Hygienische Aspekte im Fokus

Aus der VDI 6023 „Hygiene in Trinkwasser-Installationen“ hat sich aufgrund gestiegener Anforderungen und aktueller Erkenntnisse in den letzten Jahren die Richtlinienreihe VDI 6023 mit vier individuellen Teilen entwickelt. Zwei neue VDI-Richtlinien sagen detailliert, worauf es bei Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung ankommt, und wie die Personen, die diese Aufgaben übernehmen, qualifiziert sein müssen.

Das technische Regelwerk über die Planung, Errichtung und den Betrieb von Trinkwasser-Installationen ist sehr komplex. Die Richtlinienreihe VDI 6023 „Hygiene in Trinkwasser-Installationen“ gilt hier als allgemein anerkannte Regel der Technik neben den Funktionalnormen der DIN EN 806- mit der ergänzenden DIN 1988-Reihe, ebenso wie die Arbeitsblätter des DVGW, die sich vorwiegend auf spezielle Themen wie Legionellen, Desinfektion oder Korrosion in Trinkwasser-Installationen fokussieren.

Hygiene im Sinne der VDI 6023 ist die Gesamtheit aller Bestrebungen und Maßnahmen zur Verhütung von mittelbaren oder unmittelbaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Störungen des Wohlbefindens (Unbehagen) beim einzelnen Nutzer. Nur die Reihe VDI 6023 umfasst den kompletten Bereich der Hygiene über den gesamten Lebenszyklus einer Trinkwasser-Installation.

Neue VDI 6023-1 „Planung“

Die VDI 6023 wurde turnusmäßig aktualisiert und erschien im September 2022 in der dritten überarbeiteten Fassung, weil es in den vergangenen Jahren eine Vielzahl neuer Erkenntnisse zum Erhalt der Trinkwassergüte gab. Die Richtlinie gilt für alle Trinkwasser-Installationen, auch in bestehenden Gebäuden (z.B. Nutzungsänderungen, Rückbau oder Erweiterung).

Eine wichtige Voraussetzung für die Einhaltung der Hygieneanforderungen ist hierbei ein einwandfreier, sauberer Anlieferungszustand des Trinkwassers und insbesondere der trinkwasserberührten Komponenten der Trinkwasser-Installation.

Bereits im Anwendungsbereich wird zudem klargestellt, dass die grundlegenden hygienischen Anforderungen (Vermeidung von Stagnation, notwendige Betriebstemperaturen usw.) auch bei Ein- und Zweifamilienhäusern gelten. Hier können zwar nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Erleichterungen (insbesondere vereinfachtes Raum-, Anlagen- und Betriebsbuch, vereinfachter Instandhaltungsplan) vorgenommen werden, jedoch wird hierdurch nochmals die Notwendigkeit betont, auch bei Ein- und Zweifamilienhäusern die wesentlichen Informationen zumindest in vereinfachter Form vorliegen zu haben.

Temperaturen

Zu den hygienisch relevanten Parametern einer Trinkwasser-Installation gehören die Betriebstemperaturen. Hier gilt für Trinkwasser (kalt) auch weiterhin der Grenzwert von 25 °C, für Trinkwasser (warm) gelten die bekannten 55/60 °C als Planungsziel durch Verweis auf das DVGW-Arbeitsblatt W 551.

Trinkwasser-Installationen müssen so geplant und gebaut werden, dass sie von Wärmequellen thermisch entkoppelt sind. Wärmeübergänge auf das Kaltwasser sind durch die Rohrleitungsführung zu minimieren.

Dimensionierung

Trinkwasser-Installationen sind nach der neuen Richtlinie so klein wie möglich und so groß wie nötig zu dimensionieren, um einen regelmäßigen Wasseraustausch durch Nutzung zu unterstützen. Überdimensionierungen sind sowohl bei Trinkwasserleitungen als auch bei Trinkwasserspeichern und Apparaten zu vermeiden. Das betrifft nicht nur eine bedarfsgerechte Installation des Leitungssystems, auch die Dimensionierung von Trinkwasser-Speichern und anderen Apparaten ist auf das notwendige Volumen zu reduzieren.

Bestimmungsgemäßer Betrieb

Konkrete Anforderungen an Betrieb und Instandhaltung von Trinkwasser-Installationen finden sich in der bereits seit 2020 gültigen „Doppelrichtlinie“ VDI 3810-2/VDI 6023-3.

„Bestimmungsgemäßer Betrieb“ meint jedoch zunächst ganzheitlich betrachtet den Betrieb der Trinkwasser-Installation mit vollständigem Wasseraustausch über alle Entnahmestellen mit regelmäßiger Inspektion und den erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen, um den betriebssicheren Zustand unter Einhaltung der zur Planung und Errichtung zugrunde gelegten Betriebsbedingungen (Nutzungshäufigkeiten, Entnahmemengen, Gleichzeitigkeiten) jederzeit zu gewährleisten. Dies kann auch „eine simulierte Entnahme“ (manuelles oder automatisiertes Spülen) beinhalten.

Hierbei muss eine Nutzung zugrunde gelegt werden, bei der sichergestellt ist, dass an jeder Stelle der Trinkwasser-Installation ein vollständiger Wasseraustausch durch Entnahme innerhalb von maximal 72 Stunden stattfindet.

