Solardach

Fraunhofer ISE

Optisch unauffällige PV-Integration in ein Autodach.

09.08.2021

Fahrzeugintegrierte Photovoltaik: Reichweiten steigern, Emissionen reduzieren

Der Ausbau und die intensive Nutzung von Photovoltaik ist ein Königsweg, um eine möglichst CO2-freie Energieversorgung zu realisieren. Die Belegung von Hausdächern und Freiflächen reicht dafür alleine jedoch nicht aus. Insbesondere der fahrzeugintegrierten Photovoltaik werden vielfältige Chancen zugerechnet, sowohl im Pkw als auch im Nutzfahrzeugbereich. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) arbeiten an Lösungen, die schon bald marktfähig sein werden. Den aktuellen Stand ihrer Forschungsprojekte werden sie im Rahmen des Internationalen VDI-Kongresses „DRITEV“ am 13. und 14. Oktober 2021 in Bonn vorstellen. Die Veranstaltung fokussiert sich auf Trends und Technologien rund um die Elektrifizierung des Antriebs.

Als fahrzeugintegrierte Photovoltaik (VIPV - von engl. "Vehicle Integrated Photovoltaics") wird die mechanische, elektrische und designtechnische Einbindung von Photovoltaik-Modulen in Fahrzeugen bezeichnet. Die PV-Module passen sich dabei übergangslos in die Fahrzeughülle ein und sind mit elektrischen Verbrauchern oder der Antriebsbatterie bei Elektro-Fahrzeugen verbunden. Gleichzeitig ersetzen die PV-Module andere Bauteile des Fahrzeugs, zum Beispiel das Dach oder die Motorhaube.

Enorme Potenziale schlummern auf der Straße

VIPV ist in der Lage, die Reichweite von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen deutlich zu steigern und gleichzeitig die CO2-Bilanz zu verbessern. Die Potenziale sind bemerkenswert: „Wenn jeder Pkw in Deutschland mit seinem Solardach ausgestattet würde, wäre im Optimalfall eine installierte Leistung von 30 Gigawatt möglich. Im Nutzfahrzeugbereich gehen wir von einer fahrzeugintegrierten Photovoltaikleistung von 8 Gigawatt aus“, schildert Christoph Kutter, Projektleiter am Fraunhofer ISE. Dabei unterscheiden sich die Anforderungen durchaus: „Bei Pkws sind die Ansprüche an die ästhetische Integration in das Design des Fahrzeugs besonders hoch, bei Nutzfahrzeugen werden besonders leichte PV-Module benötigt, um die Nutzlast nicht einzuschränken.“ Weitere Anwendungsfelder könnten aber auch Wohnwagen und Wohnmobile, Lastenfahrräder, Straßenbahnen und Züge sowie Schiffe, Flugzeuge und Drohnen sein.

Neben der Erhöhung der Fahrzeugreichweite sprechen zahlreiche weitere Vorteile für die Entwicklung: Die Entlastung des Stromnetzes und der Ladeinfrastruktur sprechen ebenso dafür wie Kosteneinsparungen beim Bezug von Ladestrom.

Dadurch sind Reichweitenverlängerungen von mehreren Kilometern pro Tag erreichbar, wie Praxiserprobungen bereits bestätigt haben. Bei Kühl-Lkws kann die PV-Energie auch genutzt werden, um die Ladung elektrisch zu kühlen. Dadurch kann die gleiche Kühlleistung mit geringerem Einsatz des Kühlaggregats erzeugt und der Verbrauch an Diesel verringert werden. Die Integration der PV-Module in den Kühlkörper erfordern dabei besonders leichte Module, die die thermische Isolation nicht beeinträchtigen.

E-LKW und Mini-E-LKW

Fraunhofer ISE

PV-Integration in einen E-LKW und einen Mini-E-LKW.

Bessere CO2-Bilanz für Nutzfahrzeuge

Im Zuge des Projektes „Lade-PV“ demonstrieren vier Industrieunternehmen und zwei Fraunhofer-Institute unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE die Marktfähigkeit der Lösung im Lastenverkehr. Einblicke in die konkreten Ergebnisse des laufenden Projektes dürfen die Besucher der DRITEV in Bonn erwarten. Dabei wurde ein Gesamtkonzept entwickelt werden, das den flächendeckenden Einsatz von integrierten PV-Modulen an Elektro- und anderen Nutzfahrzeugen (über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht) ermöglicht. Das mit Solarmodulen ausgestattete Demonstrationsfahrzeug, ein Framo 18t-E-LKW, wird bei der Alexander Bürkle GmbH & Co. KG im täglichen Verteilerbetrieb in Freiburger Umland getestet. In einer Messkampagne wird das Einstrahlungspotenzial der gefahrenen Routen erhoben, auch die Leistungsentwicklung und Stabilität der Module unter realen Bedingungen werden regelmäßig überprüft. Die gesamte Dachfläche des Kofferfahrzeugs wird genutzt und kann an sonnigen Tagen bis zu 30 Kilowattstunden Energie produzieren.

Die Erfahrungen sind bisher sehr positiv, die Technik hat sich als robust und zuverlässig erwiesen. „Wir wollen die Technologie nicht nur entwickeln, sondern auch zeigen, dass Lkws über fünf Prozent ihrer Antriebsenergie durch Solarenergie abdecken können. 4000 bis 6000 Kilometer zusätzliche Reichweite pro Jahr sind rechnerisch möglich. Die VIPV wird sich für Hersteller und Betreiber solarer E-Nutzfahrzeuge lohnen“, erklärt Christoph Kutter weiter. 

Bis zum Ende des Projektes im Jahr 2022 soll nach seinen Worten die Technologie soweit optimiert sein, dass sie von Projektpartnern genutzt und in die Produktentwicklung überführt werden kann. Im Pkw-Bereich sind die PV-Experten sogar schon weiter: Hier ist die Technologie bereits ausgereift, sodass sie direkt in Serienanwendungen implementiert werden kann. Hier sind große Skalierungseffekte zu erwarten, die Solarzellen fürs Fahrzeug nicht nur technisch und ökologisch, sondern auch wirtschaftlich hoch attraktiv machen.

Fraunhofer ISE

Im Interview:

Christoph Kutter ist Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Die Wissenschaftler arbeiten insbesondere an fahrzeugintegrierten Photovoltaiksystemen. Im Zuge des Projektes „Lade-PV“ demonstrieren vier Industrieunternehmen und zwei Fraunhofer-Institute unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE die Marktfähigkeit der Lösung im Lastenverkehr. Darüber berichten Christoph Kutter und seine Kollegen auf der Internationalen VDI-Getriebetagung DRITEV.