Neue Trinkwasserverordnung
Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss. So beschreibt es die sogenannte Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der EU im Bereich der Wasserpolitik aus dem Jahr 2000 und vielfach hört man, dass unser Trinkwasser das am besten geschützte Lebensmittel sei. Trinkwasser ist allerdings kein Lebensmittel (auch wenn es dazu verwendet werden kann), denn Lebensmittel sind ersetzbar. Saubere Atemluft und reines Trinkwasser sind vielmehr unabdingbare Voraussetzungen für eine menschliche Existenz.
Bemerkenswert ist, dass bereits in der ersten Trinkwasserverordnung im Jahr 1975 die verbindliche Forderung aufgestellt wurde, dass Prüfungen und Untersuchungen des Trinkwassers unmittelbar nach der Inbetriebnahme der Wasserversorgungsanlagen erfolgen mussten. Diese Anforderung wurde im Laufe der folgenden Jahre in das technische Regelwerk transferiert und findet sich heute in den Anforderungen der VDI-Richtlinie 6023 Blatt 1 unter den Bezeichnungen „Hygiene-Erstuntersuchung“ und „Hygiene-Erstinspektion“.
Im Jahr 2011 wurde erstmals mit § 14 der 1. Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung der Betreiber einer Wasserversorgungsanlage konkret zu regelmäßigen Untersuchungen und Bewertung der Installation auf Grundlage eines technischen Maßnahmenwerts für Legionellen verpflichtet. Für den in der Trinkwasser-Installation zu untersuchenden Parameter Legionella spec. kann bis heute kein wissenschaftlich begründbarer Grenzwert festgelegt werden, unterhalb dessen eine gesundheitliche Gefährdung mit Sicherheit auszuschließen ist, daher wurde ein technischer Maßnahmenwert festgelegt. Beim Erreichen dieses Maßnahmenwertes ist eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit nicht mehr mit Sicherheit auszuschließen und eine Überschreitung des technischen Maßnahmenwerts ist ein direkter Hinweis auf (vermeidbare) technische Mängel in der Trinkwasserinstallation. Der unter Umständen nötige Mehraufwand für Unternehmer oder sonstige Inhaber*innen und überwachende Behörden rechtfertigte sich mit der tödlichen Gefahr, die mit Legionelleninfektionen insbesondere bei speziellen Personengruppen, wie alten oder immunsupprimierten Menschen, verbunden ist.
Neu eingeführt wurde damit auch der Begriff der Gefährdungsanalyse (heute Risikoabschätzung), der anlassbezogen die Überprüfung der Installation durch Sachverständige umfasste, ob und gegebenenfalls welche Gefährdungen für die Nutzer*innen des Trinkwassers aus dieser Installation bestehen. Die Gefährdungsanalyse ist damit ein Instrument zur Abwehr von Gesundheitsgefährdungen. Insbesondere ist seither durch Sachverständige zu überprüfen, ob mindestens die a.a.R.d.T. eingehalten sind.
Neue TrinkwV
Seither wurden das Infektionsschutzgesetz und auch die Trinkwasserverordnung vielfach geändert und angepasst. Am 31. März 2023 wurde die 2. Verordnung zur Novellierung der Trinkwasserverordnung mit geringen Änderungen im Bundesrat verabschiedet, die seit dem 20. Juni 2023 nun als aktuelle Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch gilt. Bereits der erste Satz im § 1 (Anwendungsbereich) der Trinkwasserverordnung verdeutlicht eine zentrale Ausrichtung der Novellierung zur Umsetzung europarechtlicher Vorgaben. Hier wird ausgeführt, dass diese Verordnung Anwendung auf das im 7. Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes bezeichnete Wasser für den menschlichen Gebrauch findet. Es wird also deutlich gemacht, dass die Trinkwasserverordnung als Werkzeug dient, um die Anforderungen des § 37 Infektionsschutzgesetz zu gewährleisten. Wasser für den menschlichen Gebrauch muss demnach so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist.
