Change Management:
Wie Veränderungen gelingen und zum Erfolg beitragen

Prozessoptimierung, Kulturwandel, Technologieimplementierung: Damit Unternehmen den sich ständig wandelnden Marktbedingungen gerecht werden und die Wettbewerbsfähigkeit erhalten können, ist ein professioneller Umgang mit Veränderungen unumgänglich. Das effektive Managen von Veränderungsprozessen stellt in der heutigen Zeit eine zentrale Schlüsselkompetenz dar. Wir haben mit dem Change Management Experten Roland Voß, Dipl.-Ing. für Elektrotechnik und Fachingenieur für Gebäudeautomation (VDI), über die wichtigsten Grundlagen des Change Managements gesprochen.

Welche sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Grundlagen des Change Managements?

Roland Voß: Es gibt drei Kernsätze zum Change Management, die aus meiner Sicht unbedingt berücksichtigt werden sollten:

1. Das Gehirn ist nur bedingt zum Denken ausgelegt, weil es dabei sehr viel Energie verbraucht. Dies wurde von Prof. Gerald Hüther neurowissenschaftlich belegt. Eine der größten Herausforderungen im Veränderungsprozess für uns als Individuum ist zu erkennen, dass es einen großen Unterschied zwischen schnellem, intuitivem und langsamem, rationalem Denken gibt. Wir müssen lernen, aktiv zwischen diesen beiden Denkstilen zu wechseln. Sobald uns dieser bewusste Wechsel gelingt, können wir beide Gehirnhälften adäquat nutzen und damit deutlich bessere Lösungen für gegebene Problematiken identifizieren und entwickeln. Wir können uns darüber bewusst werden, dass unser Unterbewusstsein mehr leistet als wir aktiv wahrnehmen. Es ist in der Lage, uns intuitiv bei der Lösungsfindung zu unterstützen. Wird man z.B. mitten in der Nacht wach und hat plötzlich DIE Lösung für sein Problem gefunden, was einen schon tage- oder wochenlang begleitet, dann sollten wir unserem Unterbewusstsein für seine Arbeit danken.

2. Veränderungen lösen immer Hoffnung und Angst zugleich aus.

Es gibt die Hoffnung auf Erfolg, aber immer auch die Angst vor Misserfolg. Hierbei übt die Angst zumeist jedoch unbewusst einen deutlich größeren Einfluss auf das Verhalten im Veränderungsprozess aus als die Hoffnung. Unsere emotionale Intelligenz ist also gefragt, um mit der ernstzunehmenden Emotion Angst umgehen zu können. Dabei ist vielen Menschen ihre eigene Angst nicht wirklich bewusst. Das Gefühl von Angst stellt sich oftmals nur in Ausnahmesituationen so zur Schau, dass wir es auch als solches bewusst wahrnehmen. Viele kennen die „innere Stimme“, die sofort plausible Argumente gegen die Veränderung parat hat. Dies ist die „Stimme der Angst“, die sich dann in den Vordergrund drängt. Um der Angst nicht zu begegnen, bleiben Menschen gerne bei den Gewohnheiten, die ihnen vertraut sind, um damit eine für sich gefühlte Sicherheit zu haben.

3. Mit Beginn eines jeden Veränderungsprozesses entsteht zunächst häufig automatisch ein Widerstand gegen die Veränderung, die angestrebt wird. Dieser Widerstand wird als Polarität bezeichnet. Sich über diesen Widerstand im Klaren zu sein, ihn erst einmal zu akzeptieren und dann aktiv zu nutzen, ist die hohe Kunst der Gestaltung eines gelungen Change Prozesses.

Polarität ist der Widerstand bei der Umsetzung von Veränderung, den jeder kennt und schon mindestens einmal gespürt hat. Der Widerstand an sich stellt kein Problem dar, solange der Veränderungsprozess offen gestaltet ist und ein adäquater Raum für die aus der Polarität entstandenen Fragen geschaffen wird. Durch die gelebte Offenheit und die Möglichkeit, dass Mitarbeitende unbedenklich auf kritische Aspekte und Ihre Ängste hinweisen können, verliert der Widerstand an Negativität und gewinnt eine neue, positive Bedeutung. In den Äußerungen der kritischen Aspekte und Bedenken können wichtige Hinweise stecken, die eine entscheidende Bedeutung für die Risikoanalyse haben. Durch das Einbeziehen aller Beteiligten lassen sich also gemeinsam Lösungen zur Risikominimierung finden, um neue Wege erfolgreich zu gehen. Nicht das „entweder – oder“, sondern das „sowohl – als auch“ bietet hier das erfolgsversprechende Lösungsfeld dar.

