„eFuels sind eine tragende Säule der Transformation“

Dr. Monika Griefahn erwartet große Bedeutung synthetischer Kraftstoffe sowohl im Fahrzeugbestand als auch für zukünftige Neufahrzeuge.

Viele Experten sind sich einig: Die CO2-Ziele im Verkehrssektor lassen sich in überschaubaren Zeiträumen nur dann erreichen, wenn auch die Bestandsflotten mit betrachtet werden. Sogenannte eFuels könnten – angefangen als Beimischung – hier zu einer sukzessiven Verringerung von CO2-Emissionen führen. „Ohne Verbrennungsmotor kein Klimaschutz“, so lautet der Titel einer Podiumsdiskussion beim Internationalen Motorenkongress (27. und 28. Februar 2024, Baden-Baden). Zu den Teilnehmenden zählt Dr. Monika Griefahn, Vorstandsvorsitzende der eFuel Alliance e. V. Im Interview erläutert sie die Perspektiven, die Kraftstoffe auf Basis erneuerbarer Energien für den Klimaschutz eröffnen, und beschreibt, welchen Hemmnissen und Herausforderungen sich die Pioniere in diesem Bereich gegenübersehen.

Frau Dr. Griefahn, haben Sie bei eFuels insbesondere die Bestandsflotten im Blick, um deren CO2-Emissionen zu reduzieren, oder denken Sie auch an kommende, neue Fahrzeuggenerationen?

Dr. Griefahn: Wir denken eFuels im Straßenverkehr vollumfänglich. Sicherlich stellen eFuels insbesondere für den weltweiten Bestand von rund 1,3 Milliarden Fahrzeugen die einzige Lösung für einen klimaneutralen Betrieb dar und spielen hier ihr größtes Potenzial aus. Vor allem in Regionen, in denen die Energiewende aufgrund politischer, gesellschaftlicher oder topografischer Begebenheiten langsamer vonstatten geht als notwendig, erneuerbarer Strom rar bleibt und E-Fahrzeuge zu teuer sind, sind eFuels eine tragende Säule der Transformation. Durch ihren chemisch identischen Aufbau zu fossilen Kraftstoffen und ihre Drop-In-Fähigkeit, also die Möglichkeit, sie gängigen Kraftstoffen beizumischen, ist Klimaschutz so schrittweise und bezahlbar realisierbar.

Aber auch in Europa und anderswo werden wir neue Fahrzeuggenerationen sehen, die rein mit eFuels betrieben werden. Automobilhersteller konzentrieren sich zwar innerhalb Europas auf die Elektrifizierung ihrer Flotten, doch weltweit wird uns der Verbrenner noch lange begleiten.

Welche Voraussetzungen – ob von der Politik oder der Wirtschaft – sind noch zu schaffen, damit wir eFuels in größerer Verfügbarkeit am Markt sehen werden?

Dr. Griefahn: Die bisherigen Entscheidungen auf europäischer Ebene sind nicht konsequent genug und verzögern eher einen schnellen Markthochlauf von eFuels. Erschwerend kommt hinzu, dass durch restriktive Ansätze zum Beispiel in der Erneuerbaren Energien Richtlinie eFuel-Produzenten auch noch daran gehindert werden, bestimmte im nicht-europäischen Ausland produzierte klimaneutrale Kraftstoffe auf den europäischen Markt zu bringen, weil sie CO2 aus Punktquellen – zum Beispiel einem Zementwerk – nutzen, die nicht in einem dem europäischen Emissionshandel ähnlichen Bepreisungssystem integriert sind. Hier muss dringend nachgebessert und der globale Ansatz in Punkto Klimaschutz gesetzlich verankert werden.

