Nachhaltige Geh- und Radwegbrücken in Holz-Granit-Verbundbauweise

Zusammen mit den Partnern Kusser Granitwerke GmbH, dem Ingenieurbüro Miebach und der Schaffitzel Holzindustrie GmbH + Co. KG hat die Hochschule Koblenz in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsvorhaben mögliche Verbindungsmittel zwischen Granit und Holz untersucht und dadurch eine anwendungsreife vollkommen neue Bauweise Holz-Granit-Verbund (HGV) entwickelt. Eine mögliche Anwendung der HGV Bauweise sind Geh- und Radwegbrücken mit einer Stützweite von 15 bis 30 Meter als Einfeldträger sowie damit vergleichbare Baukonstruktionen. Die Klimabilanz ist günstig im Vergleich zu anderen möglichen Konstruktionen und die HGV Bauweise ermöglicht wartungsarme und langlebige Überbauten.

Die Ausgangssituation

Das Material Holz ist ein kostengünstiger, nachwachsender und dadurch stets verfügbarer Rohstoff, der durch das beim Wachstum eingespeicherte Kohlendioxid eine positive CO2-Bilanz aufweist. Die Holzbauweise hat sich im Baugewerbe fest etabliert, jedoch müssen Holzträger im Außenbereich vor Witterungseinflüssen geschützt werden. Im Brückenbau wird dies meist mit einem Belag und einer Abdichtung gelöst. Ein aktueller Ansatz ist unter anderem der Einsatz von Granit als hochwertigem und dauerhaftem Belag für die Holzträger, der sich statisch aber nicht am Gesamtsystem beteiligt. Alternativ können Holzbrücken auch in Holz-Beton-Verbundbauweise gebaut werden, die obenliegende Stahlbetonplatte übernimmt dabei den Witterungsschutz des Holzes und beteiligt sich am Lastabtrag. Allerdings ist die Klimabilanz von Stahlbeton dabei ungünstig zu bewerten und der Konstruktionsbeton muss durch eine Abdichtung mit Fahrbahnbelag an der Oberseite vor der Witterung geschützt werden.

1) Holzbrücke mit Granitbelag © Ingenieurbüro Miebach

2) Vorgespannte Granitbrücke © Kusser Granitwerke

3) Holz-Beton-Verbundbrücke © Ingenieurbüro Miebach

Als tragender Baustoff wird Granit bisher im Bauwesen nur bei vorgespannten Granitbrücken eingesetzt. Der natürliche Rohstoff Granit ist ein resistenter und dauerhafter Naturstein, der im Vergleich zu Beton oder Stahl eine sehr gute CO2-Bilanz aufweist, wenn er regional bezogen wird. Granit verfügt über eine sehr hohe Druckfestigkeit, die Zugfestigkeit ist jedoch ähnlich wie bei Beton deutlich geringer. Zur Aufnahme der Biegezugspannungen ist daher eine innenliegende Vorspannung ohne Verbund notwendig. Herstellungsbedingt können jedoch nur rechteckige Vollquerschnitte mit einer Vorspannung ohne Verbund realisiert werden. Dadurch erreicht diese Bauweise bei Stützweiten von ca. 15 m eine natürliche Grenze.

Durch die Kombination der natürlichen Baustoffe Holz und Granit nutzt man die Vorteile beider Rohstoffe und erhält eine äußerst dauerhafte und wartungsarme Konstruktionsart mit hervorragender CO2-Bilanz. Durch das Zusammenfügen beider Materialien zu einem Gesamttragsystem wird die Effizienz des Bauwerkes deutlich gesteigert. So können durch die größere Verbund-Biegesteifigkeit größere Spannweiten von über 15 bis zu 30 Metern oder mehr und Material- bzw. Energieeinsparungen erzielt werden. Da die ökologische Bewertung von Bauwerken neben den Instandhaltungskosten zunehmend wichtiger wird, gewinnt eine positive Nachhaltigkeits- und Lebenszyklusbetrachtung schon in der Entwurfsphase an Bedeutung. Eine in Holz-Granit-Verbundbauweise (HGV) geplante und errichtete Geh- und Radwegbrücke ist in ökonomischer und ökologischer Hinsicht den Konstruktionen in den am Markt befindlichen Stahl-Beton- oder Holz-Beton-Verbundbauweisen überlegen.

