Stolpersteine und Trends im Projektmanagement

Projekte scheitern immer wieder. Das ist allgemein bekannt, doch woran liegt es? Sebastian Galan y Martins, Referent des Seminars „Projektmanagement im Anlagenbau“ und Projektmanager bei ALSTORM, zeigt uns heute die Top 5 der Stolpersteine auf und gibt Tipps, wie diese aus dem Weg zu räumen sind.

Nach wie vor gilt die alte Projektweisheit mehr denn je: „Sag mir, wie ein Projekt beginnt, und ich sage dir, wie es endet.“ Und dies wird auch in Zukunft weiter gelten. Denn die Stolpersteine in Projekten bleiben stets die gleichen. Gleich zu Beginn liegen sie als Erschwernis im Weg zum Projekterfolg und wenn man sie nicht beachtet, dann – wie der Name schon sagt – stolpert man über sie, strauchelt und taumelt deswegen bis zum Projektende. Dies ist nicht nur anstrengend, zeitintensiv und kräfteraubend. Die Arbeit macht dann keinen Spaß mehr. Es geht jedoch darum, beim Projektmanagement Freude und Wachstum zu erfahren und einen Mehrwert für alle Stakeholder zu erzeugen. Was sind also die größten Stolpersteine, auch und vor allem in technischen Projekten, und wie kann man sie vermeiden?

Unklare Ziele führen zu unklaren Ergebnissen

Ein Projekt dient dazu, ein Ergebnis zu erzeugen, das für den Kunden, d. h. den Anwender, einen Mehrwert darstellt. Es ist aber nicht immer klar, ob dieser Nutzen auch wirklich allen Beteiligten ersichtlich und klar ist. Es gibt immer weitere Ziele, die mit dem Projekt verbunden sind, als „nur“ die Entwicklung von Maschinen sowie Installation und Abnahme einer Anlage oder eines Systems. Finanzielle Ziele, Kundenbindung, Eroberung neuer Märkte sind nur ein paar Beispiele dafür. Dies nicht zu beachten, kann schnell dazu führen, dass die Sinnhaftigkeit und damit die Legitimation des Projektes – unabhängig davon, wie elegant und perfekt die technische Lösung ist – obsolet wird. Das ist schade, passiert aber leider immer wieder. Studien zeigen häufig, dass eine fehlende oder unsaubere Zieldefinition einer der Hauptgründe ist, warum Projekte scheitern.

Um dem zu begegnen, ist es entscheidend, von Anfang an vom Projektsponsor einen klaren Projektauftrag zu erhalten, der ganzheitlich die Rechtfertigung und die Ziele für das Projekt darstellt. Die Erstellung einer Projektcharta ist dafür das bewährte Mittel der Wahl.

Kommunikation ist der Schlüssel

Kommunikation wird nicht nur schnelllebiger, sondern auch immer vernetzter, bereichs-, organisations-, länder- und kulturübergreifend. Als Projektleiter im technischen Umfeld muss ich die Sprache der anderen technischen Fachbereiche sprechen. Ich muss aber auch die Sprache der Kaufleute, der Anwälte, Logistiker, des Managements, des Betriebs, der Behörden, Kunden und vieler mehr sprechen. Beachte ich dies nicht, dann nehme ich die Betroffenen und Nutzer des Projektes nicht mit, verliere meine Unterstützer und stärke im schlimmstenfalls die Projektgegner, die es immer gibt. Die Zeiten, in denen der Austausch über rein technische Inhalte ausreichte, sind seit Langem vorbei. Wahrscheinlich hat es diese Zeiten niemals gegeben. 

Damit ich weiß, mit wem ich kommuniziere, muss ich meine Stakeholder kennen, ihren Bedarf und ihre Einstellung verstehen. Darauf aufbauend kann ich meine integrierte Kommunikationsstrategie und meine Kommunikationswerkzeuge erstellen. Unter Berücksichtigung des definierten Projektziels kann ich dann im Reporting gegenüber dem eigenen Management sowie gegenüber dem Kunden klar auftreten und Wirkung erzeugen.

