Schadenfrüherkennung mittels Schwingungsüberwachung von mechanischen und elektrischen Antrieben

Maschinen unterliegen im Betrieb verschiedenen Belastungen, die im Laufe des Betriebes zu Schäden führen können. Die Art der Schadentstehung lässt sich im Wesentlichen in drei Hauptkategorien einteilen: Gewaltschaden, Verschleiß und Dauerbruch (Fatigue-Schäden).

Gewaltschaden entsteht durch plötzliche, äußere Einwirkungen wie Stöße, Überlastungen oder Unfälle aufgrund von z.B. falschem Umgang oder fehlerhafter Steuerung. Diese Schäden treten oft unerwartet auf und führen in vielen Fällen sofort zum Ausfall der betroffenen Maschine oder Komponente.

Verschleiß bezeichnet den Materialabtrag an Oberflächen, der in vielen Fällen linear über die Zeit durch Reibung, Korrosion oder chemische Einflüsse verursacht wird. Dieser Prozess lässt sich häufig durch regelmäßige Wartung und den Einsatz geeigneter Werkstoffe und Schmiermittel verlangsamen. In bestimmten Fällen, welche mit Design ggf. Steuerungsabweichungen zusammenhängen, lässt sich der Verschleiß ohne Systemoptimierungen nicht stoppen bzw. verlangsamen.

Dauerbruch tritt auf, wenn ein Werkstoff über längere Zeit dynamisch schwelenden oder wechselnden Belastungen ausgesetzt ist. Obwohl die Belastung für sich genommen gering sein kann, führt die dauerhafte Beanspruchung zu Rissbildung und schließlich nach bestimmtem Lastwechsel zum Bruch. Dauerbruch tritt typisch bei rotierenden oder schwingenden Maschinenteilen auf.

Die genaue Analyse der Schadensursache ist entscheidend, um geeignete Maßnahmen zur Vermeidung zukünftiger Ausfälle zu treffen die richtige Technology zur Zustandsüberwachung bzw. Schadenfrüherkennung zu identifizieren und die Lebensdauer der Maschine zu verlängern.

Schadenursachen wie z.B. Schmierstoffmangel, Unwucht oder Ausrichtefehler und die daraus resultierenden Schäden in einem Antriebssystem wirken sich direkt auf dessen Schwingverhalten aus. Insbesondere Lagerverschleiß, Rissbildungen oder Zahnradfehler wie Grübchenbildung und Flankenbrüche verändern die Dynamik des Systems und führen häufig zu charakteristischen Schwingungsmustern. Einerseits treten zusätzliche Anregungen mit bestimmter Frequenzmuster auf. Andererseits reagieren die Systemeigenfrequenzen auf diese Anregungen mit bestimmten Frequenzmodulationen. 

Schadenursachen wie Unwuchten an rotierenden Teilen verursachen meist niederfrequente, sinusförmige Schwingungen, die mit der Drehzahl zunehmen.

Wälzlagerschäden führen in der Anfangsphase zur Erhöhung von Frequenzmodulationen in höheren Frequenzbereich. Bei der Entwicklung der Lagerschäden wandern die Schadenfrequenzen in den Tieffrequenzbereich und es treten sogenannte Lagerschadenfrequenzen (Kinematische Überrollfrequenzen des Innenrings, des Außenrings sowie des Wälzkörpers) des jeweiligen Lagers auf. Die Zahnradschäden verändern das typische periodische Anregungsverhalten mit der Zahneingriffsfrequenz der betroffenen Getriebestufe. Dabei sind einerseits die mehrfachen Modulationen der Zahneingriffsfrequenzen und andererseits die Seitenbändern-Modulationen um diese Frequenzen von großer Bedeutung bei der Diagnose der Veränderungen des Schwingverhaltens. Durch diese Veränderungen in dem Schwingverhalten des Antriebssystems lassen sich gute Möglichkeiten zur Schadens-Früherkennung über Schwingungsanalysen umsetzen. Als Beispiel zeigt das Bild 1 das Schadenfrequenzmuster des Außenrings und der Wälzkörpers des DE-seitiges (getriebeseitig: Eng. Drive Edge) Wälzlagers eines elektrischen Antriebs in den Schwingungsmessdaten eines Antriebssystems mit einer Nennleistung von 140 kW.  Durch diese Art von Früherkennung lässt sich die Planung von Instandhaltungsmaßnahmen optimieren und Folgeschäden verhindern und somit die sogenannte Prädiktive Instandhaltung (Eng. Predictive Maintenance) realisieren.

Copyright: Dr. Samer Mtauweg

Bild. 1: Beispiel zu Frequenzschadenmuster von dem Außenring und den Wälzkörpern eines Wälzlagers eines elektrischen Antriebes.