Wasser für den menschlichen Gebrauch bezieht nicht mehr nur die bereits bekannten Anwendungen, wie Zubereitung von Getränken und Nahrungsmitteln, Körperreinigung, Geschirrspülen oder Wäschewaschen mit ein, sondern auch „sonstige häusliche Zwecke mit Bezug zur menschlichen Gesundheit“, wie z.B. ambulante Inhalation, Sicherheitsnotduschen, Wundversorgung oder die Reinigung medizinischer Geräte und Gegenstände in der Pflege.
Aus dem vormaligen „Unternehmer oder sonstigem Inhaber“, der die jeweiligen Pflichten gem. TrinkwV zu erfüllen hatte, wurde der „Betreiber“. Als Betreiber gilt die Person, die für das „jeweilige Regelungsobjekt“ verantwortlich ist. Der Begriff des Betreibers ist im Anlagenrecht und auch im Technischen Regelwerk gebräuchlich (siehe VDI-MT 3810 Blatt 1 2023:03). Aus dem längst eingeführten „UsI“ wird also nun ein „BUsI“ (Betreiber als Unternehmer oder sonstiger Inhaber).
Mit der neuen TrinkwV wird bei den Nichttrinkwasseranlagen unterschieden in Systeme, die a) der Entnahme von Nichttrinkwasser dienen (Löschwasseranlagen, Systeme zur Tränkewasserversorgung, Niederschlagswasseranlagen u.ä.) sowie b) Systemen, in denen Nichttrinkwasser lediglich im Kreislauf geführt wird (Heizungssysteme, Kühlsysteme, Prozess-/Prüfwasser u.ä.). Beiden Arten von Nichttrinkwasseranlagen gemein ist, dass sie nach nur dann mit einer Wasserversorgungsanlage verbunden werden dürfen, wenn eine geeignete Sicherungseinrichtung nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik vorhanden ist, dass die Leitungen der Nichttrinkwasseranlagen durchgehend beschriftet sein müssen und dass alle Entnahmestellen für Nichttrinkwasser entsprechend gekennzeichnet und zudem gegen unbeabsichtigte Entnahme gesichert sein müssen.
Welche „Anforderung an Wasserversorgungsanlagen“ hinsichtlich Planung, Errichtung, Instandhaltung und Betrieb an die Verwendung von Werkstoffen und Materialien für die Errichtung zu erheben sind, welche Grundlagen für die Bewertung von Werkstoffen und Materialien im Kontakt mit Trinkwasser gelten, woraus eine Konformitätsvermutung abgeleitet werden kann, ist im 4. Abschnitt geregelt.
§ 13 definiert hier weiterhin die klare Anforderung, dass sämtliche Wasserversorgungsanlagen (auch im Einfamilienhaus) so zu planen und zu errichten sind, dass sie mindestens den a.a.R.d.T. entsprechen (bauliche Anforderung) und zudem auch mindestens nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu betreiben sind (betriebstechnische Anforderung).
Im Abschnitt 4 findet sich auch unter § 17 das anstehende Verwendungsverbot von Blei, wonach Der Betreiber einer Wasserversorgungsanlage, in der Trinkwasserleitungen oder Teilstücke von Trinkwasserleitungen aus dem Werkstoff Blei vorhanden sind, diese Trinkwasserleitungen oder Teilstücke bis zum Ablauf des 12. Januar 2026 nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu entfernen oder stillzulegen hat. Hier werden keine Einschränkungen hinsichtlich der Art oder der Verwendung der Wasserversorgungsanlage gemacht. Dieses Gebot trifft also sämtliche Trinkwasserinstallationen, egal ob in der Großwohnanlage, im Krankenhaus, einem Einfamilienhaus oder einer Arbeitsstätte, und egal ob das Haus selbst bewohnt, gewerblich oder öffentlich betrieben wird. Im Zusammenhang mit Blei in der Trinkwasserinstallation ergeben sich zudem umfangreiche Anzeigepflichten gegenüber dem Gesundheitsamt und Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher. Neu an dieser Situation ist allerdings die Anforderung an Installationsunternehmen, dem Gesundheitsamt unverzüglich anzeigen zu müssen, wenn die Mitarbeiter vor Ort Blei in einer Kundenanlage entdecken.