Durch einen korrekt ausgeführten baulichen Holzschutz erhält man ein sehr langlebiges und dauerhaftes Bauwerk, bei dem auf den Einsatz chemischer Holzschutzmittel gänzlich verzichtet werden kann. Dies belegen die zahlreichen historischen Bauwerke. Der bauliche Holzschutz bei der HGV-Bauweise wird durch einen optimierten Bauteilentwurf mithilfe der Granitplatten erreicht. Die Granitplatten dienen als Deckschicht für die Holzbauteile und beteiligen sich durch die Verbundwirkung am Lastabtrag. Der Einsatz von Granit in der geplanten Art und Weise als mittragende Decklage auf einer hölzernen Unterkonstruktion erfordert nur wenig Herstellungsenergie, da die gesägten Granitplatten weder einer mechanischen noch chemischen Oberflächenbehandlung unterzogen werden müssen. Auch der Energieaufwand für den Abbau und die Verarbeitung des Rohgesteins ist im Vergleich zu anderen Materialien gering.

4) Slip-Block Versuch © Hochschule Koblenz

Verbindungsmittel für Holz-Granit-Verbund

Grundlegende Ansätze für Verbindungsmittel zwischen Holz und Beton können nicht ohne weiteres auf die beiden Werkstoffe Holz und Granit übertragen werden. Das Einbetonieren von Verbindungsmitteln im festen Granit ist nicht möglich und daher müssen neue Ansätze untersucht werden. Verbindungsmittel für eine Verbundkonstruktion mit den beiden vollkommen unterschiedlichen Werkstoffen Holz und Granit müssen über eine hohe Tragfähigkeit, Steifigkeit aber auch Duktilität verfügen, um die geplante HGV-Bauweise realisieren zu können. Die Verbindungsmittel übertragen dabei vor allem den horizontalen Schubfluss der bei einem Verbund zwischen den beiden Materialien entsteht. Dabei entscheidet die Steifigkeit der Verbindungsmittel über die Effizienz der Verbundkonstruktion, diese bewegt sich zwischen den beiden Grenzwerten des starren Verbundes, üblich für Stahl-Beton-Verbund, und einem sehr weichen bzw. keinem Verbund. Mit möglichst steifen Verbindungsmitteln erreicht man eine hohe effektive Biegesteifigkeit der Verbundkonstruktion und damit eine große Tragfähigkeit.

In einem ersten Schritt der an der Hochschule Koblenz unternommenen Untersuchungen wurden über 20 verschiedene Verbindungsmittel entworfen und ihre Brauchbarkeit intensiv diskutiert. Die ausgewählten Verbindungsmittelentwürfe wurden danach mit Slip-Block-Versuchen auf Ihre Tauglichkeit hin untersucht, dabei wurden folgende Konzepte als Verbindungen berücksichtigt:

  • Vollflächige Verklebung zwischen Granit und Holz
  • Mit Beton gefüllte Kerven in Granit und Holz
  • Eingeklebte Gewindestangen in Granit und Holz
  • Kammnägel, die in Granit eingeklebt und ins Holz eingepresst werden
  • In Sägeschlitze in Granit und Holz eingeklebte Bleche

Unter Berücksichtigung der oben definierten Anforderungen und vor allem auch der Belange der Ausführung, bieten eingeklebte Bleche die besten Voraussetzungen für eine Realisierung der HGV-Bauweise.

Versuche und FE Modellierung der Verbindungsmittel

Für die ausgewählte Verbindung von Holz und Granit mittels eingeklebter Bleche wurde ein Ingenieurmodell gesucht, mit dem die Tragfähigkeit und die Steifigkeit der Verbindungsmittel dargestellt werden kann. Auf Basis umfangreicher Finite-Element (FE) Berechnungen konnten die wesentlichen Parameter herausgearbeitet werden, welche die Tragfähigkeit und Steifigkeit der Verbindung beeinflussen. In einer umfangreichen zweiten Versuchsreihe wurden verschiedene Konfigurationen mit Slip-Block Versuchen getestet, um den Einfluss der einzelnen Parameter zu bestimmen.

