Warum E-Lub Tester?

Impedanzspektroskopie an Wälzlagern ist die Grundlage für zahlreiche etablierte Anwendungen im Bereich der Predictive Maintenance, für die sie als Zustandsüberwachungsgröße herangezogen wird. Weiterhin findet die Impedanzmessung Anwendung in vielen aktuellen Forschungsprojekten zur Beantwortung unterschiedlicher Fragestellungen: mit ihrer Hilfe können die Auswirkungen parasitärer Stromdurchgänge oder die elektrochemische Schmierstoffalterung untersucht werden. Ebenso können White-Etching-Cracks identifiziert werden und die reale Schmierspaltgeometrie erfasst werden, z.B. unter Berücksichtigung des verzögerten Schmierfilmaufbaus bei oszillierender Bewegung.

Abbildung 2: Bode-Diagramme aus Lagerimpedanzmessung mit FVA 3 (Schmierstofftemperatur: 40°C; Axiallast: 2.400 N; Drehzahl: 1.000 min-1), Quelle: flucon

All den oben genannten Anwendungen ist gemeint, dass die dabei gemessenen Impedanzen den Effekten im EHD-Kontakt unterliegen, wie z.B. der Oxidation des Wälzlagerwerkstoffes, der Oberflächendiffusion, dem Einlaufen von den Rauheitsspitzen der Laufflächen oder den hohen lokalen Druck- und Temperaturspitzen. Außerdem kann je nach Betriebspunkt nicht von einer homogenen Verteilung aller Additive im Schmierspalt ausgegangen werden. Hier führen u.a. Verdrängungseffekte zu lokalen Konzentrationsabweichungen.

Für die eingangs aufgezählten Anwendungen wird eine trennscharfe Unterscheidung zwischen denjenigen Effekten gefordert, die auf den Schmierstoff zurückzuführen sind, und solchen, die durch das Lager bedingt werden. Dennoch werden häufig bei konventionellen Untersuchungen die wälzlagereigenen Effekte durch eine zu einfache Prüfgeometrie, wie etwa die des Zwei-Scheiben-Prüfstands oder eines Rheometers, unterrepräsentiert. Ein genormtes Prüfverfahren zur Ermittlung der schmierstoffspezifischen Impedanzkennwerte direkt im Wälzlager wird daher im Rahmen des Normausschusses NA 062-06-53AA angestrebt und von der flucon fluid control GmbH mit dem neuartigen Instrument E-Lub Tester federführend begleitet.

Was ist der E-Lub Tester?

Beim E-Lub Tester handelt es sich um flucons jüngstes Produkt, das auf Vorarbeiten des Lehrstuhls für Maschinenelemente und Getriebetechnik (MEGT) der RPTU Kaiserslautern Landau beruht und die dielektrischen Schmierstoffeigenschaften unter gezielt nachempfundenen Betriebsbedingungen im Schmierspalt eines Wälzkugellagers ermittelt. Als Standard-Prüfling dient ein Axialrillenkugellager vom Typ 51208, das sich aufgrund der gleichmäßigen Kraftverteilung auf seine Wälzkörper, seines radialen Formschlusses und seiner im Vergleich zum Kegelrollenlager eindeutigen Kontaktverhältnisse besonders anbietet. Das Prüflager befindet sich in einem gekapselten, temperierten Einsatz, welcher thermisch, galvanisch und kapazitiv von der Antriebseinheit entkoppelt wurde. Standardmäßig wird auf den etablierten Vierkugelapparat (VKA) des Herstellers Hansa zurückgegriffen, um die Drehzahl und die axiale Last zu realisieren.
Über einen Schleifkontakt an der Welle und über eine Kontaktierung der Lageraufnahme kann das geschmierte und belastete Prüflager elektrisch analysiert werden.

Welche Messungen sind möglich?

