Warum Produktionsleiter*innen so wertvoll sind…

Die Zeit, in der ein/ eine Produktionsleiter*in allein aufgrund seiner formalen Position erfolgreich sein konnte, ist schon lange vorbei. Der/die  Produktionsleiter*in als Teil des Führungskreises eines Unternehmens hat aufgrund der Vielzahl der in der Produktion tätigen Mitarbeitenden einen maßgeblichen Anteil an der Unternehmenskultur. Diese nimmt sowohl für die Arbeitsleistung wie auch die Gewinnung neuer Mitarbeitender an Bedeutung zu. Mitarbeitende werden wesentlich durch ihre Führungskräfte und deren Verhalten bzw. Fehlverhalten geprägt. Im Produktionsumfeld mit seiner Vielzahl an Nationalitäten und Kulturkreisen, der Auswirkung politischer und wirtschaftlicher Krisen auf die geforderte Produktionsleistung und die davon somit unmittelbar abhängige Beschäftigung, ist dies eine fortwährende Herausforderung und gleichzeitig elementar für den Unternehmenserfolg.  

Führung im Sinne von Leadership bedeutet, Menschen eine Richtung zu geben und geht daher über die Funktion „Leiten“ weit hinaus. Führungskräfte vertreten die Werte eines Unternehmens, bestimmen die Vision und die Strategie des zugeordneten Bereiches und geben ihren Mitarbeitenden damit Leitplanken und Schutz. Speziell in der Produktion hat die Führungskraft die Fürsorgepflicht für einen großen Teil der Mitarbeitenden des Unternehmens, deren Qualifikation unterschiedlicher nicht sein könnte. Dazu kommt eine treuhänderische Pflicht zur Erhaltung der übertragenen Vermögenswerte sowie die Verantwortung für Qualität und Kosten von Prozessen und Produkten sowie deren bestellgerechte Ablieferung. Erfolg in der Produktion verlangt, verschiedene Positionen einzunehmen, ohne dabei den Unternehmenserfolg zu vernachlässigen.

Ein derart breites Aufgabenfeld erfordert neben der Befugnis, Entscheidungen treffen zu dürfen zunächst die Kompetenz, die diese Befugnis rechtfertigt. Die Herausforderung der Produktion liegt dabei für den Produktionsleiter nicht in der erforderlichen Tiefe des Wissens und der Komplexität einzelner Aufgaben, sondern vielmehr in der Fähigkeit, Einflüsse und Wechselwirkungen zu erkennen. Zudem muss er oder sie in der Lage sein, technische wie auch wirtschaftliche Zusammenhänge von Kosten, Lieferung und Qualität herzustellen und aus Entscheidungsalternativen zu wählen. Die äußeren Zwänge führen dabei zu Handlungskonflikten und einem Spannungsfeld unterschiedlicher Rollen, von denen einige bei Übernahme einer Führungsposition vollständig neu sind und andere neu interpretiert werden müssen. Gleichzeitig Chef*in, Unternehmer*in, Coach, Fachmann oder Fachfrau und Mitglied des Teams zu sein ist eine enorme Herausforderung und erfordert eine ständige Weiterentwicklung in den Feldern Aktivitäts- und Handlungskompetenz, Fach- und Methodenkompetenz sowie personale und kommunikative Kompetenz. Dabei sind die unterschiedlichen Rollen von Führungskräften und deren Führungsstile in vielen Modellen mit sehr ähnlichen Kernaussagen beschrieben.

Der Rollenkonflikt der Führungskräfte

Gute Produktionsleiter*innen müssen gute Führungskräfte sein. Gute Fachmänner und Fachfrauen haben jedoch lediglich das Potenzial, gute Führungskräfte zu werden. Tiefes technisches Wissen wird häufig sogar zu einer Falle für Produktionsleiter*innen. Denn wie alle Menschen, so neigen auch sie in der neuen Aufgabe dazu, sich mit Dingen zu beschäftigen, die sie beherrschen und suchen Sicherheit in ihrer Expertise, auch wenn deren Einsatz nicht zu ihren Kernaufgaben und schon gar nicht zu den aktuell primären Problemen gehört. Die Expertenrolle als sicherer Entscheidungsraum bietet gerade für neue Führungskräfte einen komfortablen Rückzugsort, birgt aber die Gefahr, den Gesamtüberblick zu verlieren.

