Simulationen erleichtern die Auslegung verschleiß- sowie staubfreier Wirbelstrombremsen, deren Einsatz dann mit einem Digitalen Zwilling optimiert werden kann.

Auslegung einer Wirbelstrombremse mittels numerischer Simulation

Während die Elektrifizierung des Antriebsstrangs von Fahrzeugen bereits in vollem Gange ist, wird für die Fahrzeugverzögerung weiterhin größtenteils auf konventionelle Bremssysteme zurückgegriffen. Elektrisch angeregte Wirbelstrombremsen, werden bisher aber nur in speziellen Anwendungen eingesetzt. Dabei haben sie gegenüber konventionellen Bremsen mit mechanischer Reibung enorme Vorteile: sie sind verschleißarm, erzeugen keinen Feinstaub und verfügen über hervorragende Regelmöglichkeiten.
Numerische Simulationen helfen, diese Vorteile optimal auszureizen.

Die Wirbelstrombremse nutzt ein magnetisches Gleichfeld, das durch eine Erregerspule erzeugt und über einen ferromagnetischen Kreis auf die Bremsscheibe konzentriert wird. Die Rotationsrichtung der Scheibe und das Magnetfeld stehen dabei senkrecht aufeinander, sodass eine Induktionsspannung senkrecht zum Magnetfeld und senkrecht zur Bewegungsrichtung erzeugt wird. Da die Scheibe aus elektrisch gut leitfähigem Material besteht, entsteht aus der Induktionsspannung und der Leitfähigkeit ein verlustbehafteter Wirbelstrom in der Bremsscheibe. Die dabei umgesetzte Verlustleistung gleicht dem Produkt aus der aktuellen Rotationsgeschwindigkeit und dem Bremsmoment, was auf eine Differenzialgleichung erster Ordnung für die Bewegungsgeschwindigkeit führt.

Rotationsgeschwindigkeit und magnetische Erregung bestimmen die auftretende Verlustleistung

Verteilung der induzierten Wirbelströme in der Bremse

Die Physik der Wirbelstrombremse ist komplex

Detailliert betrachtet ist die Physik der Wirbelstrombremse komplexer. Die induzierten Wirbelströme erzeugen ihrerseits ein Magnetfeld, das dem erregenden Magnetfeld entgegengesetzt ist. Die magnetische Permeabilität der Scheibe folgt einer nichtlinearen Kennlinie und diese Permeabilität geht wiederum in die magnetische Flussdichte ein, die die Induktionsspannung erzeugt. Je nach Rotationsgeschwindigkeit und magnetischer Erregung ergeben sich örtlich sehr unterschiedliche Magnetisierungen, Wirbelströme und Verluste.

Die elektromagnetischen Effekte lassen sich somit keinesfalls analytisch quantifizieren, sodass zur Berechnung auf die numerische Simulation mittels Finiter Elemente Methode (FEM) mit der Simulationssoftware Ansys zurückgegriffen wird. Neben den bereits beschriebenen elektromagnetischen Effekten kann die FEM auch thermische Effekte berechnen und die wechselseitigen Einflüsse von Elektromagnetik und Temperaturfeld berücksichtigen.

Zur Berechnung des thermisches Systems müssen die Randbedingungen der Wärmeabgabe an die Umgebung durch Konvektion und Strahlung definiert sein. Die Wärmeleitung in umgebende Bauteile ist meist vernachlässigbar. Über CFD-Simulationen (Computational Fluid Dynamics) lässt sich die Konvektion bestimmen. Diese basiert auf der Relativbewegung zwischen Scheibe und Umgebung sowie der aktuellen Temperatur. Bei der Strahlung sieht es sogar noch einfacher aus, da die Bewegung hier keinen Einfluss hat.

Mit Reduktionsprozeduren entstehen Bausteine für die effiziente Analyse des Systemverhaltens

Reduktionsprozeduren ermöglichen schnelle Systemsimulation

Neben der Feldsimulation lässt sich das gesamte Verhalten der Wirbelstrombremse zusätzlich in einer Systemsimulation betrachten. Dazu werden vom Simulationsspezialisten CADFEM entwickelte Reduktionsprozeduren verwendet, um elektromagnetische und thermische Systembausteine zu generieren. Das elektromagnetische Modell geht dabei in ein nichtlineares, statisches Reduced Order Model (ROM) über und das thermische Modell in ein lineares, transientes ROM. Die beiden ROMs tauschen dabei Verlust- und Temperaturkoeffizienten aus und können einen gesamten Fahrzyklus in Sekundenschnelle berechnen. Dieses Systemmodell lässt sich in einem Digitalen Zwilling verwenden, um mit virtuellen Sensoren direkt Systemantworten – wie Bremsmoment und Temperatur – zu erhalten und in einen Regelprozess zu integrieren.

Mit einem Digitalen Zwilling können ebenso Prognosen zur Arbeitsweise der Bremse nach mehreren Betriebsstunden gemacht werden. Eine sich ändernde Oberflächenbeschaffenheit, wie etwa eine Verwitterung, beeinflusst über den Emissionskoeffizienten das thermische Verhalten, was wiederum die Bremsleistung verändert. So kann auch ermittelt werden, wann die Bremse ausgetauscht werden müsste, um einen Ausfalls der Bremse während des Betriebs zu vermeiden (Predictive Maintenance).

Ein Großteil der Bewegungsenergie wird aus dem System genommen

Das größte Potenzial einer solchen Wirbelstrombremse liegt wohl im Einsatz als Zusatzbremse sowohl auf der Straße (LKW, PKW) als auch auf der Schiene. Da das Wirkprinzip der Wirbelstrombremse auf einer Rotation der Scheibe basiert, ist sie als Feststellbremse nicht geeignet. Denn wenn sich nichts dreht, kann auch keine Bremswirkung entstehen. Allerdings könnte ein Großteil der Bewegungsenergie durch die Wirbelstrombremse aus dem System genommen werden – insbesondere bei hohen Geschwindigkeiten und schnellen Bremsvorgängen. Sicherheitstechnisch hätte sie damit deutliche Vorteile, wenn forcierte Notbremsungen erforderlich sind. Die rein elektromagnetische Anregung erhöht die Regelbarkeit gegenüber elektromechanischen Anwendungen erheblich, da die mechanischen Totzeiten eliminiert werden können.