Die TrinkwV befasst sich umfangreich mit den Fragen zur Aufbereitung von Trinkwasser selbst. Hier wird eindeutig und mit Verbotscharakter geregelt, zu welchen Zwecken eine Trinkwasserbehandlung nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik überhaupt eingesetzt werden darf, welche Anforderungen der Betreiber dabei zu erfüllen hat und welche umfangreichen Aufzeichnungs-, Anzeige- und Informationspflichten bei einer Wasseraufbereitung bestehen. Ein Verstoß gegen diese weitreichenden Anforderungen ist einer der wenigen Straftatbestände, die nach § 71 unmittelbar aus der TrinkwV resultieren können.
Der 9. Abschnitt befasst sich mit der Durchführung von Trinkwasseruntersuchungen, der Stelle der Probennahme, den Probenahme- und Untersuchungsverfahren sowie der Niederschrift über das Untersuchungsergebnis. Der Betreiber einer Wasserversorgungsanlage hat gem. § 43 Trinkwasserproben, die nach auf den Parameter Legionella spec. zu untersuchen sind, nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik an mehreren repräsentativen Stellen zu nehmen.
Der Betreiber hat auch sicherzustellen, dass an der Wasserversorgungsanlage nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik geeignete Probenahmestellen vorhanden sind. Bei der Probennahme ist außerdem weiterhin die Empfehlung des Umweltbundesamts „Systemische Untersuchungen von Trinkwasser-Installationen auf Legionellen nach Trinkwasserverordnung“ zu beachten.
Im 11. Abschnitt sind die Pflichten des Betreibers bei der Nichteinhaltung von Grenzwerten oder Höchstwerten, bei der Nichterfüllung von Anforderungen und bei außergewöhnlichen Vorkommnissen sowie hieraus resultierender Verbote geregelt. Neben Anzeigepflichten sind Maßnahmen zur Klärung der Ursachen und zur Abhilfe zu ergreifen, wenn die Trinkwasserqualität nachteilig verändert ist. Dieser Abschnitt regelt außerdem, wann und unter welchen Umständen Trinkwasser nicht mehr an Verbraucher abgegeben werden darf.
Werden dem Betreiber einer Gebäudewasserversorgungsanlage Tatsachen bekannt, die darauf hinweisen, dass die Beschaffenheit des Trinkwassers nachteilig verändert ist (Geruch, Geschmack, Farbe, Trübung, Analysebefunde), hat er unverzüglich Untersuchungen zur Klärung der Ursache der Veränderung durchzuführen.
Gefordert wird ggf. ein Maßnahmenplan des Betreibers sowie dessen gesonderte Handlungspflichten in Bezug auf Legionella spec. Schließlich findet sich hierin auch die Pflicht zur Information der Verbraucher bei Überschreitungen von Grenzwerten, Höchstwerten, Parameterwerten oder bereits dem Erreichen des technischen Maßnahmenwerts für Legionellen.
Zu den Handlungspflichten des Betreibers in Bezug auf Legionella spec. gehört mit § 51 u.a. eine Untersuchung zur Klärung der Ursachen; diese Untersuchungen müssen eine Ortsbesichtigung, sowie eine Prüfung der Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik in der betroffenen Trinkwasser-Installation, eine schriftliche Gefährdungsanalyse ( Risikoabschätzung) unter Beachtung der Empfehlung des Umweltbundesamts „Empfehlungen für die Durchführung einer Gefährdungsanalyse gemäß Trinkwasserverordnung“ vom Dezember 2012 und die Maßnahmen, die ggf. nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher erforderlich sind.
Gebäudewasserversorgungsanlagen unterliegen der Überwachung durch das Gesundheitsamt, wenn das Trinkwasser im Rahmen einer öffentlichen Tätigkeit bereitgestellt wird. Daneben geht es um die Überwachung durch die zuständige Behörde im Hinblick auf radioaktive Stoffe, um Mitwirkungs- und Duldungspflichten sowie die Durchführung der Untersuchungen im Rahmen der Überwachung durch das Gesundheitsamt oder die zuständige Behörde mit entsprechenden Niederschriften sowie dem Berichtsplan des Gesundheitsamts an das Umweltbundesamt für ein Wasserversorgungsgebiet.
