Die Maschinenverordnung – Veränderungen für die Technische Dokumentation

Quelle: artspace.ai, Prompt: Autor

Die EU-Maschinenverordnung betrifft alle Hersteller von Maschinen und Anlagen

Die Maschinenverordnung ist ähnlich wie die Maschinenrichtlinie. Nur neuer, aktueller, besser. Oder doch nicht? Für Konstruktion und Entwicklung tut sich ab 2027 einiges, für die Technischen Redakteure sind nur wenige Punkte in der Verordnung gedacht, diese dafür aber mit Konsequenzen auf unternehmensinterne Prozesse. Besonders die lang erwartete Freigabe zu digitaler Verteilung von Betriebsanleitungen mit ihren speziellen Klauseln dürfte uns arge Kopfschmerzen bereiten.
 

Worum es geht

Am 20. Januar 2027 wird die Maschinenverordnung (Verordnung (EU) 2023/1230, kurz: MVO) die derzeit gültige EG-Maschinenrichtlinie (9. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (9. ProdSV)) nahtlos ersetzen. 

Unser Newsletter heute befasst sich mit den Konsequenzen der neuen Verordnung für das Anfertigen von Betriebsanleitungen für Maschinen und Anlagen.
 

Verordnung vs. Richtlinie

Die EU hat sich entschieden, das Dokument als Verordnung herauszugeben. Das geschieht im Gegensatz zur bisherigen Gepflogenheit, zunächst eine nur für die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtende EU-Richtlinie zu verteilen, die dann von den einzelnen Staaten in regional geltendes Recht für die dort ansässigen Unternehmen umgesetzt werden muss. Mit entsprechender Verzögerung und einer Karenzzeit von rund 2 Jahren.

Die Konsequenz: Keine Karenzzeit, keine Umsetzung von staatsbezogenen Sonderwünschen in lokale Gesetze, unmittelbare Gültigkeit in allen Staaten der EU zum Stichtag.
 

Seien Sie pünktlich

Bei der Einführung der neuen Maschinen-Verordnung gibt es kein Pardon: Am Stichtag 20. Januar 2027 bereits gilt die MVO, die alte Maschinenrichtlinie ist dann obsolet. Keine Übergangsfrist, kein Parallelarbeiten. Alle Produkte, die ab dem 20. Januar 2027 ausgeliefert werden, müssen der MVO konstruktiv entsprechen und mit neuen Technischen Unterlagen versehen sein. Punkt.
 

Das müssen (!) Sie beachten

Wir beziehen uns hier auf die Technische Dokumentation nach Richtlinie VDI 4500, also auf die so genannte 

  • Interne Technische Dokumentation (verbleibt beim Hersteller, enthält Firmen-Know-How über Entwicklung, Konstruktion und Fertigung, dient gegenüber Behörden dem Nachweis des Erfüllens der Sorgfaltspflichten des Herstellers) und die
  • Externe Technische Dokumentation (alle Unterlagen, die dem Kunden bzw. Betreiber der Maschine oder Anlage ausgeliefert werden).

Die MVO definiert genauer als zuvor, welche Inhalte zur Technischen Dokumentation gehören. Der Umfang wurde erweitert, es kommen nun einige Kapitel in den Betriebsanleitungen beispielsweise hinzu. Auch wurde der Umfang der so genannten Montageanleitungen (das sind die „Betriebsanleitungen“ für unvollständige Maschinen) besser definiert und ist in der Regel vom Hersteller zu ergänzen.

In diesem Newsletter allerdings konzentrieren wir uns auf eine eher unscheinbare neue Festlegung der MVO, nämlich die scheinbare Freiheit, Externe Technische Dokumentationen nun auch digital ausliefern zu dürfen.
 

Betriebsanleitungen endlich digital – oder doch nicht?

Die schwerwiegendste Änderung ist tatsächlich die des Mediums, über das die Externe Technische Dokumentation, sprich: die Betriebsanleitungen, verteilt werden. War die Auffassung der Juristen mehrheitlich bisher, dass Betriebsanleitungen nach dem eher unklaren Wortlaut der Maschinenrichtlinie obligatorisch auf Papier zu liefern sei, so ist die MVO nun klarer formuliert und erlaubt definitiv auch digitale Medien. Das hat die Technische Redaktion lange schon erwartet, nicht wenige Unternehmen begehen diesen eher unerlaubten Weg schon seit Jahren. 

Endlich also können wir uns Ordner voller Dokumente sparen und stattdessen einen USB-Stick liefern oder Download anbieten. Oder doch nicht?
 