Umgang mit Unsicherheit

Projekte zeichnen sich dadurch aus, etwas Neuartiges zu erschaffen. Es ist vollkommen normal, dabei noch nicht alles zu wissen. Vor allem die ingenieurwissenschaftlichen Studien fokussieren den Geist allerdings auf die Lösung von konkreten Problemen. Der Umgang mit Unsicherheit wird nur bedingt vermittelt. In Projekten ist oft der Zustand noch nicht final, das Problem noch nicht eingetreten, Entscheidungen sind noch nicht getroffen. Vorhandene Themen und ‚Probleme‘ sind meistens mit einer Wahrscheinlichkeit kleiner 100 % vorhanden. Sprich: Sie sind noch nicht eingetreten. Sie sind noch nicht real.

Damit man proaktiv mit der Unsicherheit umgehen und sein Projekt gestalten kann und nicht zum Getriebenen von Problemen und der Problembehandlung wird, ist es entscheidend, die möglichen Entwicklungen zu antizipieren. Es ist daher wichtig, ein Risikomanagementsystem in seinem Projekt von Anfang an zu implementieren. Die Entscheidungsfindung wird verbessert, Chancen werden genutzt – die aktive Gestaltung des Projektes rückt in den Fokus und nicht die reaktive Problemlösung.

Wissen, was man will und wo man ist

Ein massives Problem in allen Projekten, besonders in technischen, stellt der Umgang mit Anforderungen dar. Sie werden oft zu spät oder unvollständig erfasst und man macht sich keine Gedanken darüber, in welcher Güte man die Anforderungen überhaupt erfüllen kann.  Auch fehlen oft eine Struktur und ein Verständnis davon, was alles Bestandteil des Projektes ist. Am fatalsten ist es, wenn keine Art von Kennzahlen und Projektcontrolling vorhanden ist. Ohne Projektcontrolling kein Projekterfolg! Beim Projektcontrolling geht es nicht alleine um Finanzzahlen, sondern auch um Zeit, Sicherheitsaspekte, Produktionsstand, Anzahl von Änderungen, Status des Engineering-Prozesses etc. Es geht darum, die Projektperformance zu messen und das Projekt objektiv messbar  zu verstehen.

Eine entscheidende Grundlage für die technische Abwicklung, die spätere Integration sowie die Basis für das Projektcontrolling ist die Strukturierung des Projektes durch den Einsatz einer WBS (Work Breakdown Structure). Ergänzt durch den Einsatz von Kennzahlen kann ich die Projektperformance dann messen und bei Bedarf rechtzeitig gegensteuern. Die Anforderungen kann ich dabei durch den Einsatz einer Compliance-Matrix oder ein anderes Anforderungsmanagement-Tool transparent sammeln, bewerten und über die Projektlaufzeit entwickeln.

Veränderung wird nur hervorgerufen durch aktives Handeln

Natürlich gibt es noch weitere Stolpersteine! Ist Kompetenz im Vertragsmanagement vorhanden oder ignoriert man die vertraglichen Pflichten? Wird dem Projektteam ein Rahmen vom Unternehmen gegeben, in dem es sein Potenzial einsetzen und das Projekt voranbringen kann, oder hat Projektmanagement keinen Stellwert? Ist ein Governance-Prozess zur Kontrolle und Richtungsweisung vorhanden oder lässt man vonseiten des Managements alles dahinplätschern? Wird die Kompetenz des Projektmanagers sowie des Teams gezielt gefördert und aufgebaut oder zählt nur der heroische Einsatz bis zum Burnout? Sehe ich mich als Projektmanager, der aktiv gestaltet und führt, oder nehme ich die Ereignisse hin und betrachte sie als unveränderbar?

Es gibt Prozesse, Werkzeuge, Modelle und Jahrzehnte von Best-Practice-Erfahrungen, die helfen, um Projekte erfolgreich umzusetzen. Sie müssen nur angewendet werden. Die Stolpersteine liegen zuerst im eigenen Kopf und in der Arbeitsweise. Lasst uns diese endlich beiseiteschieben und einen anderen, einen besseren Weg gehen!

Welche Trends ergeben sich daraus?

Nachdem wir uns nun ausführlich mit den möglichen Stolpersteinen im Projekt befasst haben, wollen wir uns ansehen, was die Konsequenzen daraus sind und welche Trends sich ableiten lassen.

