Risikominimierung beim Betrieb von Verdunstungskühlanlagen durch bedarfsgerechten Einsatz von Bioziden

Um das von weit über 20.000 Verdunstungskühlanlagen ausgehende Gesundheitsrisiko zu minimieren, sind in der seit 2017 gültigen 42. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) technische und organisatorische Pflichten bei der Errichtung und dem Betrieb von Verdunstungskühlanlagen geregelt. Bereits 2015 wurde mit der VDI 2047 Blatt 2 eine Technische Regel mit umfangreichen Hygieneanforderungen für diese Anlagen veröffentlicht, auf deren Inhalte die Verordnung ausdrücklich verweist. 

Das Bestreben nach einem hygienisch sicheren und technisch einwandfreien Anlagenbetrieb ist die Basis für den Betreiber, der je nach Anlagenausführung und Aufstellungsplatz für viele Menschen eine entsprechende Verantwortung trägt. Für Betreiber ist es daher unabdingbar, dass die Betreiberverantwortung wahrgenommen wird. Ergänzend zur gesetzlichen Regelung und dem Technischen Regelwerk stehen für Betreiber weitere Informationsquellen zu Hintergründen und Interpretationen zur Verfügung. Neben dem für Behörden verbindlichen LAI-Katalog zu den Fragestellungen der 42.BImSchV stehen auf der Homepage vom VDI auf der FAQ-Seite der VDI 2047 viele Informationen zur Verfügung. Der Kommentar zur Richtlinienreihe VDI 2047 dient als praxisnahes Nachschlagewerk. Zudem sollten alle an der Anlage tätigen und dafür verantwortlichen Mitarbeitenden die nötigen Kenntnisse der Kühlturmhygiene nachweisen können, die über definierte VDI 2047 Schulungen erworben werden können. 

Das Vertrauen in die anforderungskonforme Fahrweise des Betreibers ist gut – eine regelmäßige Kontrolle ist besser. Neben den erforderlichen Kontrollen durch regelmäßige Laboranalysen fordert die 42.BImSchV die regelmäßige Überprüfung der Anlagen (spätestens alle 5 Jahre) durch Sachverständige. Diese Überprüfung beinhaltet vor allem die Wahrnehmung der Betreiberverantwortung und der daraus resultierenden Aufgaben im Betrieb und der Dokumentation. 

Dokumentation des Einsatzes von Bioziden erforderlich

Seit 2023 haben ö.b.u.v. Sachverständige (IHK) durch eine neue IFS-Liste bei dieser Überprüfung auch den Einsatz von Bioziden zu betrachten und zu dokumentieren. Bei Sachverständigen-Überprüfungen nach § 14 der 42.BImSchV sollte der Einsatz von Bioziden regelmäßig abgefragt und überprüft werden, ob der Betreiber den Einsatz der Biozide dokumentiert und Alternativen geprüft hat. Es muss ein Konzept zur Wasserbehandlung vorliegen und der Betreiber benötigt einen Maßnahmenplan. Über ein Betriebstagebuch ist der Betrieb umfangreich zu dokumentieren.

Die VDI 2047 Blatt 2 besagt, dass auf die Verwendung von Bioziden, wann immer möglich, zu verzichten ist. Des Weiteren gilt das Minimierungsgebot und es sind abwasserrechtliche Auflagen einzuhalten. Die Praxis zeigt, dass zur Minimierung der mikrobiologischen Vermehrung und zur schnellen Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Anlagenbetriebs, gerade bei Überschreitungen mikrobiologischer Prüf- oder Maßnahmenwerte, der Einsatz von Bioziden oft unerlässlich ist. Darüber hinaus ist es zielführend, die Ausbildung von Biofilmen durch den kontrollierten Einsatz von Bioziden zu minimieren. 

Minimierungsgebot Biozide vs. Risikominimierung Hygienerisiko

Die Risiken durch Legionellen in Aerosolen von Verdunstungskühlanlagen sind eine latente Gefahr, die man im Auge behalten muss. Dieses Risiko wird häufig durch den Einsatz von Bioziden oder anderen Maßnahmen begrenzt.   Die Risiken durch den Einsatz von Bioziden als Gefahrstoff mit teilweise gesundheitsgefährdenden und korrosionsfördernden Eigenschaften und abwasserseitige Belastungen sind jedoch auch nicht zu vernachlässigen. Es besteht somit ein Zielkonflikt zur Minimierung von zwei Risiken:

Die Auswahl und die richtige Dosierung von Bioziden ist eine anspruchsvolle Aufgabe für den Betrieb von Verdunstungskühlanlagen, die in enger Abstimmung mit Fachfirmen erfolgen sollte und das Minimierungsgebot berücksichtigt. Beim Betrieb vieler Systeme (z.B. Einkreiskühler mit hohen Betriebstemperaturen und organischem Eintrag) wird es nicht möglich sein, ganz auf den Einsatz von Bioziden zu verzichten. Es sollten jedoch immer auch Alternativen geprüft werden. Die Einsatzhäufigkeit und die Einsatzmengen sollten jedoch stets an den Bedarf angepasst werden, um so Überdosierungen zu vermeiden. Es stehen auf dem Markt inzwischen auch alternative Methoden (teilweise ohne Einsatz von Bioziden) zur Verfügung. 