Auf Basis der zweiten Versuchsreihe und der FE-Berechnungen wurde ein Ingenieurmodell abgeleitet, mit dem sich die Tragfähigkeit und die Steifigkeit der Verbindung zielsicher vorhersagen lässt. Ein daraus abgeleitetes vereinfachtes Bemessungsmodell erlaubt die leichte Anwendung in der Tragwerksplanung für reale Brückenbauwerke in HGV-Bauweise.

5) FE Berechnung © Hochschule Koblenz

6) Kraft-Verformungs-Diagramm aus Versuch © Hochschule Koblenz

7) Bauteilversuche © Hochschule Koblenz

Bauteilversuche

Die statische Berechnung von Verbundkonstruktionen mit nachgiebigem, also nicht vollkommen starrem Verbund, erfolgt in der Regel auf Basis von Zwei-Stab Modellen, wobei jeweils ein Stab auf Höhe des jeweiligen Teilschwerpunktes der Granitplatten bzw. des Holzbalkens angeordnet wird. Diese beiden Stäbe werden mit senkrechten Kragarmen und dazwischen angeordneten Federelementen zu einem Gesamtsystem gekoppelt. Auf Basis der zutreffenden Steifigkeiten der beiden Querschnitte aus Granit und Holz sowie der Verbindungsmittel können dann die Beanspruchungen in den beiden Materialien berechnet und nachgewiesen werden.

Zur Überprüfung der grundsätzlichen Tauglichkeit und der statischen Berechnung der neu entwickelten HGV-Bauweise wurden abschließend sechs Großversuche in Realmaßstab durchgeführt. Die Bauteile bestehen aus HGV-Trägern mit einer Länge von ca. sechs Metern und einer Breite von einem Meter. Der Holzträger besteht aus einem blockverleimten Brettschichtholzquerschnitt und die Granitplatte aus einzelnen Platten, die durch Epoxidharz miteinander verklebt wurden. Die Versuchsträger wurden von den beteiligten Projektpartnern unter praxisgerechten Randbedingungen gefertigt, dabei konnten wertvolle Erfahrungen für spätere reale Projekte gewonnen werden. In den Versuchseinrichtungen der Hochschule Koblenz wurden die Bauteile mittels eines Vier-Punkt Biegeversuches geprüft, dabei kann eine Kolbenlast von bis zu 200 kN aufgebracht werden. Die Versuche bestätigen die Funktion und Tragfähigkeit der entwickelten Verbindungsmittel sowie der vorab durchgeführten statischen Berechnungen zur Dimensionierung der Versuche. Sie zeigen die Machbarkeit der HGV-Bauweise für Geh- und Radwegbrücken und können als Basis für reale Projekte herangezogen werden.

Anwendung

Ein weiteres Bauteil der Großversuchsreihe wurde nicht auf Bruch geprüft, sondern im Außenbereich der Mensa der Hochschule Koblenz aufgestellt. Ziel ist es dabei, die langfristigen Eigenschaften der HGV-Bauweise unter Einfluss der Witterung zu untersuchen sowie die Bauweise im Rahmen der Hochschule den Studierenden zu präsentieren. Auch dieses Bauteil wird von den Kooperationspartnern Kusser Granitwerke und Schaffitzel Holzindustrie gefertigt und auf Betonsockel gelagert, die uns freundlicherweise von Fertigbau Lindenberg Otto Quast zur Verfügung gestellt werden.

Für ein kommendes Pilotprojekt mit der erstmaligen Anwendung der HGV-Bauweise werden verschiedene Brückenentwürfe ausgearbeitet und dimensioniert. Sie zeigen die Eleganz und das Potential der neuen Bauweise und wir freuen uns auf die anstehende Realisierung.

