Planer können vor allem die konstruktions- und betriebsbedingten Emissionen beeinflussen. Emissionen aus Herstellung, Transport und Bauweise (Module A1-A5) sind entscheidend bei der Auswahl von Bauvarianten. Nutzeremissionen, etwa durch Verkehrsbehinderungen während der Bauphase, tragen ebenfalls erheblich zu den Gesamtemissionen bei. Beispielsweise verursachen 20.000 Fahrzeuge in einem 10-minütigen Stau täglich 4,6 Tonnen CO2.
Die Umweltkosten, die bisher nicht in die Bau- und Lebenszykluskosten einbezogen wurden, sollten zukünftig berücksichtigt werden. Das Umweltbundesamt empfiehlt, diese Kosten mit 237 bis 809 €/t CO2 zu berechnen, deutlich höher als die aktuelle CO2-Steuer von 45 €/t. Dies würde nachhaltige Lösungen wirtschaftlich attraktiver machen, indem die Klimafolgekosten realistisch in die Kostenbewertung einfließen.
Die Kohlenstoffwerte von Brücken können mit dem Structural Carbon Rating Scheme for Bridges (SCORBS) verglichen werden, das in Großbritannien entwickelt wurde, um die Gesamt-Nachhaltigkeit der Lösung zu bewerten. Dies befindet sich weltweit noch in der Entwicklung, da immer mehr Brücken Kohlenstoffbewertungen unterzogen werden und diese Daten in der Branche ausgetauscht werden.
3. Initiative Net Zero Bridges
Net Zero Bridges ist eine Initiative von Brückenplaner*innen, mit dem Ziel den CO2- Verbrauch im Brückenbau möglichst rasch zu reduzieren. Die Initiative hat ihren Ursprung in Großbritannien, steht jedoch jedem offen. In welchen Bereichen liegt also der größte Hebel für die Reduzierung von Emissionen?
In der Bauindustrie existieren bereits Lösungen dafür, wie der Bau von Infrastruktur einen höheren Beitrag zum Kilmaschutz leisten kann. So können durch die Optimierung von Materialien, Bauweisen, Baumaschinen, Transporten und Bauprozessen die Treibhausgasemissionen reduziert werden. In unserer Branche liegt der Schlüssel zum Kilmaschutz in der Planung.
Einerseits hat die Berücksichtigung von Notwendigkeit einen größeren Hebel auf Emissionen als technologische Optimierungen. Andererseits liegen die größten Reduktionspotenziale in den frühen Projektphasen.
Nichts mehr zu bauen wäre also am wirkungsvollsten, ist aber unrealistisch. Weniger zu bauen also bspw. den Bedarf an neuer Infrastruktur kritisch zu hinterfragen oder den Bestand, wenn möglich zu erhalten, statt abzubrechen, ist realistischer und hat ein großes Potenzial.
Intelligent zu bauen, zum Beispiel in mit einer kurzen Bauzeit (geringe Emissionen aus Verkehrsumleitungen) und mit einer hohen Materialeffizienz, hat ein geringeres Potenzial, ist aber sicherlich einfacher zu erreichen.
Effizientes Bauen bezieht sich auf die Optimierung von Bauprozessen auf der Baustelle, bspw. die Elektrifizierung von Baumaschinen bei gleichzeitiger Verwendung regenerativer Energiequellen oder die Verkürzung von Transportwegen.
Kurz zusammengefasst: Sanierung geht vor Neubau und wiedergewonnenes Material vor Neumaterial. Außerdem sollten Baustoffe nach Möglichkeit getrennt werden, um später wiederverwertet zu werden.
Folgende Beispiele zeigen auf, wie der Klimaschutz beim Bauen positiv beeinflusst werden kann:
BIM Planung
Mittels des Building Information Modelling (BIM) kann man den Ersatzneubau einer Großbrücke auf beengtem Raum ohne Verkehrsunterbrechungen realisieren und dabei Kollisionen frühzeitig verhindern. Mit einem BIM-Modell kann man bei der Analyse der Varianten auch eine CO2-Bilanz automatisieren.
Wiederverwendung
Bei der Planung neuer Brücken an bestehenden Brückenstandorten kann nach sorgfältiger Materialanalyse und statischer Auslegung die vollständige Struktur erhalten und wiederverwendet werden. Zumindest sollten die vorhandenen Fundamente sorgfältig geprüft werden, ob sie wiederverwendet und gegebenenfalls verstärkt werden können, wodurch ein erheblicher Anteil an CO2 reduziert werden kann.
Modulares Bauen
Fertigteilbrücken können modulare Brückensysteme verwenden, die mit hohem Vorfertigungsgrad geplant wurden. Durch Modulbauweise können Bauzeiten um bis zu 70 Prozentreduziert werden und daher substanziell Treibhausgasemissionen gespart. Aus diesem Grund kann die Reduzierung der verkehrsbeeinträchtigenden Bauzeit als treibhausgasreduzierende Maßnahme bewertet werden.