Investitionen in Forschung und Entwicklung sind weiterhin wichtig. Vor allem Technologien wie Kohlenstoffabscheidung, -Speicherung und -Nutzung (CCUS) oder Direct-Air-Capture (DAC) sind unmittelbar mit dem Hochlauf von klimafreundlichen Kraftstoffen verknüpft und brauchen für eine schnelle Implementierung und Skalierung einen entsprechenden Nährboden. Aber entscheidend sind nun die Investitionen in große, industrialisierte Produktionsanlagen, um die notwendigen Mengen zur Verfügung zu stellen und über die Skaleneffekte auch wettbewerbsfähige Preise zu ermöglichen.

Hätte Euro7 nicht die Chance gegeben, ein klares Signal für eFuels auszusenden?

Dr. Griefahn: Die Euro7-Typenregulierung war ein Hebel, eFuels für den Straßenverkehr nutzbar zu machen. Mit Euro7 bestand die Möglichkeit, eine Typgenehmigungsklasse für Fahrzeuge zu definieren, die ausschließlich mit erneuerbaren Kraftstoffen betrieben werden. Diese Chance wurde verpasst. Sicherlich wäre eine positive Entscheidung ein hilfreiches Zeichen gewesen. 

Nichtdestotrotz legen vor allem die CO2-Flottenregulierungen für PKW und leichte Nutzfahrzeuge sowie die für schwere Nutzfahrzeuge die Klimaziele für Neufahrzeuge fest. Durch die reine Fixierung auf den Auspuff des Fahrzeuges werden Verbrennerfahrzeuge defacto verboten, weil auch ein mit 100% eFuels betriebener Verbrenner immer eine lokale CO2-Emission aufweist. Erst mit einer Gesamtbetrachtung, die den Energieträger mit einbezieht, kommen wir zu einer fairen Betrachtung verschiedener Technologien. Hier wird weiterhin eine Entscheidung zur Zulassung von ausschließlich mit eFuels betriebenen Verbrennern ab 2035 von der EU-Kommission erwartet.

Welche Produktionsverfahren werden aus Ihrer Sicht primär eine Rolle spielen? Wo werden diese eFuels schwerpunktartig hergestellt werden?

Dr. Griefahn: Ausgangspunkt für eFuels ist ebenso wie für alle anderen Klimatechnologien erneuerbare Energie. Mit erneuerbarem Strom wird mittels Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Der extrahierte Wasserstoff wird mit CO2 aus der Umgebungsluft angereichert und so zu Kohlenwasserstoffen. Über verschiedene Syntheserouten, beispielsweise der Fischer-Tropsch- oder Methanol-Route entstehen dann flüssige oder gasförmige Kraftstoffe für den Straßen-, See- oder Luftverkehr.

Als Ausgangspunkt für alle weiteren Schritte ist die Elektrolysetechnologie Kern und Säule der eFuel-Produktion. Die nachgelagerten Syntheserouten habe sich in vielen Bereichen bewährt und werden seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt. Weitere Investitionen in Forschung und Entwicklung werden langfristig die Effizienz von Elektrolyseuren steigern.

Von Kritikern werden eFuels oft pauschal als „nicht wirtschaftlich“, „nicht großserientauglich“ oder „noch nicht praxiserprobt“ abgetan? Was entgegen Sie diesen Meinungen?

Dr. Griefahn: Anfang 2023 versorgten knapp 30.000 Windkraftanlagen 25 % des deutschen Strommarktes. Vor rund 40 Jahren war Windkraft alles andere als wirtschaftlich, serientauglich oder praxiserprobt. Beim sogenannten „Growian“, einer Windkraft-Pilotanlage 1980 in Brunsbüttel, kostete eine Kilowattstunde fünf D-Mark. Heute liegen die Kosten pro Kilowattstunde bei wenigen Cent. Für eine so tiefgreifende Transformation braucht es Vertrauen, Mut und Investitionen in neue Technologien. Ohne einen Vertrauensvorsprung der Politik in die Elektromobilität würde dieser Markt ebenfalls noch vor dem Hochlauf stehen.