8) Demonstrator / Stehtisch © Hochschule Koblenz

9) 3D Visualisierungen Pilotprojekt © Hochschule Koblenz

Ausblick

Die an der Hochschule Koblenz zusammen mit den Kooperationspartnern entwickelte HGV-Bauweise kombiniert in idealer Weise die positiven Eigenschaften der beiden natürlichen Materialien Granit und Holz. Granit verfügt über eine sehr hohe Druckfestigkeit und ist ohne weitere Abdichtungen und Fahrbahnbeläge witterungsbeständig und dauerhaft. Holz hat eine hohe Zugfestigkeit, ein geringes Eigengewicht und ist durch den baulichen Holzschutz der obenliegenden Granitplatte ebenfalls witterungsbeständig und dauerhaft. Durch die Kombination beider Werkstoffe können beständige und wartungsarme Geh- und Radwegbrücken mit Stützweiten von bis zu 30 Metern gebaut werden. Beide Werkstoffe haben eine gute bzw. sehr gute Klimabilanz und ergeben eine nachhaltige und klimafreundliche Bauweise. Somit ist eine Anwendung, z.B. im Zuge von Radschnellwegen, von großem Vorteil. Bei Interesse an der neuen HGV-Bauweise können gerne die unten genannten Kooperationspartner angesprochen werden.

Kooperationspartner

Georg Kusser: Kusser Granitwerke GmbH, Dreiburgenstr. 5, 94529 Aicha vorm Wald, www.kusser.com

Jörg Schaffitzel: Schaffitzel Holzindustrie GmbH + Co. KG, Herdweg 23-24, 74523 Schwäbisch Hall, www.schaffitzel.de

Frank Miebach: Ingenieurbüro Miebach, Haus Sülz 7, 53797 Lohmar, www.ib-miebach.de

Tim Göckel, Andreas Laubach, Florian Walgenbach-Albat und Paul Dreifke: Hochschule Koblenz, Fachbereich bauen-kunst-werkstoffe / Bauingenieurwesen, Konrad-Zuse-Straße 1, 56075 Koblenz, www.hs-koblenz.de

Autoren:

Prof. Dr.-Ing. Andreas Laubach, Professor Bauingenieurwesen, Fachhochschule Koblenz

Andreas Laubach war elf Jahre in verschiedenen Ingenieurbüros im Bereich des Tragwerks und der Objektplanung tätig, davon über sechs Jahre als Projektleiter für den Entwurf von Brücken und Ingenieurbauten im Büro Schüßler-Plan in Düsseldorf.

Sein Studium hat er an der Technischen Hochschule in Darmstadt und an der University of Strathclyde in Glasgow absolviert, seine Promotion hat er bei Prof. König und Prof. Tue am Institut für Massivbau der Universität Leipzig gemacht.

Seit 2012 lehrt er an der Hochschule Koblenz in den Bachelor- und Masterstudiengängen die Fächer Tragwerkslehre, Tragwerksentwurf, Entwurf von Verkehrsbauten, Bauen im Bestand von Hochbauten, Baudynamik sowie integrales Planen (gemeinsames Entwurfsprojekt für Architektur- und Bauingenieurstudierende).

Prof. Dipl.-Ing. Tim Göckel, Hochschule Koblenz - University of Applied Sciences, Fachbereich Bauingenieurwesen, Koblenz

Prof. Dipl.-Ing. Tim Göckel ist Inhaber des Lehrstuhls für Ingenieurholzbau und Konstruktive Grundlagen am Fachbereich Bauingenieurwesen der Hochschule Koblenz. In der akademischen Lehre verantwortet er neben den Themenfeldern des Holzbaus auch den Mauerwerksbau und Baulichen Brandschutz. Er betreut darüber hinaus als Tragwerksplaner und Gutachter sowohl Neubauvorhaben als auch Umbau- und Sanierungsmaßnahmen von Bestandsgebäuden.

Unser Weiterbildungstipp:

Lernen Sie unser Seminar
Objektplanung für Straßen- und Eisenbahnbrücken
kennen und qualifizieren Sie sich weiter! 

Lernen Sie unser Seminar
Bauen im Bestand: Crashkurs 
kennen und qualifizieren Sie sich weiter! 

Ihre Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich Bauen & Gebäude