Staubexplosionsschutz im Wandel: Innovation, Verantwortung und der Weg zu neuen Standards

Technologische Innovationen, wirtschaftlicher Druck und unscharfe Regelwerke stellen den Staubexplosionsschutz vor neue Herausforderungen. Dr. Johannes Lottermann, frisch gewählter Präsident von IND EX e.V., will diese Lücken schließen und setzt dabei auf den Schulterschluss zwischen Forschung, Industrie und Normung. Warum die VDI-Fachtagung in Nürnberg für ihn ein unverzichtbares Klassentreffen der Branche ist – und was Explosionsschutz auch in Zukunft zu einer echten Ingenieurdisziplin macht, darüber sprechen wir mit ihm im Interview.

Welche sind die Herausforderungen des heutigen Staubexplosionsschutzes?

Dr. Johannes Lottermann: Der Staubexplosionsschutz befindet sich auch heute noch in dem Spannungsfeld technologischer Innovationen, die den regulatorischen Anforderungen vorrauseilen. Neue Werkstoffe, neue Fertigungstechnologien aber auch ehrlicherweise bislang nicht immer hinreichend wissenschaftlich untersuchte Einflüsse von Prozessparametern führen oft in den Graubereich. Daneben stehen Betreibende staubführender Anlagen vor der Herausforderung, Schutzmaßnahmen nicht nur technisch wirksam, sondern auch wirtschaftlich tragfähig zu gestalten. Die VDI-Fachtagung „Sichere Handhabung brennbarer Stäube“ in Nürnberg ist daher eine ganz besondere Veranstaltung, auf der genau diese Herausforderungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet werden. Hier treffen Betreibende und Hersteller auf Behördenvertreter*innen, Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen regelwerksgebender Gremien, um praxisnahe Lösungen zu diskutieren und voneinander zu lernen.
 

Was unterscheidet den Staubexplosionsschutz von heute mit dem von vor 30 Jahren?

Dr. Johannes Lottermann: Vor 30 Jahren lag der Fokus vor allem auf der klassischen Anwendung vorbeugender und konstruktiver Schutzmaßnahmen. An den Wirkprinzipien und Funktionsweisen autonomer Schutzsysteme und vorbeugender Schutzmaßnahmen hat sich auf den ersten Blick nicht viel verändert – wohl aber an deren Zuverlässigkeit und funktionalen Sicherheit. Deren Auswahl und Auslegung hingegen erfolgte vor 30 Jahren ausschließlich von Expert*innen – das ist heute anders. Zusätzlich haben die damaligen Expert*inne, die Pioniere des heutigen Explosionsschutzes, ein klares Verständnis dafür gehabt, was zwischen den Zeilen der Regelwerke stand und konnten sich daher auch im Graubereich mit einer gewissen Expertise bewegen. Was heute hingegen nicht klar geregelt ist, lässt Betreibende, Hersteller aber auch Behördenvertreter*innen schnell im Dunklen. In Nürnberg trifft man auf der VDI-Fachtagung auf die Pioniere und kann damit aus erster Hand lernen. Ich persönlich hatte das große Glück, seit nunmehr 20 Jahren von den Altmeistern lernen zu können und kann daher jedem Interessierten das Klassentreffen der Staubexplosionsschützer im deutschsprachigen Raum nur ans Herz legen. 
 

Wenn Sie einen Tipp zum Staubexplosionsschutz geben müssten, welcher wäre das?

Dr. Johannes Lottermann: Mein wichtigster Tipp: Explosionsschutz war und ist eine Ingenieurdisziplin – die Erarbeitung von Schutzkonzepten sollte daher auch künftig als solche verstanden werden. Risikogerechter, ingenieurmäßiger Explosionsschutz ist davon unabhängig oftmals auch wirtschaftlicher als eine mutmaßlich korrekte Auswahl von Schutzmaßnahmen aus dem Katalog.
 

Sie sind vor Kurzem zum Präsidenten von IND EX e. V. gewählt worden. IND EX betreibt angewandte (Zweck)Forschung und braucht ein regelwerkgebendes Gremium wie bspw. dem VDI?