Letztendlich zählt aber, dass es keine pauschale Antwort auf das Verkehrssystem der Zukunft gibt. eFuels werden in zahlreichen Bereichen gebraucht, vor allem für den Bestand, für schwere Nutzfahrzeuge sowie in der Luft- und Schifffahrt. Verhindern wir aufgrund ideologischer Bedenken die Entstehung eines Massenmarktes für eFuels, lässt sich die Nettonull nie erreichen.

Welche Preisentwicklung erwarten Sie im Bereich der eFuels?

Dr. Griefahn: eFuels werden, unabhängig vom Verkehrsbereich, vorerst schrittweise beigemischt. Das ist gesetzlich vor allem in den Bereichen Luft- und Schifffahrt so vorgesehen. Während eine Reinbetankung mit eFuels aufgrund hoher Produktionskosten bis 2030 noch unwirtschaftlich erscheint, macht sich eine Beimischung von beispielsweise 5 % beim jeweiligen Endprodukt hingegen nur um einen Cent-Betrag bemerkbar und würde beispielsweise im Straßenverkehr 60 Millionen Tonnen CO2 jährlich einsparen. So können die Mehrkosten für den jeweiligen Kraftstoff während des Markthochlaufs jedoch geringgehalten werden. 

Die Marktentwicklung und damit auch künftige Produktionskosten hängen von vielen Faktoren, jedoch maßgeblich von der Gesetzgebung ab. Die bislang sehr strengen europäischen Vorgaben zur Herstellung von grünem Wasserstoff als Basis für eFuels erschwert eine schnelle Skalierung und einhergehende Preissenkungen in der Herstellung. Zahlreiche Studien belegen jedoch, dass mit ausreichend politischer Ambition, technologischem Fortschritt und sinkenden Kosten für erneuerbare Energie, Produktionspreise von E-Kraftstoffen für Straßen-, Luft- und Seeverkehr unter 2 Euro pro Liter erreicht werden können.

Wie viel Zukunft hat Ihrer Meinung nach der Verbrennungsmotor noch im Pkw bzw. im Nutzfahrzeug?

Dr. Griefahn: Der Verbrennungsmotor ist in manchen politischen Lagern nicht mehr gewollt, was in klaren Elektrostrategien der Automobilhersteller mündete. Doch diese verabschieden sich in vielen Fällen keineswegs vom Verbrenner. Nach aktuellem regulatorischem Stand in Europa verschiebt sich der Markt von Verbrennern nur ins außereuropäische Ausland, wo Produktion und Verkauf fortgesetzt werden. Der Verbrennungsmotor wird uns also noch viele Jahrzehnte begleiten. In Form eines massiven Bestands an Verbrennungsfahrzeugen bis 2050 und weltweiten Neuzulassungen auch nach 2035. 

Ferner erwarten wir weiterhin eine Entscheidung von der EU-Kommission, ob und inwieweit Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 zugelassen werden dürfen, wenn sie ausschließlich mit eFuels betrieben werden. Nicht zuletzt wird auch der Markthochlauf und die Marktdurchdringung von E-Fahrzeugen bis 2030 eine entscheidende Rolle bei der Einschätzung spielen, ob eFuels möglicherweise einen größeren Stellenwert im Straßenverkehr eingeräumt bekommen. Medienberichten und Experten zufolge erhärten sich die Zweifel am Erreichen der jeweiligen Ziele. Die letzte Stunde hat hier noch nicht geschlagen.


Weitere Informationen, das vollständige Programm und die Möglichkeit zur Anmeldung finden sich auf www.motorenkongress.de

Zur Person:

Dr. Monika Griefahn

Vorstandsvorsitzende eFuel Alliance, e.V., hält beim 11. Internationalen Motorenkongress eine Keynote zum Thema "eFuels und ihr Beitrag zur klimaneutralen Mobilität" und nimmt an der Podiumsdiskussion "Ohne Verbrennungsmotor kein Klimaschutz" teil.