Die Rollen als Vorgesetzte*r und als Unternehmer*in hingegen sind in der ersten Führungsaufgabe vollständig neu, ungewohnt und fordernd. Innerhalb des Teams ist die Führungskraft in ihrer Dienstleistungsfunktion dafür verantwortlich, im Sinne des übergeordneten Ziels alle Barrieren zu beseitigen und die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um den Mitarbeitenden das Erreichen der vorgegebenen Ziele zu ermöglichen. Die Dienstleistungsfunktion mit der Entscheidungsfunktion zu kombinieren ist dabei nicht einfach. Der strategische Rahmen setzt in der Rolle als unternehmerisch denkender Chef*in die Leitplanken und kann zum Wohl des Unternehmens unpopuläre und für die Mitarbeitenden nur schwer nachvollziehbare Entscheidungen erfordern.

Diese zu vertreten, in geeigneter Form zu kommunizieren und zu argumentieren ist Teil der neuen Aufgabe.

In der operativen Arbeit überwiegt die Rolle als Prozessbegleiter*in und Coach, geht es doch darum, das Potenzial jedes Mitarbeitenden zu nutzen, um das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Die Kombination aus der Notwendigkeit, die Position der Mitarbeitenden einzunehmen, deren Leistung zu würdigen und deren Argumentation zu verstehen sowie diese zu Eigenverantwortung einzuladen, divergiert nur zu oft mit den Anforderungen an die Schnelligkeit des Handelns. Vertrauen, die Delegation operativer Aufgaben statt deren Übernahme und die Abgabe von Verantwortung fällt hochqualifizierten Führungskräften häufig schwer, ist aber gleichzeitig essenziell für die wichtige Identifikation des Produktionsteams mit der Arbeit und der erbrachten Leistung und damit auch dem Unternehmen.

Mitarbeitende stehen bei jeder  Führungsaufgabe im Zentrum. Denn deren Fokus richtet sich immer häufiger mehr auf die privaten Ziele als auf das Erreichen der Unternehmensziele. Wohlfühlfaktoren wie Arbeitsklima Teamwork, Anerkennung, Homeoffice und Work-Life-Balance werden zunehmend  wichtiger im Kampf um qualifizierte Mitarbeitende. Diese Wohlfühlfaktoren passend zu der Persönlichkeit und Position der einzelnen Mitarbeitenden zu schaffen, ohne es dabei aufgrund unterschiedlicher Anschauungen und Sozialisierungen zu Konflikten innerhalb des Teams kommen zu lassen, ist eine tägliche Herausforderung. Ebenso ist es aber die Aufgabe, den Mitarbeitenden in unterschiedlichen Bereichen ein Vorbild zu sein und Sicherheit und Zuversicht zu vermitteln.

Führung ist ein kontinuierlicher Lernprozess

Das Problem einer schlechten Führung ist oft erst zu bemerken, wenn sie über einen längeren Zeitraum nicht hinreichend erfolgt ist. Authentizität, Verbindlichkeit, Klarheit, Verlässlichkeit und Konsequenz sind entscheidende Attribute und machen Führungskräfte selbst beim Wechsel zwischen den Rollen, zum Beispiel vom Coach zum Unternehmer oder vom Entscheider zum Teammitglied, für Mitarbeitende einschätzbar. Stimmt dann noch die Kommunikation und werden Freiräume geschaffen und Delegieren nicht mit Kontrollieren verwechselt, ist ein Vertrauensraum geschaffen, der die Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden fördert.