Als Produktmanagerin für Seminare in genau diesem Themenbereich beschäftigt Ronja Berger diese Frage tagtäglich. Die Erfahrung im Austausch mit den Teilnehmenden, in der Auswertung der Themeninteressen ihrer Feedbackbögen und in der Recherche lassen gewisse Tendenzen erkennen.

In der Baubranche beispielsweise hat sich im Austausch mit den Teilnehmenden ergeben, dass die Kommunikation bei einem Bauprojekt noch viel Luft nach oben hat. Die Herausforderung liegt hier im Spagat zwischen der Kommunikation auf der Baustelle und der Kommunikation im Management – Stichwort zielgruppenspezifische Ansprache.

So verwundert es auch nicht, dass eine der Kompetenzen, die laut dem Paper „21 Kompetenzen für eine Welt im Wandel“ benötigt wird, die Dialog- und Konfliktfähigkeit ist. Auch digitale Kompetenzen und jene zur Annahme von Veränderungen und agilem Arbeiten werden immer essenzieller. Spätestens durch die Corona-Pandemie ist das Thema „Remote Working“ in jedem Unternehmen angekommen, und die Mitarbeitenden wollen diese neu gewonnene Flexibilität nicht mehr missen. So erklärt sich vielleicht auch, dass eines der Top 3 nachgefragten Themen in den Feedbackbögen das „virtuelle Projektmanagement“ und somit die Fragestellung ist: Wie kann ich standortübergreifend und mithilfe unterschiedlicher Tools und Systeme effizient und zielgerichtet zusammenarbeiten?

Zudem wird die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zum Dreh- und Angelpunkt, denn es gilt, die guten Leute im Unternehmen zu halten. Dies kann durch permanente Weiterentwicklung, einen ehrlichen Umgang und die Übergabe von Verantwortung gefördert werden. Schaffen Sie daher eine offene und vertrauensvolle Umgebung und fördern Sie den Austausch von Wissen.

Einer der Punkte, die Sebastian Galan ferner in seinem Beitrag erwähnt hat, ist das Thema „Zielerreichung und klare Zielformulierung“. Eine klare Struktur der Arbeitsweise, möglicherweise mit den nötigen Kennzahlen, kann dabei helfen, genau dies zu erreichen. Auch hier spiegelt sich dieser Stolperstein bei der Abfrage in den Feedbackbögen wider, denn die beiden meistgefragten Themen sind: „KPIs für technische Projektleiter“ und „Normen und Standards im Projektmanagement“. Und auch das hilft, Transparenz zu schaffen, Anforderungen klar zu formulieren und so die Zufriedenheit des Teams zu fördern. Denn was ist frustrierender, als nicht einmal zu wissen, wofür man eigentlich arbeitet?

Machen Sie sich Ihre projektspezifischen Stolpersteine bewusst und arbeiten Sie gezielt daran, diese aus dem Weg zu räumen, denn so tragen Sie aktiv zur Zielerreichung Ihres Projektes bei und stärken auch den Zusammenhalt im gesamten Projektteam.

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Über die Autoren

Sebastian Galán y Martins, Mannheim

Vielfältige internationale Erfahrungen im Projekt-geschäft mit chinesischen, amerikanischen, englischen, schweizerischen sowie deutschen Kunden und eine PMI-Zertifizierung bilden die Grundlage der heutigen Projektmanagementtätigkeit von Sebastian Galán y Martins.

In seiner fast zehnjährigen Tätigkeit bei der Westinghouse Electric Germany war er in allen Projektlebensphasen sowie in verschiedenen Projektführungspositionen tätig – angefangen von der Angebotserstellung über den Projektaufsatz, die Planung und Abwicklung bis hin zum Projektabschluss und anschließender Betreuung in der Gewährleistungsphase. Seit 2018 ist Herr Galán y Martins bei der ALSTOM als Projektmanager für international Kunden tätig und setzt dort seine Fähigkeiten und Kenntnisse für komplexe Investitionsprojekte weiter ein.

Ronja Berger ist Produktmanagerin für Seminare und Zertifikatslehrgänge beim VDI Wissensforum. Sie ist stets auf der Suche nach neuen Trends und Themen in den Bereichen: Projektmanagement, BWL, IT, Recruiting und Produktmanagement. Diese Themen wandelt sie in praxisnahe Seminare für die Zielgruppe der Ingenieur*innen sowie technischen Fach- und Führungskräfte.