Dr. Johannes Lottermann: Als Präsident von IND EX ist es mir ein großes Anliegen, die Lücke zwischen angewandter Forschung und praxisgerechten Regelwerken zu schließen. Mit IND EX möchte wir voran gehen, die Lücken und Graubereiche näher zu beleuchten. Durch praxisorientierte Zweckforschung wollen wir konkrete Antworten auf die Fragen in der betrieblichen Praxis geben, die dann wiederum die Basis für zukünftige Regelwerke darstellen kann. Hierauf können die regelwerksgebenden Gremien im DIN oder dem VDI dann zurückgreifen und in anwendbare Richtlinien überführen. Die VDI-Fachtagung „Sichere Handhabung brennbarer Stäube“ bietet genau eine solche Schnittstelle für echte Dialoge: Hier kommen Forscher*innen, Betreibende und Regelwerksexpert*innen zusammen, um den Explosionsschutz praxisnah weiterzuentwickeln. Mein Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen IND EX und dem VDI zu intensivieren, um den Staubexplosionsschutz auf das nächste Level zu heben.
 

Was macht die VDI-Fachtagung in Nürnberg besonders und einzigartig?

Dr. Johannes Lottermann: Die VDI-Fachtagung in Nürnberg ist mehr als nur eine Konferenz – sie ist das zentrale Klassentreffen der Branche im deutschsprachigen Raum. Keine andere Veranstaltung bringt Wissenschaftler*innen, Betreibende und Hersteller so gezielt zusammen, um direkt umsetzbare Lösungen für den Staubexplosionsschutz zu diskutieren.

Neben einem hochkarätigen Programm ist es vor allem der fachübergreifende Austausch, der die Veranstaltung so wertvoll macht. Gerade die Gespräche in den Pausen, der direkte Kontakt zu Regelwerksentwickler*nnen und die Möglichkeit, individuelle Fragestellungen mit führenden Expert*innen zu besprechen, bieten einen Mehrwert, den keine andere Veranstaltung in dieser Form liefern kann.

Wer wissen will, wo der Staubexplosionsschutz heute steht und wohin die Reise geht, der sollte am 18. und 19. November 2025 in Nürnberg dabei sein.

Über den Interviewpartner:

Dr. Johannes Lottermann

Dr. Johannes Lottermann ist Sicherheitsingenieur und leidenschaftlicher Botschafter für den Schutz von Mensch, Umwelt und Anlagen. Als Präsident von IND EX e. V. – der Intercontinental Association of Experts for Industrial Explosion Protection – setzt er sich auf europäischer und globaler Ebene für die Weiterentwicklung von Standards, den fachlichen Austausch sowie für praxisnahe Lösungen und der praxisnahen Forschung im Explosionsschutz ein. In seiner Rolle als Mitglied der Geschäftsleitung verantwortet er bei REMBE die weltweite Geschäftsentwicklung eines Unternehmens, das sich dem Schutz vor Explosionen und unzulässigem Überdruck verschrieben hat. Seine Mission: Sicherheitslösungen entwickeln, die nicht nur schützen, sondern Leben retten.

Seine fundierte Fachkompetenz basiert auf einem Studium der Sicherheitstechnik in Wuppertal, einer Promotion im Bereich Brand- und Explosionsschutz sowie mehreren Jahren am DMT – Zentrum für Brand- und Explosionsschutz im TÜV NORD Konzern. 

Seit 2010 ist er Teil der REMBE-Familie und gestaltet dort den Explosionsschutz mit Innovationskraft, Kundennähe und echter Leidenschaft. Dabei verbindet er technische Exzellenz mit menschlicher Haltung. Als ausgebildeter MENTALetics®-Coach und emTrace®-Mastercoach verfolgt er im Vertrieb den „H2H statt B2B“-Ansatz und lebt „Emotional Leadership“ in der Führung. Denn für ihn steht fest: Menschen kaufen von Menschen – und folgen Menschen, die inspirieren. Privat engagiert sich Johannes Lottermann ehrenamtlich bei der Feuerwehr – ein Ausdruck gelebter ganzheitlicher Verantwortung.