Interview mit Prof. Dr. Karsten Wilke:
Die Umsetzung der StörfallV – auf welche Herausforderungen treffen Störfallbeauftragte?

Sobald Betriebe unter den Anwendungsbereich der Störfallverordnung (StörfallV) fallen, sind diverse Anforderungen zu Sicherheitsmanagement, systematischen Sicherheitsbetrachtungen und Notfallplanung umzusetzen.
Das Seminar „Einführung in die Störfallverordnung“ vermittelt einen Überblick über die StörfallV. Anhand interaktiver Fallbeispiele werden entsprechende Prüfungen der Zugehörigkeit der StörfallV erarbeitet. 
Im Interview sprechen wir mit dem Referenten Prof. Dr. Karsten Wilke über die Inhalte dieses Seminars, die Aktualität des Themas Störfällvorsorge und über die Notwendigkeit der Weiterbildung von Störfallbeauftragten auf dem Gebiet der betrieblichen Umsetzung der StörfallV.
 

Herr Prof. Dr. Wilke, wir leben im Jahr 2025 und haben ein hohes Sicherheitsniveau in allen Bereichen der Industrie. Ereignen sich heutzutage eigentlich noch Störfälle oder sind dies nur Horrormärchen aus vergangenen Zeiten?

Auch wenn die bekanntesten Chemieunfälle wie das Unglück von Seveso 1976, Bhopal 1984 oder der Großbrand von Schweizerhalle 1986 schon einige Dekaden vergangen sind und wir – wie in der Frage zurecht erwähnt wird – ein sehr hohes Sicherheitsniveau erreicht haben, wurden in entsprechenden Datenbanken des Umweltbundesamtes allein im Jahr 2024 noch 29 Störfälle dokumentiert. Insofern ist dieses Thema immer noch aktuell und auch heutzutage sollten sich Betreiber entsprechender Anlagen intensiv mit Fragen der Störfallvorsorge beschäftigen.
 

Über die Störfallverordnung gibt es sehr viele Seminare – warum sollte ich ausgerechnet das von Ihnen angebotene Seminar Einführung in die StörfallV besuchen?

Dies ist in der Tat eine sehr gute Frage. Selbstverständlich kann ich nicht alle Angebote über Seminare über die Störfallverordnung kennen. Aber meiner Erfahrung nach interessieren Anwender*innen, betrieblich Verantwortliche und frisch ausgebildete Störfallbeauftragte praxisnahe Themen, die wir in diesem Seminar intensiv betrachten.
 

Können Sie dazu ein oder zwei Beispiele nennen?

Natürlich lernt man bspw. bei der Ausbildung zum Störfallbeauftragten die Kriterien kennen, nach denen Betriebe unter die Störfallverordnung fallen. In diesem Seminar gehen wir aber einen Schritt weiter: vom reinen „kennen“ erreichen wir durch das Erarbeiten von Beispielen die Stufe des Anwendens. Ähnlich gehen wir bei anderen Themen vor. So erarbeiten wir gemeinsam die Systematiken von Sicherheitsbetrachtungen und Risikobewertungen verfahrenstechnischer Anlagen.
 

Anhand welcher Kriterien haben Sie die Inhalte des Seminars zusammengestellt?

In der Tat haben die Kriterien mit meinem Werdegang zu tun. Ursprünglich habe ich vor langer Zeit Chemie studiert, somit eine gute Ausbildung genossen. Damals wie heute lernen Studierende in ihrem Studium recht viel, aber in kaum einem Studiengang werden junge Menschen mit Themen wie der betrieblichen Umsetzung des BImSchG oder der StörfallV konfrontiert. Als mich das Leben Ende der 90er Jahre in die chemische Industrie führte, stand ich genau vor diesen Fragestellungen: BImSchG, Störfall, HAZOP, SIL, BAGAP waren für mich böhmische Dörfer. Genau an diese Erinnerung habe ich mich bei der Konzeption des Seminars orientiert: was hätte ich damals gerne gewusst und gebrauchen können.
 

Im Seminartitel ist der Begriff „Einführung“ – was muss ich mir darunter vorstellen?

In dem Seminar werden Grundlagen zu vielen unterschiedlichen Themen behandelt. Über viele dieser Themen gibt es von den unterschiedlichsten Anbietern, auch vom VDI, mehrtägige Veranstaltungen, in denen diese Themen wie bspw. das PAAG-Verfahren tiefgehend behandelt werden. In diesem Seminar lernen Sie deshalb erst mal die Grundlagen kennen. Warum brache ich ein PAAG-Verfahren und ganz grundlegend: was ist das, was nützt das und wie läuft das ab. Sofern dann ein tieferer Bedarf besteht, können die TN immer noch vertiefende Weiterbildungen besuchen. Hier geht es um einen generellen, grundlegenden Überblick.

Über den Interviewpartner:

Prof. Dr. Karsten Wilke, Consultant, assade & askawi GmbH, Stockstadt am Rhein

Prof. Dr. Karsten Wilke beschäftigt sich nach seinem Studium der Chemie seit über 25 Jahren mit technischen und chemischen Gasen. Über rund 20 Jahre leitete er mehrere Füllwerke für unterschiedliche chemische Gase und kennt daher nicht nur die Vorgaben des technischen Regelwerks, sondern auch deren praxisnahe Umsetzung aus eigener Erfahrung. Dabei gehörten auch Gefährdungsbeurteilungen und die Umsetzung praxistauglicher Schutzmaßnahmen zu seinem Tagesgeschäft. 
Im Jahr 2016 nahm er einen Ruf der Hochschule Darmstadt – University of applied sciences für Umweltverfahrenstechnik und Anlagensicherheit an. Er ist Mitglied im Sachgebiet „Industrie­gase“ der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und war bei der Erstellung zahlreicher berufsgenossenschaftlicher Schriften zum Umgang mit Gasen beratend tätig.