Auch wenn es so scheint, als wären diese Anforderungen kaum erfüllbar, so ist Führung mit einem gewissen Maß an emotionaler Intelligenz erlernbar und ein stetiger Prozess der Reflexion und Reaktion im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung. Nur die wenigsten bringen alle Attribute einer Führungskraft mit, ohne diese trainieren zu müssen. Gute Führungskräfte zeichnen sich durch die Bereitschaft aus, sich diesem Lernprozess zu stellen und Situationen zu reflektieren.

Der Lernprozess ist umso einfacher, je mehr Kompetenzfelder bereits mit Erfahrung und Wissen belegt sind. Die klassische Empfehlung, Stärken zu stärken, um erkannte Lücken zu schließen und Potenziale zu nutzen, gilt auch für Führungskräfte. Bei Übernahme einer neuen Führungsaufgabe schnell oder idealerweise sogar vorher zunächst eine gute Basis zu schaffen oder zu untermauern ist der empfohlene und sinnvolle Ansatz. Der Auf- oder Ausbau von sicher abrufbarem Fach- und Methodenwissen in den klassischen für den Produktionsleiter zwingend erforderlichen Bereichen Personal-, Qualitäts-, und Kostenmanagement sowie die Fähigkeit, sich im arbeitsrechtlichen Raum sicher zu bewegen, ist wichtig. Dies schafft Freiräume für die ungleich schwierigere Führungsaufgabe und die Entwicklung von Strategien zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit zum Beispiel durch systematische Verschlankung von Prozessen und die Nutzung digitaler Möglichkeiten. Während die grundlegenden Managementkompetenzen klar zu beschreiben sind, liefert die direkte Arbeit mit den Mitarbeitenden immer neue Situationen, in denen zum Beispiel eine falsch verstandene Kommunikation oder eine ungeschickte Mimik bereits erhebliche sachlich unbegründete Folgen in Form von innerer Ablehnung bei den Mitarbeitenden nach sich ziehen kann.

Richtige Entscheidungen erfordern es, in jeder Situation den Zusammenhang zwischen Handlung und Konsequenzen herstellen zu können, den Überblick zu behalten, alternative Möglichkeiten abzuwägen und umsichtig zu agieren, ohne dabei die Entscheidung zu verzögern. Je mehr unbekannte Faktoren vorliegen, umso mehr Energie erfordert diese Aufgabe. Die Übernahme der ersten Führungsaufgabe in einem neuen Unternehmen, ohne Kenntnis des Produktes und ohne Netzwerk, erfordert eine ungleich höhere Anstrengung als die Übernahme der Führungsfunktion in einem bekannten Umfeld mit einer größeren Anzahl mit Erfahrung belegter Faktoren. Es ist daher empfehlenswert, bei Übernahme einer neuen Führungsaufgabe die Wissensbasis zu schaffen und die Anzahl der unbekannten Faktoren nicht zu groß werden zu lassen.

Zur Person

Prof. Dr.-Ing. Lars Ruhbach studierte an der Universität Hannover Maschinenbau und promovierte dort am Institut für Mikrotechnologie. Er arbeitete 12 Jahre bei der Robert Bosch GmbH in unterschiedlichen Führungspositionen, in letzter Tätigkeit als Leiter eines großen hochautomatisierten Produktionsbereiches mit verschiedenen Fertigungstechnologien. Seit 2018 ist er Studiengangleiter der Fachrichtung Produktionstechnik an der Dualen Hochschule Ravensburg am Campus Friedrichshafen. Zusätzlich zu dieser Tätigkeit ist er Geschäftsführer der IWT Wirtschaft und Technik GmbH, berät Firmen bei der Strukturierung und der Transformation ihrer Produktionsbereiche und unterstützt Führungskräfte in der Produktion im Rahmen von Coachings. Er ist Mitglied im Beirat einer Unternehmensgruppe sowie im Aufsichtsrat einer zugehörigen Gesellschaft.

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