„Die Landtechnik steht vor einem grundlegenden Wandel“

Jan-Hendrik Mohr ist CEO des weltweit tätigen Landtechnikherstellers CLAAS aus dem westfälischen Harsewinkel. Das Familienunternehmen ist europäischer Marktführer bei Mähdreschern und Weltmarktführer bei Feldhäckslern. Zum Portfolio zählen auch Traktoren, landwirtschaftliche Pressen und Grünfutter-Erntetechnik sowie Radlader, Teleskoplader und digitale Kundenlösungen. Auf dem 24. Internationalen VDI-Kongress Dritev wird Jan-Hendrik Mohr über die Entwicklung von Antriebstechnologien in Landmaschinen sowie den Herausforderungen im Antriebsstrang landwirtschaftlicher Maschinen sprechen. Im Interview beantwortet er vorab unsere Fragen.

Herr Mohr, was sind aktuell die wesentlichen Herausforderungen bei der Entwicklung von Antriebsstrang-Technologien in Landmaschinen?

Jan-Hendrik Mohr: Die Frage nach dem richtigen Antrieb ist auf jeden Fall eine Frage, die uns bei CLAAS schon immer beschäftigt und beschäftigen wird. Angefangen von gezogenen Mähbindern vor mehr als 100 Jahren bis hin zur heutigen Entwicklung von Großtraktoren, selbstfahrenden Mähdreschern und Feldhäckslern, sind wir immer auf der Suche nach neuen technologischen Lösungen für unsere Kunden aus der Landwirtschaft.

Zu den bereits etablierten Technologien bei der Optimierung des Antriebsstrangs zählen unsere stufenlosen Getriebe, unser branchenführendes Fahrerassistenz- und Prozessoptimierungssystem sowie die bodenschonende Raupenlaufwerke und Reifendruckregelanlagen – gemeinsam haben sie das Ziel, unseren Kunden immer effizientere Landmaschinen für noch nachhaltigeres Wirtschaften anbieten zu können.

Darüber hinaus sehen wir, wie sich der Markt und die Rahmenbedingungen verändern und dass die Nachfrage nach alternativen Antrieben steigt. Die neuen Lösungen müssen jedoch die Anforderung einer Effizienzsteigerung und zugleich einer erhöhten Ressourcenschonung zu einer gesamt nachhaltigen Produktivitätssteigerung miteinander vereinen – jeweils mit unserem Anspruch der Praktikabilität und finanziellen Umsetzbarkeit. Gerade wir als Familienunternehmen und Landtechnikhersteller sind uns unserer Verantwortung für zukünftige Generationen sehr bewusst und streben hier nach langfristigen Lösungen, die nicht nur in der Theorie, sondern in der Praxis echte Nachhaltigkeitseffekte erzielen. Dazu gehört auch der Blick auf den Ersatz von zum Beispiel fossilen Energieträgern für den Antrieb landwirtschaftlicher Maschinen.
 

Welche Bedeutung können alternative Antriebe in landwirtschaftlichen Maschinen in Zukunft haben?

Jan-Hendrik Mohr: Die Landwirtschaft ist ein komplexer Wirtschaftssektor und braucht individuelle Ansätze aufgrund unterschiedlicher Anforderungen und vielfältige Anwendungsbereiche. Im Pkw-Bereich haben sich zum Beispiel batterieelektrische Antriebe und Plug-In-Hybride als Leittechnologien herauskristallisiert, da sich diese Lösungen als praktikabel herausgestellt haben.

In der Landwirtschaft haben wir saisonal unterschiedliche Anforderungen. Diese reichen von regelmäßigen und leichten Hof- und Feldarbeiten bis hin zu dem Einsatz von leistungsstarken Maschinen wie Großtraktoren und Erntemaschinen. Letzterer erfordert eine hohe Maschinenleistung und -auslastung mit gleichzeitig hohem Energiebedarf bei einer praxistauglichen Reichweite. Darüber hinaus kommen häufig nicht nur Einzelfahrzeuge, sondern Maschinenflotten mit teils mehr als zehn Großmaschinen zum Einsatz – sodass sich der Energiebedarf in einem vorgegebenen, häufig zeitlich stark limitierten Zeitraum wie beispielsweise der Getreide- und Maisernte multipliziert. Das heißt, in der Landtechnik haben wir andere speziellere Anforderungen als in anderen Wirtschaftszweigen. Folglich haben wir hier keinen 1-zu-1-Vergleich mit anderen Branchen, aber wir schauen uns als Referenz zum Beispiel die Entwicklungen der LKW- und Baumaschinenindustrie an. 
 

Welche Technologien haben Sie dabei besonders im Fokus?

Jan-Hendrik Mohr: Aktuell schauen wir uns verschiedene Ansätze an, von batterieelektrischen Antrieben über Gas-betriebene Lösungen bis hin zu umweltverträglichen Flüssigkraftstoffen.

Die Herausforderung liegt darin, dass der Einsatz alternativer Antriebe häufig die Maschinenarchitektur hinsichtlich des benötigen Bauraums und des Gewichtes komplett verändert, und darüber hinaus eine erhebliche Investition in die Infrastruktur der landwirtschaftlichen Betriebe nach sich ziehen kann, um die Bereitstellung der Ressourcen sicherzustellen.

Ein batterieelektrischer Antrieb ist beispielsweise bei kleinen Traktoren zukünftig eine geeignete Alternative. Hinsichtlich der Verwendung bei Großtraktoren ist die Lösung unpraktikabel, da die Maschine zu groß und zu schwer wird, um genug Energie für einen Arbeitstag mitzuführen oder häufiges Nachladen zeitlich nicht möglich ist. Damit wird die Lösung ineffizient, kostenintensiv wie auch alles andere als bodenschonend.

Folglich liegt in unserer intensiven Prüfung nicht nur die technischen Herausforderungen, sondern auch die Hofinfrastruktur sowie zukünftige Energieverfügbarkeit auf landwirtschaftlichen Betrieben.
 

Welche alternativen Antriebe werden primär eine Rolle in der Landtechnik spielen?

Jan-Hendrik Mohr: Der batterieelektrische Antrieb ist für hofnahe und kommunale Anwendungen mit geringem Energiebedarf gut geeignet, etwa für „kleine“ Traktoren bis 150 PS. Dies haben wir schon auf der AGRITECHNICA 2023 mit dem Prototyp des SCORPION 732e gezeigt.

Der Einsatz bei Großmaschinen für den Ackerbau ist aktuell abhängig von der allgemeinen Entwicklung der Technologien sowie der Schaffung der politischen Rahmenbedingungen. Wichtig zu betonen ist, dass wir als CLAAS der Frage nach alternativen Antrieben technologieoffen begegnen.

Außerdem bedeutet für uns eine nachhaltige Produktivitätssteigerung und Umweltverträglichkeit, dass die Betrachtung über die gesamte Prozesskette notwendig ist. Die Steigerung der Maschineneffizienz soll insgesamt erhöht werden, d.h. neben Überlegungen zu alternativen Antrieben gehören dazu beispielsweise auch eine gesteigerte Prozesseffizienz mithilfe vernetzter Maschinen und die Optimierung der Bedienung durch smarte Automatisierung.

Quelle: CLAAS

Jan-Hendrik Mohr ist CEO des weltweit tätigen Landtechnikherstellers CLAAS. In seiner Keynote befasst er sich mit unterschiedlichen Ansätzen und den besonderen Herausforderungen bei der Entwicklung von Antriebsstrang-Technologien für Landmaschinen.