Stagnation

Nicht durchströmte Leitungen und Apparate, in denen sich stagnierendes Wasser befindet, sind bekanntlich nicht zulässig. Die VDI 6023 fasst das sehr gekonnt zusammen mit der Klarstellung: „Es dürfen nur Leitungen und Apparate für die Trinkwasser-Installation verwendet werden, die zwangsweise durchströmt werden. Unzulässig sind nicht nur Bypassleitungen, bei denen keine Durchströmung nach spätestens 72 Stunden sichergestellt ist, und Totleitungen mit verschlossenen Enden, sondern auch ungenutzte Entnahmestellen.“

Löschwasserleitungen (nass), die unmittelbar an die Trinkwasser-Installation angeschlossen sind, können ebenfalls nicht dauerhaft hygienisch sicher betrieben werden, daher gibt es für sie keinen Bestandsschutz (vgl. § 4 TrinkwV).

Hygiene-Erstinspektion

In der neuen VDI 6023 Blatt 1 findet sich heute unter Punkt 5 die Anforderung zur Hygiene-Erstinspektion. Hier heißt es gezielt, dass die Einhaltung der in der Richtlinie aufgelisteten hygienisch/technischen Anforderungen an Trinkwasser-Installationen bereits vor der Befüllung vor Ort geprüft werden müssen. Eine Voraussetzung zur Befüllung einer Trinkwasser-Installation ist auch gemäß VDI 3810-2/VDI 6023-3 die Hygiene-Erstinspektion nach VDI 6023 Blatt 1. Sie ist vom Auftraggeber zur Überprüfung des hygienisch einwandfreien Zustands der Trinkwasser-Installation zu beauftragen. Im Rahmen der Hygiene-Erstinspektion festgestellte Mängel müssen vor dem Befüllen der Trinkwasser-Installation behoben werden.

Als Hilfestellung für Sachverständige, Installateure, Planer und Auftraggeber hat der DVQST e.V. in seiner Fachlichen Stellungnahme FS-401 „Anforderungen an Gutachten zur Hygiene-Erstinspektion von Trinkwasser-Installationen“ in Ergänzung zur VDI 6023 Blatt 1 den grundlegenden Ablauf, die Form und die Inhalte einer Hygiene-Erstinspektion ausführlich aufbereitet, um Streitigkeiten oder Folgeschäden zu vermeiden. Die DVQST FS-401 bietet im Anhang darüber hinaus umfangreiche und detaillierte Checklisten als Hilfsmittel, die gegebenenfalls ausgefüllt als Anlage zum Gutachten zur Hygiene-Erstinspektion dem Auftraggeber übergeben werden können (www.dvqst.de).

Schulung

Bei einem so komplexen Thema wie der Trinkwasserhygiene muss man wissen, was man tut und warum man es tut. Daher müssen alle Personen, deren Arbeit die Trinkwasserhygiene beeinflussen kann, mit Blick auf Hygiene sensibilisiert sein. Die neue Richtlinie VDI-MT 6023 Blatt 4, die ebenfalls im September 2022 erschienen ist, bildet für die Personen, die Trinkwasser-Installationen planen, errichten, betreiben und instandhalten, eine wichtige Schulungsbasis.

Die in VDI-MT 6023 Blatt 4 beschriebene Schulung umfasst als einzige alle relevanten Inhalte, nicht nur ausgewählte Regelwerke, und sollte möglichst viele Anwender erreichen, die für sauberes Wasser in ihrer jeweiligen Rolle verantwortlich sind. Die Schulungen nach dieser Richtlinie vermitteln allen im Bereich des Trinkwassers tätigen Personen ein zielgruppenspezifisches Verständnis der Hygiene in Trinkwasser-Installationen sowie konkrete, handlungsrelevante Hinweise für Planung, Installation und Betrieb von Trinkwasser-Installationen.

Literatur zum Thema

  • VDI-MT 3810 Blatt 1 Betreiben und Instandhalten von Gebäuden und gebäudetechnischen Anlagen – Grundlagen, Stand 2022
  • VDI 6023 Blatt 1 Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung, Stand 09/2022
  • Kommentar zur VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Gefährdungsanalyse, Beuth Verlag, 1. Auflage 2021
  • Kommentar zur VDI 3810 Blatt 2/VDI 6023 Blatt 3 Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Betrieb und Instandhaltung mit VDI/DVQST-EE 3810 Blatt 2.1 Außerbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme, Beuth Verlag, 1. Auflage 2021
  • VDI/DVQST-EE 3810 Blatt 2.2 Betreiben und Instandhalten von Gebäuden und gebäudetechnischen Anlagen – Maßnahmen bei Überflutung, Stand 01/2023
  • VDI-MT 6023 Blatt 4 Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Qualifizierung für Trinkwasserhygiene, Stand 09/2022

Zur Person:

Arnd Bürschgens ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Trinkwasserhygiene im Installateur- und Heizungsbauerhandwerk.
Er ist Mitglied im VDI-Fachausschuss Sanitärtechnik, stellv. Vorsitzender des Richtlinienausschusses VDI 6023 „Hygiene in Trinkwasser-Installationen“ und Vorsitzender des Richtlinienausschusses VDI 3810-2 „Betrieb und Instandhaltung von gebäudetechnischen Anlagen - Trinkwasser-Installationen“. Zu seinen ehrenamtlichen Aktivitäten gehört u. a. auch die Mitarbeit an der Überarbeitung des DVGW Arbeitsblatt W 551 „Legionellen in Trinkwasser-Installationen“ und im DIN/DVGW NA119-07-07AA „Trinkwasser-Installationen“ (EN 806/DIN 1988).