Aufbruch ins Wasserstoff-Zeitalter: Technologie-Wandel erfordert Fachwissen und gezielte Weiterbildung

Auf dem Weg zu einer klimafreundlichen, emissionsarmen Mobilität dürfte die Brennstoffzelle eine erhebliche Rolle spielen. Forschung und Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologie haben in den vergangenen Jahren beträchtliche Fortschritte erzielt. Expert*innen erwarten, dass sich in den kommenden Jahren Praxisanwendungen in immer mehr Verkehrszweigen durchsetzen werden.

Die Erwartungen an die zügige Verbreitung der Brennstoffzelle sind hoch – und betreffen die unterschiedlichsten Verkehrsmittel. Wasserstoffbetriebene Lkw und Personenwagen etwa könnten hohe Reichweiten, eine saubere Ökobilanz und Energieeffizienz miteinander verbinden. Flugzeuge könnten in Zukunft mit der Kraft des Wasserstoffs abheben. Und Kreuzfahrtschiffe mit ihren Gästen lokal emissionsfrei durch die norwegischen Fjorde cruisen – die Fantasie bezüglich der Anwendungschancen kennt kaum Grenzen.

Zügiger Ausbau notwendig

Experten wie Dr.-Ing. Ulrich Misz, Abteilungsleiter am Zentrum für Brennstoffzellen Technik GmbH ZBT, Duisburg, erwarten die Umsetzung dieser Szenarien in durchaus überschaubaren Zeiträumen: „Der Weg zur Wasserstoffwirtschaft ist gesetzt – nun geht es auch um die Umsetzungsgeschwindigkeit für die Mobilitätsanwendungen im Schwerlastbereich und insbesondere um einen zügigen Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur.“

Dass Wasserstoff selbst zu einem Mangelgut werden könnte, erwartet er nicht: „Zwar werden wir in Deutschland weiterhin ein Energie-Import-Land bleiben, aber auch hierzulande sind große Elektrolyse-Kapazitäten geplant. Mit der Kombination aus globalem Importwasserstoff und einheimischem Elektrolysewasserstoff werden wir genug grünen Wasserstoff zur Verfügung haben.“ Damit wiederum verbinde sich der Vorteil, dass verfügbarer Wasserstoff in jedem Fall abgenommen werde – der Ausbau trägt sich somit von selbst.

Mobilitätssektor wird größter Abnehmer

In seinen Erwartungen folgt der Experte der Prognose des Nationalen Wasserstoffrates: Bis zum Jahre 2030 dürfte trotz erheblicher Bedarfe im Stahl- und Industriesektor der Mobilitätsbereich der Hauptabnehmer von Wasserstoff sein. „An erster Stelle werden sich Nutzfahrzeuge, insbesondere für lange Distanzen, mit Brennstoffzelle durchsetzen. Wenn erst einmal die Infrastruktur steht, werden aber auch Wasserstoff-Pkw in größerer Zahl folgen“, zeigt sich Dr. Misz überzeugt.

Emissionsarm und hoch effizient

Die Vorteile der Technologie sprechen für sich: Bei der Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff in der Brennstoffzelle entstehen als Nebenprodukte lediglich Wasser und Wärme. Klimaschädliche Emissionen wie Kohlendioxid (CO2) hingegen werden nicht freigesetzt. Dadurch trägt die Technologie maßgeblich zur Verringerung der Treibhausgasemissionen und zur Bekämpfung des Klimawandels bei. Zudem weisen Wasserstoff-Brennstoffzellen eine hohe Energieeffizienz auf. Im Vergleich zu konventionellen Verbrennungsmotoren erreichen sie einen deutlich höheren Wirkungsgrad – das führt zu einer optimaleren Nutzung der Ressourcen und reduziert den Gesamtenergiebedarf.

Im Gegensatz zu begrenzten fossilen Brennstoffen eröffnet die Wasserstoff-Technologie zudem eine nachhaltige Energieressource, insbesondere unter Nutzung erneuerbarer Energien zur Erzeugung von grünem Wasserstoff. Aufgrund der unerschöpflichen Verfügbarkeit ist eine zuverlässige Versorgung für die Zukunft gewährleistet. Somit kann Wasserstoff eine nachhaltige und saubere Energiequelle für unterschiedlichste Anwendungen darstellen.

Akzeptanz der Technologie verbessern

Wichtig, so Dr. Misz, sei es, kontinuierlich an der Akzeptanz zu arbeiten: „Die Technologie ist sicher, zuverlässig und langlebig. Mögliche Sicherheitsbedenken, die teils immer noch zu spüren sind, lassen sich mit Argumenten entkräften. Wichtig ist es allerdings, mögliche Vorbehalte aktiv anzusprechen und durch Fakten zu widerlegen.“ Dazu könnten auch Hersteller beitragen, indem sie die Technologie bis zur Serienreife kontinuierlich weiterentwickeln. In diesem Zusammenhang begrüßt Dr. Misz insbesondere das hohe Engagement asiatischer Fahrzeugproduzenten – von europäischen Herstellern würde er sich zugleich mehr Dynamik erhoffen.