Wobei bei der Prädiktiven Instandhaltung nicht nur die Schwingungsmessungen, sondern auch eine Reihe von anderen Messungen und Maßnahmen eingesetzt werden. Diese lassen sich nach der zugehörigen Effektivität und Früherkennungsmöglichkeit in der folgenden Reihenfolge sortieren:

 1. Ultraschallmessung: Die Messdaten werden in der Regel in GHz oder in MHz Bereich aufgenommen. Dieses Verfahren zeichnet sich durch:

  • Sehr hohe Sensitivität, erkennt beginnende Reibung, Mikrorisse, Kavitation oder Leckagen frühzeitig.
  • Oft die erste Methode, die Anomalien registriert – noch bevor es mechanisch auffällig wird.
  • Ideal für die Früherkennung von Lagerschäden, Ventilproblemen, elektrischen Entladungen.
     

2. Schwingungsmessung (Körperschall/Vibration): Dabei kommen piezoelektrische Beschleunigungsaufnehmer und/oder MEMS (MikroElektroMechanische Systeme) Sensoren zum Einsatz. Durch effektive Analysemethoden lassen sich durch diese Messdaten die folgenden Vorteile erreichen:

  • Erkennt mechanische Probleme, sobald sie eine gewisse Intensität erreichen: Lagerschäden, Unwuchten, Ausrichtfehler, Lockerungen.
  • Sehr gut zur Zustandsüberwachung und Trendanalyse geeignet.
     

3. Partikelzähler (Ölanalyse)

  • Erkennt Abrieb oder Verunreinigungen im Schmiermittel, was auf beginnende Materialschäden oder Verschleiß hindeutet.
  • Funktioniert gut, sobald sich erste Partikel ablösen – also nachdem schon mechanische Schäden entstanden sind, aber oft noch im Frühstadium.
  • Besonders effektiv bei Getrieben und Hydraulikanlagen.
     

4. Temperaturmessung

  • Reagiert erst, wenn es zu erhöhtem Energieeintrag oder Reibung kommt.
  • Nützlich zur Überwachung thermischer Prozesse oder Überlastung, aber relativ spätes Anzeichen eines Schadens.
  • Gut als sekundäres Kontrollinstrument.
     

5. Strommessung

  • Wird v. a. bei Elektromotoren eingesetzt; zeigt Veränderungen im Stromverbrauch bei z. B. erhöhter Reibung, Wicklungsschäden oder Blockierungen.
  • Reagiert in der Regel erst spät, wenn der Schaden schon Einfluss auf den Energiebedarf hat.
  • Sinnvoll im Rahmen einer ganzheitlichen Überwachung.
     

Diese Reihenfolge ist zwar bei unterschiedlichsten Anwendungen validiert und bestätigt, es können jedoch einige Ausnahmen und Sonderfälle vorkommen. Die Ultraschalltechnik kann bei dem Einsatz in frequenzumrichtergesteuerten Systemen störanfällig sein. Die Erfahrungen aus dem Bereich der drehzahlvariablen Multimegawatt-Windenergieanlagen zeigen, dass drehwinkelbasierte Ordnungsanalyse anstatt von der gängige Fast Fourier Transformationen FFT erforderlich ist. Desweitern benötigen dynamisch hochbelastete langsam-laufende Großwälzlagern den Einsatz von MEMS- anstatt von Piezoelektrischen Beschleunigungsaufnehmer zur bessere Schadenfrüherkennung.

Die Industrie 4.0, Digitaler Zwilling und KI gestützte Lösungen treibt die Entwicklung von neuen Generationen von Sensoren und Messtechniken insbesondere zur Schwingungserfassung sowie neue Analysemethoden an. Dies wird den Stand der Technik in diesem Bereich massiv verändern und revolutionieren.

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Über den Autor:

Dr.-Ing: Samer Mtauweg hat Maschinenbau studiert und über Systemdynamik in der Windenergie an der TU Dresden promoviert. Danach arbeitete er bei einem der führenden Hersteller für Offshore-Windenergieanlagen (AREVA-Wind). Zuletzt war er dort als Teamleiter für die Entwicklung des Antriebsstrangs der 8MW Offshore-Plattform verantwortlich. 2015 wechselte Dr. Mtauweg zum Windenergieanlagenhersteller Enercon und war dort als Key Expert für die technischen Neu- und Weiterentwicklungen verantwortlich. Zwischen 2017 und Oktober 2024 war Dr. Mtauweg Gesellschafter/Geschäftsführer der MML-Solutions GmbH. 

Seit Ende 2024 leitet er sein eigenes Ingenieurbüro für die Entwicklung von Lösungen im Bereich System Dynamics and Diagnostics mit Sitz in Bremerhaven.

Dr. Mtauweg ist Spezialist für technische Lösungen zur Kostenoptimierung und Ertragssteigerung von Windenergieanlagen. Er entwickelt mehrere Smart Diagnose Systeme und digitale Plattformen für die gesamtheitliche Betrachtungen von Windparks.