Die Zukunft des Verbrennungsmotors

Er gilt als einer der profiliertesten Ökonomen des Landes: Prof. Dr. Ulrich van Suntum ist bekannt für seine pointierten Aussagen und klaren Positionen. Er lehrt an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und ist Direktor des dortigen Instituts für Siedlungs- und Wohnungswesen. Von 1987 bis 1988 war Prof. van Suntum Generalsekretär des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Rat der Wirtschaftsweisen). Auf dem Internationalen Motorenkongresses wird er die Diskussion um Emissionen, Feinstaubbelastungen und Antriebstechnologien der Zukunft aus ökonomischer Sicht betrachten. Vorab beantwortet er unsere Fragen.

​ Ist Autofahren gut oder schlecht? 

Herr Prof. van Suntum, da Sie selbst Ihrem Referat auf dem Internationalen Motorenkongress folgenden Titel gegeben: „Ist Autofahren gut oder schlecht? Eine ökonomische vs. ideologische Betrachtung“.

Autofahren ist zweifellos mit Umweltbelastungen und Unfallrisiken verbunden – wie fast alles, was wir Menschen so auf Erden tun. Aber es steht eben auch wie kaum ein anderes Produkt für Freiheit, Komfort und Lebensfreude. Individuelle Mobilität ist ein Grundbedürfnis, das gerade auch bei älteren Menschen ganz oben auf der Prioritätenliste steht. Ihre Beschränkung ist nicht umsonst die härteste Strafe, die unser Rechtssystem kennt, etwa durch Gefängnis oder Führerscheinentzug. Wer die individuelle Mobilität abschaffen will, tastet nicht weniger als ein Grundrecht an.

In der Diskussion um den automobilen Antrieb der Zukunft vermengen sich häufig technische, politische und hoch emotionale Aspekte miteinander. Daher die Frage an Sie: Ist der Verbrennungsmotor, egal ob Benziner oder Diesel, aus der Sicht des Volkswirts, besser als sein Ruf? Oder hat er sein baldiges Ende verdient?

Anders als viele Politiker maßen wir Ökonomen uns nicht an, die technisch besten Lösungen der Zukunft zu kennen. Diese zu finden ist eine Aufgabe des Wettbewerbs, und zwar unter fairen Bedingungen. Insbesondere müssen alle externen Kosten wie Umweltbelastungen und Sicherheitsrisiken den jeweiligen Verursachern angelastet werden, und zwar in gleicher Weise. Im Stromsektor haben wir das mit dem Emissionshandel sehr gut gelöst, er sollte auch auf den Verkehrssektor ausgeweitet werden. Stattdessen betreiben wir hier aber ökologische Planwirtschaft mit ideologischer Schlagseite. Das entmündigt den Verbraucher und ist extrem ineffizient. So kostet eine eingesparte Tonne CO2-Ausstoß im Automobilsektor inzwischen ein Vielfaches dessen, was anderswo dafür anfallen würde.         

Als Zukunft des Automobils scheint sich die (zumindest politische) Diskussion vor allem auf den elektrifizierten Antrieb zu fokussieren? Wie sinnvoll sind E-Motoren und teure Batterien, die aufwendig gekühlt sowie vor Verschleiß und Brandrisiken (Thermal Runaways) geschützt werden müssen, aus volkswirtschaftlicher Sicht?

Die Kosten und Risiken der Elektromobilität werden von den Autogegnern bewusst ausgeblendet, um erst einmal dem Verbrennungsmotor den Garaus zu machen. Das Elektroauto ist aber keineswegs emissionsfrei, solange die Hälfte unseres Stroms aus Gas- und Kohlekraftwerken stammt. Wollte man mit grünem Strom auf Elektromobilität umstellen, müssten wir entweder wieder zur Kernkraft zurückkehren oder das Autofahren würde schlichtweg unbezahlbar. Am Ende werden dann nur noch Bus, Bahn und Fahrrad übrigbleiben, was wohl auch das eigentliche Ziel der derzeitigen Kampagne gegen den Verbrennungsmotor ist. Es gibt bereits eine Kampagne des Bundesumweltamtes, um uns das Zu-Fuß-gehen wieder schmackhaft zu machen.    

Wie sollte volkswirtschaftlich adäquat der Veränderungsprozess in der Automotive Industrie gestaltet werden? Wie lange könnte es noch Verbrennungsmotoren geben, welche Antriebstechnologien neben E-Mobility verdienen ebenfalls einen genaueren Blick?

Die Automobilindustrie sollte meines Erachtens selbstbewusster gegenüber der Politik auftreten und erst einmal verlangen, dass alle Emissionsquellen gleichbehandelt werden. Wenn etwa am Arbeitsplatz mehr als das Zwanzigfache der Stickoxidkonzentration erlaubt ist als an einer Hauptverkehrsstraße, dann geht es nicht mehr um Umweltschutz, sondern um Ideologie. Auch Elektroautos verursachen Feinstaub, Risiken und Entsorgungsprobleme, was sich in ihren Betriebskosten niederschlagen müsste. Dann wird sich schnell herausstellen, ob nicht z.B. Brennstoffzellen oder auch Hybridlösungen aus mehreren Antriebsarten die bessere Lösung sind. Das sollten in einer Marktwirtschaft weder Politiker noch Ökonomen entscheiden, sondern die Verbraucher. Sie allein sind es, die am Ende alle Nutzen und Kosten vernünftig gegeneinander abwägen können.

​ Die Diskussion um die beste Technologie führen – ohne Ideologien 

Könnten die Veränderungen in der automobilen Welt auch zu einer weiteren Zuspitzung zwischen urbanen Zentren und ländlichen Regionen führen (Fahrverbote, Netz an E-Ladestationen, Carsharing- und ähnliche Mobility-Dienste nur in Städten vorstellbar etc.)?

Auf dem Land ist das Automobil weiterhin unverzichtbar, jedenfalls wenn wir bei der Mobilität nicht auf DDR-Niveau zurückfallen wollen. Alle Versuche, die Menschen auf Busse und Bahnen umzulenken, sind im ländlichen Raum kläglich gescheitert und werden auch weiterhin fruchtlos bleiben. Dort gelingt einfach nicht die notwendige Bündelung von Verkehrsströmen. Wer in dieser Situation mit Fahrverboten und Straßenrückbau letztlich Zwangsdemobilisierung betreibt, stellt sich m. E. außerhalb unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.  

Zum Schluss eine persönliche Frage: Fahren Sie selbst gerne Auto? Wenn ja, auch in 10 oder 15 Jahren noch?

Ich bin immer gerne und viel Auto gefahren, übrigens seit mehr als vierzig Jahren unfallfrei und ohne Punkte in der Flensburger „Mehrfachtäter“-Kartei. Solange es noch erlaubt ist, werde ich weiterhin Auto fahren, seit einigen Jahren auch Wohnmobil. Auch das ist eine Freiheit, die für mich einfach unbezahlbar ist.