Noch viel Potenzial zur Steigerung der Effizienz

Denn durch gezieltes Engineering bietet die Technologie noch große Potenziale zur Verbesserung der Effizienz – allerdings nicht in Form einzelner, großer Entwicklungssprünge, sondern vielmehr durch eine Vielzahl an Einzelschritten. „Vom Elektrolyseprozess selbst über das Speichern und den Transport, die Kompression an den Tankstellen, bis hin zu den Antriebssystemen lassen sich noch viele Stellschrauben für mehr Effizienz drehen“, unterstreicht Dr. Misz.

Mit dem Einstieg in die Großserienproduktion dürften schließlich auch die Kosten sinken: beispielsweise durch die Verwendung kostengünstigerer Materialien, die Optimierung der Herstellungsprozesse oder Skaleneffekte in Folge der Massenproduktion. Dr. Misz: „Wenn wir noch weiterdenken, dürfen wir von Entwicklungen wie der Mitteltemperatur-Membran im Bereich höher 100 Grad Celsius träumen, die hoch effizient arbeitet. Das ist allerdings Zukunftsmusik mit Entwicklungszeiträumen von sicherlich noch 20 Jahren.“

Regularien schaffen Klarheit

Um das volle Potenzial der Brennstoffzellen-Technologie auszuschöpfen, sind also weitere Investitionen in Forschung, Entwicklung und Infrastruktur notwendig. Hoch dynamisch wie die Technik selbst entwickeln sich auch die Regularien weiter – fast im Wochentakt. Seitdem die Europäische Kommission im Juli 2020 ihre Wasserstoffstrategie veröffentlicht hat, entwickeln sich die Vorgaben laufend weiter.

Regularien seien wichtig, um Klarheit zu schaffen und Investitionssicherheit zu bieten, betont Dr. Misz weiter: „Ein wichtiger Schritt war zuletzt beispielsweise die Ende März veröffentlichte EU-Regel, dass mindestens alle 200 Kilometer eine Wasserstoff-Tankstelle verfügbar sein muss. Dabei handelt es sich um eine Vorgabe, die in Deutschland mühelos zu erreichen sein wird.“

Hoher Bedarf für Qualifizierung und Weiterbildung

Unstrittig ist aber auch: Für die Weiterentwicklung und den breiten Einsatz der Technik in der Praxis wird viel qualifiziertes Fachpersonal notwendig sein: „Am ZBT erreichen uns vermehrt Anfragen auch von fachfremden Branchen, die sich der Wasserstofftechnologie und verschiedenen Komponenten von Kompressoren bis zur Dichtungstechnik widmen möchten“, sagt Dr. Misz.

Als offizieller Weiterbildungspartner des Vereins Deutscher Ingenieure bietet das VDI Wissensforum bereits heute fachspezifische Schulungsangebote und wird diesen Bereich kontinuierlich erweitern:

  • Dr. Misz ist Leiter des „Crashkurs Brennstoffzellensystem“. Der Kurs ist nach seinen Worten ideal für Ingenieur*innen, die sich persönlich weiterentwickeln möchten, sowie für Neueinsteiger*innen, die einen fundierten Überblick zu Brennstoffzellensystemen benötigen. „Wer den Crashkurs besucht hat, kann anschließend mitreden, kennt das Funktionsprinzip, die Komponenten und die entscheidenden Parameter – ohne dass wir inhaltlich zu tief in die Elektrochemie einsteigen.“
  • Einen ebenfalls optimalen Überblick bietet der zweitägige „Crashkurs Wasserstoff“ unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Eberhard Schlücker, Lehrstuhlinhaber, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
  • Zudem startet der Zertifikatslehrgang „Fachingenieur Wasserstoff-Brennstoffzellensysteme VDI“ im Herbst und bietet eine umfangreiche Expertise zu Power-Duo der Energiewende.
  • Die VDI-Konferenz "Power-to-X: Wasserstoff in der Praxis" stellt die neuesten Entwicklungen zu den Themen Wasserstoffinfrastruktur, Wirtschaftlichkeit und Systemintegration von Power-to-X-Anlagen vor.

Zur Person

Dr.-Ing. Ulrich Misz, Abteilungsleiter, Zentrum für Brennstoffzellen Technik GmbH ZBT, Duisburg

Dr. Ulrich Misz arbeitet seit 2007 am anwendungsorientierten Forschungszentrum ZBT (Zentrum für BrennstoffzellenTechnik GmbH) in Duisburg. 2012 übernahm er die Teamleitung für den Bereich Brennstoffzellenbetrieb mit dem Fokus auf Degradationsmechanismen. Heute ist er Leiter der Abteilung Brennstoffzellensysteme am ZBT. In seiner Abteilung werden im Rahmen von Industriekooperationen simulationsgestützte Brennstoffzellensysteme entwickelt.

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