Mit Automation den Weg zur klimaneutralen Produktion beschleunigen

Eine Analyse der Antriebe für Prozessarmaturen zeigt Möglichkeiten von Automation und Predictive Maintenance auf

Klimaschädliche Kohlendioxid-Emissionen (CO2) entstehen im gesamten Herstellungsprozess von Produkten: von Rohstoffen und Vorprodukten über Entwicklung und Produktion bis zum Transport. Auf dem Weg in eine klimaneutrale Produktion arbeiten Unternehmen daran, die CO2-Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu erfassen und zu dokumentieren – und sie schließlich auch zu reduzieren. Einblicke in eine beispielhafte Betrachtung von Druckluftanwendungen geben Dr.-Ing. Eckhard Roos, Festo SE & Co. KG, Esslingen, Prof. Dr.-Ing. Andreas Ortwein, Hochschule Merseburg, und B. Eng. Ketan Jikadra, PA Solutions, Ludwigshafen, im Zuge des VDI-Kongresses Automation. Denn bei der Festlegung von Automatisierungskonzepten dürfte zukünftig dem Product Carbon Footprint (PCF) und dem Energieverbrauch über den Lebenszyklus hinweg eine stärkere Bedeutung zukommen.

Erstmals haben die drei mit ihrer Studie den PCF über den kompletten Lebenszyklus beispielhafter pneumatischer Antriebe für Prozessarmaturen betrachtet und zeigen dabei Optimierungsmöglichkeiten auf. „Die Beispiele in unserer Untersuchung machen deutlich, dass durch eine Verringerung der Drehmomentreserve der PCF über den Lebenszyklus signifikant reduziert werden kann“, fasst Dr. Roos zusammen. In der Untersuchung wurde die definierte Drehmomentreserve halbiert auf 25 Prozent des maximalen Drehmomentbedarfs des Ventils. Die Folge: Kleinere Antriebe können für dieselbe Aufgabe genutzt werden.

CO2eq-Emissionen kumuliert über 20 Jahre bei verschiedenen Antriebsgrößen und Schalthäufigkeiten

Product Carbon Footprint optimieren

Der PCF des Antriebs bei der Herstellung wurde um 30 Prozent reduziert, das heißt, bei der Herstellung des kleineren Antriebs werden nur noch 70 Prozent der CO2-Äquivalente im Vergleich zum größeren Antrieb erzeugt. Der zweite Anteil des PCF über den Lebenszyklus bildet die CO2eq-Emission durch die benötigte Energie im Produktionsbetrieb. „Diese Emissionen hängen von zwei Faktoren ab: zum einen vom Druckluftverbrauch selbst und zum anderen von den Emissionen, die mit der Erzeugung der Energie verbunden sind, die zur Erzeugung der Druckluft erforderlich ist“, schildert Roos weiter: „Der Druckluftverbrauch ist geringer bei Nutzung kleinerer Antriebsbaugrößen und hängt natürlich auch noch ab von der Anzahl der Schaltungen im Prozess.“

PCF-Anteile in Fertigung und Betrieb

Die mit der Erzeugung der Energie verbundenen Emissionen variieren wiederum abhängig vom eingesetzten Energiemix – im Bestfall betragen diese Emissionen null bei ausschließlicher Verwendung grüner Energie. Roos erklärt weiter: „Da wir momentan noch kein sehr ausgeprägtes Gefühl für CO2eq-Emissionen über den Lebenszyklus haben, haben wir Sensitivitätsanalysen in Bezug auf die Schalthäufigkeiten der Antriebe im Prozess durchgeführt. Varianten waren dabei eine beziehungsweise fünf Schaltungen pro Stunde, die damit sicherlich näher an Prozessen der chemischen Industrie als der Fertigungstechnik liegen. Und wir haben konstant CO2eq-Emissionen angenommen, die den Energiemix in Deutschland in 2018 repräsentieren, bei einem Betrachtungsraum von 20 Jahren. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass bei niedriger Schalthäufigkeit mit etwa einer Schaltung pro Stunde der Anteil des PCF der Herstellung den Life Cycle-PCF des Antriebs unabhängig von der Antriebsgröße dominiert.“ Für fünf Schaltungen pro Stunde im Prozess ergeben sich Anteile von rund 20 Prozent für den PCF in der Herstellung im Vergleich zum Life Cycle des Antriebs.

 

Vorausschauende Wartung spart CO2

Predictive Maintenance bilde daher einen entscheidenden Faktor für die weitere Optimierung. „Üblicherweise wird die Drehmomentreserve von Antrieben so ausgelegt, dass über den Lebenszyklus der Anlage aus möglichen Fehlerfällen keine Störungen wie der Bruch einer Antriebsfeder oder die Zunahme des Drehmomentbedarfs des Ventils resultieren sollten. Da in der Anlage oft kein Monitoring der Prozessventileinheit erfolgt, wählt man bei der Projektierung eine hohe Drehmomentreserve, um gegen möglichst viele Störungsursachen in 20 oder mehr Jahren Produktion gewappnet zu sein“, erläutert Roos.

Überwacht man aber die Einheit und hat mithilfe dieses gezielten Monitorings die Möglichkeit, Änderungen im Prozess – wie zunehmende Reibung – zu erkennen,  lassen sich ungeplante Ausfälle aufgrund derartiger Fehlermechanismen durch eine gezielte Wartung der als problembehaftet identifizierten Komponenten vermeiden. Dies wiederum ist die Voraussetzung für die Nutzung kleinerer Antriebe mit geringerer Drehmomentreserve sowie kleinerem PCF in Herstellung in Betrieb.  

Kriterium für zukünftige Investitionsentscheidungen

Diese Studie macht deutlich, wie ein kontinuierliches Monitoring die Auslegung von Antrieben mit niedrigerer Drehmomentreserve ermöglicht und welche Auswirkungen dies auf den Lebenszyklus-PCF hat. Die Teilnehmenden des VDI-Kongresses Automation 2023 können somit auf wegweisende Einblicke gespannt sein. Ein erster Ansatz zur Bestimmung des PCF in der Herstellung komplexerer Systeme wurde vom Verband der Elektroindustrie (ZVEI) 2022 vorgestellt. Für einen Schaltschrank, der aus vielen verschiedenen Produkten unterschiedlicher Unternehmen besteht, wurde die automatisierte Ermittlung des PCF demonstriert – ein repräsentatives Beispiel für unterschiedliche Applikationen in der Industrie. Weiterhin wurde ermittelt, welche Auswirkungen ein Hinzufügen oder Austauschen von einzelnen Komponenten auf den Gesamt-PCF des Schaltschrankes hat. Eine darüberhinausgehende Betrachtung der Energieverbräuche kann dann den gesamten Life Cycle-PCF des Schaltschrankes in der Produktionsanlage liefern.

Dr. Roos sagt abschließend: „Generell sollte aus meiner Sicht eine Betrachtung der CO2eq-Emissionen über den Lebenszyklus bei der Entscheidung von Automatisierungskonzepten für Neuanlagen oder größeren Anlagenerweiterungen als zusätzliches Kriterium herangezogen werden. Dies zu implementieren, wird aber ein langer Weg sein. Und wie schwer wir uns mit zusätzlichen Entscheidungskriterien tun, zeigt schon der wesentlich einfachere Fall, Lebenszykluskosten als Kriterium bei Investitionsentscheidungen zu etablieren.“ 

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