Die Messelektronik des E-Lub Tester bietet einerseits die Möglichkeit zur Impedanzspektroskopie, andererseits kann das Prüflager gezielt elektrisch belastet werden, um parasitäre Lagerströme zu erzeugen. Beides lässt sich mithilfe mehrerer Auswertungsroutinen in der entwickelten Mess- und Steuersoftware in Zusammenhang bringen und in Abhängigkeit der eingestellten Betriebsbedingungen dokumentieren.Der E-Lub Tester bietet die Möglichkeit, komplexe Impedanzen in einem Frequenzband von 100 Hz bis 10 MHz aufzunehmen und in Bode-Diagrammen darzustellen. Das elektrische Ersatzschaltbild entspricht dem eines RC-Gliedes. Dies wird durch Amplituden- und Phasengang bestätigt. Mittels Kleinster-Quadrate-Methode werden die gemessenen Kurven einem idealen RC-Glied angeglichen, um schließlich die Einzelparameter R und C zu extrahieren. Diese können als Kennfelder über die Betriebsparameter Kraft, Drehzahl und Temperatur aufgetragen werden.

Abbildung 3: Kennfelder des Widerstands, der Kapazität und der kritischen Spannung eines Fluids, Quelle: flucon

Abbildung 4: Darstellung des Strom- und Spannungsverlaufes mit EDM-Ereignis, Quelle: flucon

Ferner lässt sich eine Wellenspannung anlegen, um die kapazitive Kopplung über die Wälzkörperkontakte und den parasitären Stromfluss über dieselben nachzubilden. Strom und Spannung werden hierfür hochfrequent abgetastet. Anhand von geeigneten Stromschwellwerten werden potenziell schädliche Ereignisse automatisch identifiziert. Die hinterlegten Algorithmen können zuverlässig schädliche, funkenerosive Durchschlagsströme (sog. EDM-Ereignisse) herausfiltern (Abbildung 4).

Abbildung 5: Häufigkeitsverteilung der Ereignisse hoher Stromstärke mit FVA 3 (Schmierstofftemperatur: 40°C; Axiallast: 2.400 N; Drehzahl: 1.000 min-1), Quelle: flucon

Diese Ereignisse können statistisch ausgewertet werden und in ihrer Häufigkeit und ihrer Intensität über der Peak-to-peak-Quellenspannung in Farbkartendarstellungen aufgetragen werden (Abbildung 5).

Man erhält so für jeden Betriebspunkt ein genaues Bild des kritischen Spannungsbereichs und der jeweiligen Durchschlagscharakteristik. Als eine zerstörungsfreie Abwandlung dieses Messprinzips kann außerdem die Durchschlagsspannung automatisiert ermittelt werden, indem die Spannungsamplitude sukzessiv bis zu den ersten Durchbrüchen erhöht wird. Wenn dies von der Software als Abbruch-Kriterium genutzt wird, kann problemlos eine rückwirkungsfreie Messung an mehreren aufeinander folgenden Betriebspunkten durchgeführt werden. Auch die so bestimmten kritischen Spannungen können als Kennfelddarstellung ausgegeben werden (Abbildung 3).

Warum also E-Lub Tester?

Der E-Lub Tester von flucon ist das ideale Instrument, um die dielektrischen Eigenschaften von Schmierstoffen im dynamisch belasteten Wälzlager zu untersuchen und gezielt elektrische Schädigungen von Schmierstoffen und Wälzlageroberflächen zu erzeugen. Dies unter realitätsnahen Bedingungen direkt im Wälzlager zu tun ermöglicht die Berücksichtigung aller eingangs beschriebenen Effekte im Schmierspalt.
Aktuell arbeitet die flucon an der Weiterentwicklung des E-Lub Tester. Ziel sind u.a. eine für diese Mess- und Prüfanwendung optimierte vollautomatisierte Antriebseinheit mit Axial- und Radialkraftzustellung sowie optional oszillierendem Antrieb, die Bestimmung der Schmierfilmdicke auf Basis der Impedanzmessungen, die Extraktion und die Übertragbarkeit der schmierstoff- und druckabhängigen dielektrischen Größen aus dem Schmierspalt auf andere Kontakte und zudem eine Optimierung der Messelektronik in Hinblick auf einen größeren Messbereich, um auch Schmierstoffe mit ausgeprägter elektrischer Leitfähigkeit präzise zu vermessen.

Über die Autoren:

Dipl.-Ing. André Heine, Forschung und Entwicklung, flucon fluid control GmbH

B. Sc. Josephine Klingebiel, Forschung und Entwicklung, flucon fluid control GmbH

Dipl.-Ing. Simon Hausner, Chief Technology Officer, flucon fluid control GmbH