Abbildung 1: Experimentelle Wöhlerlinie für 10 %-Ausfallwahrscheinlichkeit

Einfluss hoher Lasten auf das Ermüdungslebensdauerverhalten von Wälzlagern

Wälzlager sind ein wichtiger Bestandteil von Maschinen und Anlagen, die in verschiedenen industriellen Bereichen eingesetzt werden. Allerdings sind sie hohen Belastungen ausgesetzt, die ihre Lebensdauer beeinträchtigen können. Insbesondere bei hohen Lasten kann es zu frühzeitiger Ermüdung der Lager kommen, was zu erheblichen Problemen wie Maschinenausfällen, Reparaturkosten und Produktionsausfällen führen kann.

Um das Ermüdungsverhalten von Wälzlagern unter hohen Beanspruchungen besser zu verstehen und zu verbessern, ist es wichtig, die Ermüdungsmechanismen zu erforschen, die zu einem vorzeitigen Lagerversagen führen können. Hierbei müssen insbesondere Lastkollektive berücksichtigt werden, die sich durch hohe Belastungsanteile auszeichnen und einen erheblichen Einfluss auf die Ermüdungslebensdauer haben können.

Um den Einfluss von hohen Lasten auf das Ermüdungsverhalten von Wälzlagern genauer zu untersuchen, wurden experimentelle, werkstoffkundliche und simulative Untersuchungen durchgeführt. Ziel ist es, den Einfluss von Überlasten auf die Ermüdungslebensdauer zu quantifizieren und den Wirkmechanismus der aufgeprägten Überlast auf die Lagerlebensdauer zu bewerten.

Die lineare Schadensakkumulationshypothese nach PALMGREN und MINER hat sich als nützliches Werkzeug zur Beurteilung der Lebensdauer von Wälzlagern erwiesen. Möglicherweise berücksichtigt dieser Ansatz den Einfluss von Materialschädigungen, die durch Überlasten im Bereich von 4 GPa unmittelbar eingebracht werden nicht ausreichend, was es gilt im Folgenden näher zu betrachten.

Im Rahmen der experimentellen Untersuchungen wurden Referenzversuche durchgeführt. Ein Großteil der Lebensdauerversuche wurden mit NU1006-Lagern durchgeführt. Diese wurden um weitere Versuche mit Lagern der Baureihe NU1030 stichpunktartig ergänzt. Es wurden Lebensdauerversuche mit jeweils konstanter Last über die gesamte Versuchsdauer bei vier verschiedenen Lastniveaus durchgeführt. Diese Versuche ermöglichten die Konstruktion einer experimentellen Wöhlerlinie. Abbildung 1 stellt die experimentelle Wöhlerlinie (rote Linie) der rechnerischen Wöhlerlinie (blaue Linie) nach DIN ISO 26281 gegenüber. Es wird deutlich, dass die experimentelle Wöhlerlinie eine größere Steigung aufweist sowie nach rechts zu höheren Lebensdauern verschoben ist.

Abbildung 2: Kollektivversuche im Vergleich zur experimentellen Wöhlerlinie

Zu der experimentellen Wöhlerlinie wurden Kollektivversuche mit zwei Lastniveaus in Bezug gesetzt. Zu Beginn wurde eine hohe Last mit einer maximalen Hertz‘schen Pressung von 3.8 GPa für eine bestimmte Dauer aufgebracht und anschließend auf 2.5 GPa abgesenkt. Danach wurden die Versuche bis zum Ausfall betrieben. Abbildung 2 zeigt zusätzlich zu Abbildung 1 die Lebensdauerversuche mit Kollektivbelastung (rote Kreuze bzw. Dreiecke).

Abbildung 3 zeigt die Eigenspannungsmessungen in Abhängigkeit der Last.

Die Lebensdauern der Kollektivversuche mit 10% Ausfallwahrscheinlichkeit liegen rechts der experimentellen Referenzwöhlerlinie, was bedeutet, dass die zu Beginn aufgebrachte hohe Last das Material nicht über ein kritisches Maß geschädigt hat, sondern zu einer Erhöhung der Laufzeit geführt hat. Die in dieser Phase eingebrachten hohen Druckeigenspannungen können einen positiven Einfluss auf das Ermüdungslebensdauerverhalten haben. Um den Schadensmechanismus besser zu verstehen, wurden zusätzlich zu den experimentellen Lebensdaueruntersuchungen werkstoffkundliche Untersuchungen durchgeführt. Abbildung 3 zeigt die Eigenspannungsmessungen in Abhängigkeit der Last.

Abbildung 4: Lebensdauermodelle von Ioannides & Harris sowie von Fatemi & Socie

Die Verläufe verdeutlichen, dass sich ab einer maximalen Pressung von 3 GPa ein deutlicher Druckeigenspannungstiefenverlauf ausbildet und diese mit steigender Belastung ansteigen. Der gemessene Eigenspannungsverlauf des Kollektivversuchs, der nur eine begrenzte Dauer im hohen Lastbereich war, weist den gleichen Verlauf wie der Einstufenversuch bei gleicher Last auf, was darauf hindeutet, dass die eingebrachten Druckeigenspannungen einen positiven Einfluss auf das Lebensdauerverhalten von Wälzlagern haben können.

Um den Eigenspannungszustand rechnerisch abbilden zu können, wurden zwei Lebensdaueransätze verwendet und Lebensdauerberechnungen durchgeführt. Zum einen wurde das Lebensdauermodell von Ioannides & Harris mit dem Ermüdungskriterium von Dang Van unter Berücksichtigung des Eigenspannungszustandes angewendet und zum anderen der Ansatz von Fatemi & Socie. Das Ergebnis der Berechnungen ist in Abbildung 4 zu sehen.

Die hier angesprochenen Themen werden im Vortrag auf der „VDI-Fachtagung Gleit- und Wälzlager 2023“ noch vertieft und detaillierter erklärt.

Über den Autor:

Simon Dechant

Wiss. Mitarbeiter, Wälzlager, Institut für Maschinenkonstruktion und Tribologie (IMKT), Fakultät Maschinenbau, Leibniz Universität Hannover