So einfach wird es nicht

Die MVO enthält zum Verdruss der meisten Unternehmen einige üble Zusatzbedingungen, die so mancher Technischen Redaktion Kopfschmerzen bereiten werden. Bedingungen, von denen einige zum Teil bei bestem Willen nicht einzuhalten sein dürften:

  • Die Anleitung muss herunterladbar, auf einem elektronischen Gerät speicherbar und ausdruckbar sein, auch wenn die Anleitung in die Software des Maschinenprodukts eingebettet ist. Schlimmstenfalls bedeutet das, dass eine Schnittstelle zwischen Maschinenterminal und einem Drucker mit Standardformat herzustellen ist. Zudem ist die Formatierung sicherlich in vielen Fällen nicht trivial.
  • Die Anleitung muss für die Lebensdauer des Maschinenprodukts und mindestens zehn Jahre nach dem Inverkehrbringen des Maschinenprodukts online zugänglich sein. Bei langlebigen Investitionsgütern dürfte diese Bedingung kaum zu erfüllen sein, Dateiformate, URLs und Serverzugang ändern sich üblicherweise innerhalb von mehreren Jahrzehnten Produktlebensdauer.
  • Zum Zeitpunkt des Kaufs kann der Nutzer eine Anleitung in Papierform verlangen, die ihm der Hersteller innerhalb eines Monatskostenlos zur Verfügung stellen muss. Diese Bedingung enthält gleich mehrere Stolpersteine: Zum Zeitpunkt des Kaufs wird oft mit Konstruktion und Fertigung einer kundenspezifischen Maschine oder Anlage erst begonnen, das kann Monate dauern, ehe die Technische Dokumentation ausgearbeitet ist. Und nicht „ein Monat“. Zudem stocken wir beim Wort „kostenlos“. Seit wann mischt sich der Gesetzgeber in die Kalkulation von Unternehmen ein? Keine Dienstleistung muss in einem marktwirtschaftlich organisierten Land kostenlos sein!
     

Stand der Dinge in Unternehmen

Max Nowak stellt nach Befragung 2024 einer repräsentativen Anzahl von produzierenden Maschinenbau-Unternehmen zwar fest, dass die Mehrzahl (79% der Befragten) auf die Einführung der MVO gut vorbereitet ist, findet aber auch heraus, dass sich viele Unternehmen mit größeren Herausforderungen konfrontiert sehen, als erwartet.

Quelle: Max Nowak

Ein Großteil der Unternehmen wurde durch die Herausforderungen der MVO überrascht

Fazit

Mit den Rahmenbedingungen der MVO zum Liefern digitaler Betriebsanleitungen hat uns die EU einen schweren Hemmschuh geliefert. Unter digitaler Lieferung hatten wir etwas anderes verstanden. Nun aber werden in den Unternehmen gänzlich neue Prozesse aufgesetzt werden müssen, um diese zum Teil praxisfernen Bedingungen erfüllen zu können. Das wird in jedem Falle mit erhöhten Aufwendungen einhergehen. 

Die Ergänzung und Umstellung der Prozesse wird zudem Zeit kosten, und: In weniger als anderthalb Jahren muss das laufen!
 

Veranstaltungen zum Thema beim VDI

Zum Thema bietet das VDI-Wissensforum verschiedene Seminare und Workshops an. Unter anderem das eintägige offene oder Inhouse-Seminar „Einstieg in die Technische Nutzungsinformation“ mit Prof. Dr.-Ing. Ulrich Thiele, sowie das Seminar „Digitale Technische Kommunikation – Deep Dive“ mit Dipl.-Ing. Georg Eck.
 

Quellen:

B. Eng. Max Nowak, „Neue Maschinenverordnung: Konsequenzen für Hersteller von Maschinenprodukten mit Bezug auf die Technische Dokumentation (Masterarbeit)“, Donau-Universität Krems, 2024

Entdecke auch unsere Seminare in den Bereichen „Entwicklung und Konstruktion“

Über den Autor:

Quelle: Studioline Photography

Prof. Dr.-Ing. Ulrich Thiele, THIELE DOKUMENTATION, Gießen

Prof. Dr. Thiele war in Forschung und Entwicklung von Stromversorgungssystemen tätig, war Geschäftsführer im Bereich Förder- und Stromversorgungstechnik, bevor er sein Ingenieurbüro für Technik-Kommunikation im bayerischen Alzenau gründete. Er lehrt auf dem Gebiet der Technik-Dokumentation an den Hochschulen THM, Gießen, und an der Diploma-Hochschule. Sein Wissen gibt er in Fachpublikationen, als Herausgeber und in Seminaren, auch beim VDI-Wissensforum, weiter.

 

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