Wie messen wir in Zukunft? – Laser-optische Strömungsmesstechniken im Einsatz

Moderne Probleme verlangen nach modernen Lösungen. Dieser Satz gilt auch bei der Entwicklung von Antriebssträngen jeglicher mobilen Anwendungen. Während die Produktlösungen in den letzten Jahren einen Miniaturisierungsprozess durchliefen, fand bei der verwendeten Messtechnik kein solcher Fortschritt statt, insbesondere wenn fluidführende Systeme Abmessungen im Sub-Millimeter beinhalten. Hier liefern Laser-optische Strömungsmesstechniken einen wichtigen Beitrag.

Lokale Informationen häufig besser als integrale Werte

Häufig erscheinen etablierte Messgrößen als ausreichend-genauer Indikator, wenn man mit der Auslegung eines neuen Systems betraut wird. So auch im Fall einer offenen, nasslaufenden Lamellenkupplung, bei der das Schleppmoment als etablierte Größe schon seit einigen Jahrzehnten zur Verfügung steht (Llyod, 1974).
Während die Produktlösungen in den letzten Jahren bedingt durch begrenzten Bauraum und Gewichtseinsparung einen Miniaturisierungsprozess durchliefen, fand bei der verwendeten Messtechnik kein solcher Fortschritt statt.
Das Schleppmoment kann sehr anschaulich als verlustverursachendes Moment im Antriebsstrang während des offenen Zustands der Kupplung gemessen und modelliert werden. Beide Vorgehensweisen - Messen und Modellieren - kommen jedoch an ihre Grenzen. Während die analytische Modellbildung sehr gut für ungenutete Lamellenpakete funktioniert, verliert sie durch die Einführung komplexer Nutgeometrien, wie Radial- Waffel- oder Sunburst-Nut, an Aussagekraft, da teils starke Vereinfachungen getroffen werden müssen. Das Messen der integralen Größe Schleppmoment liefert für ein bereits vorhandenes, messbares System sehr gute Daten über die Güte der Geometrie. Für die Weiterentwicklung und Bildung einer optimalen Nutgeometrie kann die Momentenmessung jedoch nur integrale Werte liefern und so werden lokale Effekte inhärent aufsummiert, wodurch kein Rückschluss zwischen lokaler Geometrieveränderung (Ursache) und des resultierenden Momentes (Wirkung) möglich ist. Die einzige Möglichkeit einer Verbesserung bestünde mittels dieser Messtechnik in aufwendigen Versuch-und-Irrtum-Analysen, welche als unstrukturierte Strategie der Problemlösung stets zu einer geeigneten, jedoch keiner optimalen Lösungsvariante führt.

Dieses Anwendungsszenario bedarf konsequenterweise einer neuartigen Messtechnik, welche in der Lage ist den Detailgrad zu verfeinern und lokal-aufgelöste Daten anstatt eines einzigen Integralwertes zu liefern. Hier können Laser-optische Strömungsmesstechniken helfen, die in der Lage sind die Strömung im Sub-Millimeterbereich einer offenen, nasslaufenden Lamellenkupplung zu quantifizieren. Im Folgenden werden zwei kandidierende Techniken vorgestellt.

Robuste Bauart und leicht zu implementieren - Laser-Doppler Velocity-Profilsensor (LDV-PS)