 

Wie lässt sich Change Management am besten umsetzen?

Roland Voß: Es gibt nicht den einen richtigen Weg. Auf Grund meiner langjährigen Erfahrung empfehle ich aber folgende Schritte:

1. Bevor ich mit dem Veränderungsprozess starte, sollten alle Beteiligten den Veränderungsprozess gemeinsam vorab durchdacht und die Umsetzung systematisch geplant haben. Hierzu kann das Change-Management-Modell nach J.P. Kotter genutzt werden, weil es aus der praktischen Erfahrung von hunderten von Prozessen entwickelt worden ist:

  • Dringlichkeit und Nutzen aufzeigen,
  • Führungskoalition aufbauen,
  • Vision und Strategie entwickeln,
  • Vision und Strategie kommunizieren,
  • Hindernisse aus dem Weg räumen und Kraftfelder aufbauen sowie
  • kurzfristige Erfolge anstreben.

Nur, wenn der Veränderungsprozess in der Theorie erfolgreich durchgespielt werden kann, ist es sinnvoll, auch in der Praxis zu starten. Überraschungen, die im tatsächlichen Veränderungsprozess aufgrund der entstehenden Sozio-Dynamik auftreten, sind nicht durch die erbrachte Vorarbeit auszuschließen.

2. Eine gelungene Veränderung braucht tatkräftige unterstützende (Menschen) und ausreichende Ressourcen (Zeit, Geld, etc.).

Um den Verlauf zu unterstützen und Hürden zu beseitigen, braucht man starke Partner*innen, die Durchsetzungsstärke besitzen und Verantwortung übernehmen. Des Weiteren sind hier Vertrauenspersonen gefragt, auf die Verlass ist und die über fundierte Fachkompetenz verfügen. Einen weiteren wichtigen Aspekt bilden die zur Verfügung stehenden Ressourcen wie Zeit und Geld. Nur so kann Veränderung nachhaltig etabliert werden.

3. Exzellente Kommunikation, welche alle Beteiligten vollumfänglich auf rationaler und emotionaler Ebene gewinnt.

Bei einem Veränderungsprozess werden immer zwei Ebenen angesprochen: es geht einerseits um eine Sache (Rationalität) und andererseits um Menschen (Emotionalität). Die Change-Kommunikation sollte damit also sowohl auf die rationale Seite als auch auf die emotionale Seite der Beteiligten ausgerichtet sein. Nur so können sie von der anstehenden Veränderung umfänglich überzeugt werden und diese Überzeugung als Promotoren weitergeben. Zudem entwickeln sich alle Beteiligen im so genannten Action Learning kontinuierlich weiter: Sie erleben Erfolge, erlangen Know-how und erweitern ihr Kompetenzprofil. Adäquate Change-Kommunikation in Form von Dialogen, Gruppengesprächen und -diskussionen, Texten und Bildern bestärkt das Erfolgs- und Gemeinschaftsgefühl und zeigt den Beteiligten auf, dass sie ein aktiver Teil der Veränderung sind.

4. Für Nachhaltigkeit bei Veränderungen ist es wichtig, die Interessen und Bedürfnisse der betroffenen Menschen im Auge zu behalten.

Dabei helfen folgende Fragen:

  • Welche Vorteile haben Menschen, wenn sie den Weg der Veränderung mitgehen (Sinn u. Nutzen)?
  • Welchen Einfluss nehmen Veränderungen auf Unternehmen und ihre Zukunftsfähigkeit?
  • Stehe ich mit meinen Werten hinter dem Ziel und dem Weg der Veränderung?
  • Finden sich diese Werte in der Unternehmenskultur wieder?

Die Wellen der Veränderungen, die zurzeit unumgänglich sind und wir tagtäglich in der Gegenwart spüren, kann jeder Mensch mit den oben genannten Inhalten professionell angehen.

Empathische Führung als Schlüsselfaktor im Change.

Über den Autor

Roland Voß ist Dipl.-Ing. für Elektrotechnik, Studienrichtung Automatisierungstechnik und Fachingenieur für Gebäudeautomation (VDI). Nach seiner Ausbildung zum Energieelektroniker bei der Firma Siemens und der Weiterqualifikation zum Diplom-Ingenieur erwarb er weitere Kenntnisse, u.a. in den Bereichen BWL, Führung und Change Management. Als Entwicklungsingenieur, Projektmanager und Bereichsleiter sammelte er umfangreiche Erfahrungen in Konzernen und mittelständischen Unternehmen. Als Geschäftsführer der Firma Voß BCP setzt er seine langjährige Berufserfahrung ein und ist als Business-Ingenieur, Change ­Manager und Prozessentwickler tätig.