Ist die Nichteinhaltung oder die Nichterfüllung der in den §§ 6 bis 8 festgelegten Grenzwerte, Höchstwerte und Anforderungen für mikrobiologische und chemische Parameter sowie Indikatorparameter auf die Trinkwasser-Installation zurückzuführen, so kann das Gesundheitsamt beispielsweise anordnen, dass der Betreiber der betroffenen Wasserversorgungsanlage die betroffenen Verbraucher über Folgendes zu informieren und zu beraten hat:
- die Bedingungen des Konsums und der Verwendung des Trinkwassers,
- in der Verantwortung der Verbraucher liegende Maßnahmen, insbesondere solche, mit denen sich von der Trinkwasser-Installation verursachte Risiken für die menschliche Gesundheit vermeiden lassen, und
- Einschränkungen für die Verwendung des Trinkwassers, die die Verbraucher vornehmen sollten.
Hier werden jedoch leider nur noch betriebstechnische Aspekte adressiert, nicht mehr jedoch der bauliche Zustand der Anlage (Instandhaltung). Ist die Ursache der Nichterfüllung der in den §§ 5 bis 9 festgelegten Anforderungen unbekannt, so ordnet das Gesundheitsamt jedoch eine unverzügliche Untersuchung zur Klärung der Ursache an oder führt sie selbst durch.
Wird dem Gesundheitsamt bekannt, dass der technische Maßnahmenwert für Legionellen in einer Trinkwasser-Installation erreicht wird, und kommt der Betreiber der betroffenen Wasserversorgungsanlage seinen jeweiligen Handlungs- und Informationspflichten nicht nach, fordert das Gesundheitsamt ihn unter Fristsetzung zunächst auf, diese Pflichten zu erfüllen. Kommt der Betreiber seinen Pflichten auch nach Aufforderung durch das Gesundheitsamt nicht fristgemäß und vollständig nach, ordnet das Gesundheitsamt diese gegebenenfalls an.
Detaillierte Ausführungen zu den Änderungen, die mit der novellierten Trinkwasserverordnung Einzug gehalten haben, finden sich in der Fach-Publikation DVQST FP-04-2023 Stand: Mai 2023 „Neue Trinkwasserverordnung 2023“, die kostenfrei auf der Homepage des DVQST zum Download zur Verfügung steht. Der DVQST e.V. behandelt die wesentlichen Aspekte der neuen Trinkwasserverordnung bereits seit April in einer eigenen Seminarreihe; Informationen und Anmeldung zum Seminar F5 Trinkwasserverordnung finden sich unter: https://www.dvqst.de/bildung/termine-1
Über den Autor:

Arnd Bürschgens, ö.b.u.v. Sachverständiger für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk, Teilgebiet Trinkwasserhygiene und erster Vorsitzender des DVQST e.V.
Arnd Bürschgens wurde 2017 durch die Handwerkskammer Mannheim zum ersten öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Trinkwasserhygiene im Installateur- und Heizungsbauerhandwerk Deutschlands ernannt. Zu seinen Aktivitäten in diversen nationalen und europäischen Regelwerksgremien gehören u.a. die Mitarbeit an der Überarbeitung des DVGW-Arbeitsblatts W 551 „Legionellen in Trinkwasser-Installationen“ und im DIN-Arbeitsausschuss „Trinkwasser-Installation in Gebäuden“ (Normenreihe EN 806/DIN 1988).
Er ist Mitglied im VDI-Fachausschuss Sanitärtechnik, stellv. Vorsitzender der VDI 6023 Blatt 1 „Hygiene in Trinkwasser-Installationen“ und Vorsitzender der VDI 3810 Blatt 2/VDI 6023 Blatt 3 „Betrieb und Instandhaltung von gebäudetechnischen Anlagen – Trinkwasser-Installationen“.
Arnd Bürschgens ist zudem Erster Vorsitzender des DVQST – Deutscher Verein der qualifizierten Sachverständigen für Trinkwasserhygiene e. V. und Autor des Fachbuchs „Legionellen in Trinkwasser-Installationen“ sowie der Kommentare zur VDI 6023-2 und VDI 6023-3, die aktuell beim Beuth Verlag aufgelegt sind.