Eine Möglichkeit einer Auflösung des Geschwindigkeitsprofils besteht mittels des neuartigen LDV-Profilsensors (Leister et al., 2022), welcher in der Lage ist Ort und Geschwindigkeit im Messellipsoid mittels vierer sich kreuzender Laserstrahlen zu messen. Hierbei stellt eine offene, nasslaufende Lamellenkupplung mit einer Spaltbreite von 250-400 µm einen nahezu perfekten Anwendungsfall dar um die Geschwindigkeiten des durchströmenden Öles zu messen. Die Messung basiert auf der Detektion des zurückstreuenden Lichtes kleiner, dem Öl zugeführten, Partikel und dem Dopplereffekt von Licht. Neben winkel-aufgelösten Geschwindigkeitsinformation entlang der gesamten 360° der Lamelle kann auch basierend darauf die Wandschubspannung abgeschätzt werden. Dieser Wert liefert wichtige Informationen über die lokalen Effekte der Nutgeometrien und ergibt integriert wiederum den etablierten Wert des Schleppmoments. Wird im LDV-Sensor eine weitere Laser-Komponente verbaut so kann auch der radiale Ausfluss des Öles gemessen werden, welcher als wichtiger Güte-Parameter für den Lufteinzug und damit eines niedrigeren Schleppmomentes gilt.

Präzise Feldinformationen – Defocusing Particle Tracking Velocimetry

Ist das Ziel der Messungen eine tatsächliche Ursache-Wirkungsbeziehungen in und um die Millimeter-große Nut herzustellen, so sollte die Messtechnik Defocusing Particle Tracking Velocimetry (Defocusing PTV) Verwendung finden. Sie ist ein bildgebendes Verfahren, ähnlich der Messtechnik Particle Image Velocimetry (PIV), kann jedoch 3D3C-Geschwindigkeitsinformationen mittels lediglich einer Kamera liefern. Das physikalische Messprinzip beruht auf dem absichtlichen Defokussieren des Kamera-Objektives um mit Hilfe der Größe der Unschärfe-Ringe die Ortslage im Kupplungsspalt und die Geschwindigkeit zu bestimmen. Da die Technik mit Standard-PIV-Equipment auskommt ist eine leichte Adaptierbarkeit in Bezug auf die räumlichen Abmessungen gegeben. Die Ortsauflösung im Kupplungsspalt ist mit 12 µm ausreichend genau um auch die feinsten Strömungsstrukturen aufzulösen (Leister et al. 2021).

Potentiale erkennen – Voraussetzung optischer Zugang

Beide Messtechniken haben in vergangenen Experimenten ihre Eignung für den Anwendungsfall des Kupplungsspaltes einer offenen, nasslaufenden Lamellenkupplung unter Beweis gestellt. Methodisch können beide Laser-optische Strömungsmesstechniken jedoch bei vielen weiteren Szenarien Verwendung finden. Voraussetzung dafür ist die Möglichkeit lediglich eines optischen Zugangs zum fluidführenden System und die Zugabe von Partikeln in die zu untersuchende Flüssigkeit oder Gas.

Abschließend betrachtet bietet sich die Kombination von LDV-PS und Defocusing PTV als Diagnose-Werkzeug für eine Vielzahl weiterer industrieller Anwendungsszenarien an, die ähnliche geometrische Abmessungen wie eine offene Lamellenkupplung aufweisen. Hier ist perspektivisch gesehen großes Potential vorhanden um mittels Laser-optischen Strömungsmesstechniken fein-aufgelöste Geschwindigkeits- und Ortsinformationen zu erhalten und damit genaue Ursache-Wirkungsbeziehungen abzuleiten.

Weitere Informationen rund um beide Messsysteme können auf der VDI-Fachtagung Kupplungs- und Bremssysteme 2023 in Karlsruhe vom 24.-25. Mai in Erfahrung gebracht werden.

Literaturverzeichnis: 

Lloyd, 1974: F. A. Lloyd. Parameters contributing to power loss in disengaged wet clutches. SAE Transactions, 83:2498–2507, 1974

Leister et al., 2021: R. Leister, T. Fuchs, P. Mattern, and J. Kriegseis. Flow-structure identification in a radially grooved open wet clutch by means of defocusing particle tracking velocimetry. Experiments in Fluids, 62(2): Article: 29, 2021.

Leister et al., 2022: R. Leister, S. Pasch, and J. Kriegseis. On the Applicability of LDV Profile-Sensors for periodic Open Wet Clutch Flow Scenarios. Experiments in Fluids, 63(8): Article: 134, 2022.