusammengefasst. Hier ist ein vollumfängliches Maßnahmenpaket detailliert zusammengestellt, das neben den oben beschriebenen Aspekten auch Gesichtspunkte wie die Ermöglichung wirksamer Löscharbeiten durch die Einsatzkräfte, die Absicherung von Ladestationen und Energiespeichersystemen, eine Löschwasserrückhaltung und weitere organisatorische Maßnahmen berücksichtigt. Die Expertenempfehlung stellt somit eine gut anwendbare Grundlage für die Entwicklung von Schutzkonzepten dar, bis die Baugesetzgebung entsprechend angepasst wurde.
 

Zur Person

Rajko Rothe, Ingenieure für angewandte Brandschutzforschung IFAB 

Rajko Rothe schloss 1995 sein Studium als Diplom-Ingenieur der Schiffsbetriebstechnik an der Universität Rostock, Vertiefung maritimer Brandschutz, ab. Von 1995 bis 2011 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am Institut für Sicherheitstechnik/Schiffssicherheit e.V. und Leiter des Brandlabors. 1998 erwarb Herr Rothe die Lehrbefähigung „Advanced Fire Fighting” und war von 2004 bis 2011 Geschäftsführer der Gesellschaft für Sicherheitstechnik/Schiffssicherheit Ostsee mbH. Seit 2011 ist er Mitarbeiter bzw. angestellter Geschäftsführer bei Ingenieure für angewandte Brandschutzforschung GmbH IFAB in Berlin und ist zum zertifizierten Sachverständigen Brandschutz (TÜV Cert) qualifiziert.