Material Spezifikationen
Stahlbeton kann ein nachhaltiges Baumaterial sein, wenn technische Spezifikationen und Beschaffung sorgfältig berücksichtigt werden. Beton bietet durch seine Festigkeit und Haltbarkeit Vorteile wie reduzierten Materialverbrauch und vollständige Recycelbarkeit. Zur Verbesserung der Nachhaltigkeit sollten der Zementgehalt, die Verwendung von Zusatzmitteln, das Umweltmanagementsystem für Wasserverbrauch, die Korngröße des Zuschlags und die Gestaltung der Bewehrung optimiert werden. Schalungen sollten wiederverwendet oder zur Energiegewinnung genutzt werden. Im Bereich Beton werden verschiedene neue Technologien untersucht, z. B. Optimierung, Materialalternativen (auf Abfallbasis), Kohlenstoffbindung, Kohlenstoffsequestrierung, leistungssteigernde Zusatzmittel und Bio-Beton [3].
Stahlbau kann durch Wiederverwendung und innovative Technologien zur Nachhaltigkeit bei-tragen. Stahl ist unbegrenzt recycelbar und behält dabei seine Qualität. Fortschrittliche Technologien wie hybridstahlfreier Stahl von SSAB und Direktreduzierter Eisen (DRI)-EAF (Verwendet Erdgas oder Wasserstoff statt Kohlenstoff) werden getestet. Hermetisch abgedichtete Strukturen verhindern Korrosion und verlängern die Lebensdauer. S450-Stahl könnte das Konstruktionsgewicht reduzieren. Wiederverwendeter Baustahl hat erheblich niedrigere Grauemissionen (50 kgCO2/t) im Vergleich zu neuem Baustahl (1.750 kgCO2/t) und ist zudem kosteneffizienter [4].
Holz bietet erhebliche Nachhaltigkeitsvorteile. Jeder Kubikmeter Holz spart etwa 800 kg CO2-Äquivalent (ECO2). Zusätzlich kann Holz am Ende seiner Lebensdauer zur Energiegewinnung verbrannt werden, was weitere 442 kg CO2 einspart, indem es den durchschnittlichen Kohlenstoffausstoß ersetzt. Der Prozess der Bindung und Speicherung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre durch das Wachstum und die Erhaltung von Bäumen wird als Kohlenstoffsequestrierung bezeichnet. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil natürlicher Klimaschutzlösungen zur Abschwächung des Klimawandels. Durch die Verwendung von Holz in Bau und anderen Anwendungen wird der gespeicherte Kohlenstoff für die Dauer der Nutzung des Holzes effektiv gebunden und reduziert so die CO2-Konzentration in der Atmosphäre.
Weitere Methoden zur Verbesserung der Nachhaltigkeit
Weitere Methoden zur Verbesserung der Nachhaltigkeit umfassen die Energiegewinnung durch den Einsatz von Photovoltaikmodulen, die Herstellung leichterer und kostengünstigerer Materialien sowie die Verbesserung der Materialkreisläufe durch IoT-Überwachungssysteme und Materialpässe.
Ein Materialpass enthält Daten, die die physikalischen Eigenschaften von Materialien, Produkten, Elementen und Gebäuden beschreiben. Sie ermöglichen den Vergleich und Austausch digitaler Darstellungen von Bauobjekten. Es gibt verschiedene Interessengruppen im Bereich der gebauten Umwelt, die jeweils ihre eigenen kritischen Kriterien für einen Materialpass haben, basierend auf Perspektiven, Phasen, Maßstabsebenen, Sektoren und Disziplinen.
Materialpässe schaffen ein Bewusstsein für die Verfügbarkeit und Qualität natürlicher und technischer Objekte für zukünftige Generationen und umfassen verschiedene Maßstabsebenen – vom Rohstoff über das Element bis hin zur Struktur und Fläche. Sie können zur Messung der Kreislaufwirtschaft, zur Bereitstellung von Daten für die Märkte für gebrauchte Materialien und zur Verbesserung der Wartungs- und Bewirtschaftungsregelungen für die Strukturen verwendet werden. Die Pässe sind mit statischen Datenstrukturen verknüpft, die sich auf Leistungsspezifikationen (z. B. Festigkeit, Größe, Grauemissionen) und dynamische Elemente beziehen, die sich im Laufe der Zeit ändern (z. B. Zustand und Datum).
Materialpässe müssen öffentliche Daten über Gesundheit, Kreislaufwirtschaft und ökologische Auswirkungen bereitstellen und gleichzeitig die Sicherheit in Bezug auf geistiges Eigentum, kommerzielle Interessen und Eigentumsverhältnisse wahren. Sie können mit EPDs, Zertifizierungen usw. verknüpft werden, müssen aber die Duplizierung von Informationen vermeiden [5].
4. Fazit
Um bis 2045 netto treibhausgasemissionsneutral zu werden, muss in den nächsten 15 Jahren über 60 Prozent der erforderlichen Emissionsreduktion erreicht werden. Brückenbauende können dabei mehr beitragen als Privatpersonen. Ein Paradigmenwechsel zu einem "New Normal" ist notwendig. Die Ermittlung der bauwerkbezogenen CO2 - Emissionen und der verkehrsbedingten Emissionen im gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks sollte vom allen Projektbeteiligten unterstützt und angefragt oder sogar verpflichtend sein. Ein angemessener CO2-Preis im Brückenbau und die Berücksichtigung von Klimafolgekosten sind entscheidend für die Suche nach klimaverträglichen Lösungen.