VDI-Fachkonferenz "Legionellen aus Rückkühlwerken" und VDI NRW Netzwerk Session

Der bedarfsgerechte Einsatz von Bioziden ist daher ein wichtiges und wiederkehrendes Thema, das bei der jährlichen VDI-Fachkonferenz "Legionellen aus Rückkühlwerken" intensiv behandelt wird. Auch dieses Jahr trifft sich die Branche am 06. und 07. März in Würzburg, um diese und weitere Themen zu diskutieren.

Interessenten haben darüber hinaus auch die Möglichkeit an der VDI NRW Netzwerk Session: Einsatz von Bioziden zur Begrenzung des Legionellenwachstums in Verdunstungskühlanlagen - notwendig oder vermeidbar | VDI am 25.01.2024 teilzunehmen.

VDI-Spezialtag zur objektbezogenen Hygiene-Gefährdungsbeurteilung 

Ein wichtiger Schlüssel für Betreiber ist eine umfangreiche und objektbezogene Hygiene-Gefährdungsbeurteilung, die für jedes System die Risiken bewertet und dadurch Ansätze für Betriebsoptimierungen liefert. Bei der Umsetzung von Neuanlagen sollte die Hygiene schon bei der Planung mit einbezogen werden. Jedes System ist anders und individuell zu betrachten; die Erstellung einer Hygiene-Gefährdungsbeurteilung sollte von hygienisch fachkundigen Personen durchgeführt werden, die ausreichende Erfahrung in diesem Bereich aufweisen können. Hierbei ist das Risiko einer konkreten Anlage genau zu betrachten und es gibt fast immer Optimierungspotenzial. Das Thema der Betriebsoptimierung von Rückkühlwerken auf Basis der Hygiene-Gefährdungsbeurteilung greift der Spezialtag der diesjährigen VDI-Fachkonferenz Optimierung des Betriebs von Rückkühlwerken auf Basis der Hygiene-Gefährdungsbeurteilung | VDI-Spezialtag (vdi-wissensforum.de)
in Würzburg auf und vermittelt hierzu anhand konkreter Beispielprojekte, wie der Betrieb von Rückkühlwerken optimiert werden kann.

Weiterbildungen für Betreiber wichtig

Der Einsatz von Bioziden kann mit dem Einsatz von Medikamenten (z.B. Antibiotika oder Schmerzmittel) bei der Schulmedizin verglichen werden und alternative Methoden können mit alternativen Heilmethoden (z.B. Homöopathisch) verglichen werden. Interessant sind aus diesem Blickwinkel dann Begriffe wie Nebenwirkungen, Medikamentenkonsum, Antibiotikagabe, Abwasserproblematik, Resistenzen und aktueller Medikamentenplan. 

Der Vergleich mit den Medikamenten hinkt in einem Punkt etwas; die Einnahme von Schmerzmitteln erfolgt oft anlassbezogen, bei starken Schmerzen auch regelmäßig. Die Menge an Schmerzmitteln kann ein Patient nach der Stärke der Schmerzen dosieren. Beim Einsatz von Bioziden ist eine direkte Dosis-Wirkungs-Beziehung nicht so einfach möglich, da die Laboranalytik für Legionellen ca. zehn Tage Zeitverlust zwischen Entnahme und Ergebnis verursacht. Werden Überschreitungen im Labor festgestellt, dann liegen diese bereits über einen längeren Zeitraum vor und könnten dadurch auch schon zu Erkrankungen geführt haben. Hier können enge Überwachungen im System mit einer bedarfsgerechten Bioziddosierung und auch der Einsatz von Biofilmerfassungen und Schnelltests zur Erfassung der Legionellenbelastung helfen. 

Einen interessanten Blickwinkel ergibt der Vergleich auch noch: Jeder Patient sollte wissen, wofür er welche Medikamente wann und wie hoch dosiert nimmt. Dazu wird ein Medikamentenplan erstellt und auf den Gesundheitszustand aktuell angepasst. Betreiber sollten die Verantwortung für den Betrieb konsequent übernehmen, Kompetenzen selbst aufbauen und bedarfsgerecht behandeln. Hier helfen neben enger Instandhaltung und Werterfassung vor allem VDI 2047 Schulungen, Unterstützung durch kompetente Fachfirmen und die Teilnahme an objektbezogenen Seminaren und Weiterbildungen wie z.B. die Teilnahme an VDI-Fachkonferenzen.

Zur Person

Dipl. Ing. (FH) Guido Hilden

Dipl. Ing. (FH) Guido Hilden VDI arbeitet nach dem Studium der Verfahrenstechnik/Umwelttechnik über 25 Jahre für verschiedene Unternehmen im Bereich der Wasseraufbereitung, Wasserbehandlung und Optimierung von wasserführenden Systemen. Er ist zugelassener Referent der VDI Hygienerichtlinien 2047, 3679, 6022 und 6023. Seit 2020 ist er als ö.b.u.v. Sachverständiger für die Überprüfung von Verdunstungskühlanlagen, Kühltürmen und Nassabscheidern nebenberuflich für sein Unternehmen Guido Hilden Wasserhygiene aktiv und Autor des Kommentars der Richtlinienreihe VDI 2047. Zudem ist er seit 2023 Mitglied des VDI-Fachausschusses Sanitärtechnik.