Zielgerichtete Qualifizierung von Rezyklaten

DIN SPEC 91446 eröffnet neue Perspektiven für automobile Anwendungen

Mit der Ende 2021 veröffentlichten DIN SPEC 91446 wurde ein wesentlicher Meilenstein erreicht: Die Norm gibt erstmals einen einheitlichen Standard für die Klassifizierung von Kunststoffrezyklaten auf Grundlage der verfügbaren Datentiefe und entsprechender Kennzeichnung vor.

Auch wenn das Thema nicht in diesem Jahr vor Ort auf der PIAE diskutiert werden kann – die Auseinandersetzung mit Rezyklaten und ihre gezieltere Nutzung gerade auch im Automobilbau wird die Branche auf Jahre hinaus beschäftigen. „Es ist sehr begrüßenswert, dass die neue DIN („Klassifizierung von Kunststoff-Rezyklaten durch Datenqualitätslevel für die Verwendung und den (internetbasierten) Handel“) nun einen Rahmen vorgibt und Standards setzt – mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen“, unterstreicht Martin Doedt, Geschäftsleitung Labor des Kunststoff-Instituts Lüdenscheid GmbH.

Materialien gezielt auswählen

Die Vorgaben der Norm werden sehr hilfreich sein, beispielsweise um im Automobilbau hochwertige Materialien für Interieuranwendungen vorzuselektieren, ist der Kunststoffexperte überzeugt: „Die Norm kann zu mehr Klarheit beitragen, welche Eigenschaften und welche Anwendungsmöglichkeiten von den Materialien zu erwarten sind – aber auch wo die jeweiligen Grenzen liegen.“ Sicherlich werden OEMs und Zulieferer stets noch genauere Lieferantenspezifikationen für die Serienfertigung definieren, um ihren individuellen Anforderungskatalogen gerecht zu werden. Martin Doedt: „Der Standard ist da – nun sollte er kontinuierlich weiterentwickelt und mit Leben gefüllt werden.“

Rezyklate für den Automobilbau

Die neue Norm soll entscheidend dazu beitragen, ein hochwertiges Recycling und den wirtschaftlichen Einsatz von Sekundärrohstoffen zu ermöglichen. Dazu basiert die DIN SPEC 91446 auf einem alle Polymerarten umfassenden Ansatz. Sie legt ein System zur Einstufung von Kunststoffrezyklaten fest, das die bestehenden Hindernisse für deren industriellen Einsatz abbauen soll. Zudem definiert sie Methoden, mit denen sich Rezyklate und Rezyklatanteil von Kunststoffmaterialien eindeutig identifizieren und kennzeichnen lassen. Der neue Standard soll den Akteuren entlang der gesamten Wertschöpfungskette somit künftig als gemeinsame Sprache dienen.

Ökologischer Nutzen

Martin Doedt macht weiter deutlich: „Den Marktteilnehmern sollte dabei stets bewusst sein, dass Rezyklate nicht vornehmlich dazu da sind, um weiter Kosten zu reduzieren.“ Entsprechend gute Materialqualitäten haben ihren Aufwand in der Herstellung – und damit auch ihren Preis. Der ökologische Nutzen dürfte dabei unbestritten sein: Mehr als 15 Millionen Tonnen Kunststoff gelangen weiterhin jedes Jahr in die Weltmeere. Kunststoffabfälle für den Wiedereinsatz in gleich- oder höherwertigen Produkten aufzubereiten, bleibt daher eine Herausforderung.

Der Fachmann des Kunststoff-Instituts verbindet damit aber auch durchaus optimistische Erwartungen: „Angesichts der Situation auf den globalen Märkten und den anhaltenden Lieferschwierigkeiten kann die zunehmende Nutzung von Rezyklaten eine Chance für die europäischen Märkte und insbesondere für die mittelständisch geprägte Industrie sein. Der Veränderungsprozess auf diesem Weg ist längst im Gang.“

Emissionen senken durch Prozessoptimierung

Mehr Umwelteffizienz, weniger Emissionen – so lautet ein Metaziel in der Kunststoffverarbeitung, nicht nur was Rezyklate angeht. Aktuell nimmt das Kunststoff-Institut umfassende Emissonsanalysen zu Spritzgussverfahren vor und rechnet im Laufe des Frühjahrs 2022 mit Detailergebnissen. „Schon jetzt ist klar erkennbar, dass man Prozesse weiter gezielt in Emissionshinsicht optimieren kann“, schildert Doedt weiter. In Verbindung mit der Norm, die klarer erkennbar macht, welche Rezyklat-Materialien sich für den anspruchsvollen Automobilbau eignen, ergeben sich vielfältige Perspektiven und vielversprechende neue Anwendungsfelder. Mehr als genug Gesprächsstoff ist somit also auch für die PIAE im kommenden Jahr am 21. und 22. Juni 2023 gegeben.

Weitere Informationen bietet dazu auch das Kunststoff-Institut unter www.dql.expert

Ein Interview mit Martin Doedt, Geschäftsleitung Labor des Kunststoff-Instituts Lüdenscheid GmbH